Soweit § 2 Abs. 2 TVÜ VKA die Weitergeltung von bestimmten Tarifverträgen anordnet und diese auf andere Tarifverträge verweisen, die aufgehoben oder ersetzt worden sind, gelten die Bestimmungen der aufgehobenen oder ersetzten Tarifverträge statisch weiter. Die anders lautende Regelung des § 2 Abs. 4 TVÜ Bund gilt hier nicht. Sie ist weder analog anzuwenden, noch ist ihr ein allgemeines Prinzip zu entnehmen.

Die Auslegung der maßgeblichen tarifvertraglichen Vorschriften insbesondere des § 2 TVÜ-VKA führt für das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zu dem Ergebnis, dass die Theaterbetriebszulage der Höhe nach unverändert so fortzuzahlen ist, wie sie zuletzt unproblematisch fortzuzahlen war, als die in dem BZTV genannte Bezugsgröße des Monatstabellenlohnes der Stufe 1 der Lohngruppe des BMT‑G noch gegolten hat. Diese Bezugsgröße gilt unverändert, gewissermaßen „eingefroren“, weiter.
Nach ständiger und allgemein anerkannter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages, den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragspartei mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies ein zweifelsfreies Auslegungsergebnis nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt [1].
In Anwendung der oben dargestellten Rechtssätze rechtfertigt sich die Annahme, dass der Monatstabellenlohn des BMT‑G als Berechnungsgrundlage des Theaterbetriebszuschlages unverändert weiter gilt.
Der Wortlaut des § 2 TVÜ-VKA ist nicht uneingeschränkt eindeutig und nimmt zu dem in diesem Streitfall aufgeworfenen Problemkreis keine ausdrückliche Stellung. Er lässt beide Auslegungsvarianten zu, nämlich die, dass die Bezugsgröße durch das Tabellenentgelt im Sinne des TVÖD ersetzt wird als auch die von der Vorinstanz vorgenommene Auslegungsalternative.
Die Systematik der im öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge, insbesondere ein Abgleich des § 2 TVÜ-VKA und des § 2 TVÜ-Bund, wobei in beiden Fällen auf Gewerkschaftsseite die Gewerkschaft ver.di diese Tarifverträge abgeschlossen hat, spricht für eine statische Fortgewährung der Theaterbetriebszulage und gegen jedwede Entgeltanpassung im Sinne der neuen Vorschriften des öffentlichen Dienstes. Denn im Bereich des TVÜ-VKA fehlt gerade die entsprechende Vorschrift des TVÜ-Bund, die in § 2 Abs. 4 TVÜ-Bund ausdrücklich die Regelung trifft, dass soweit in nicht ersetzten Tarifverträgen und Vertragsregelungen auf Vorschriften verwiesen wird, die aufgehoben oder ersetzt worden sind, an deren Stelle bis zu einer redaktionellen Anpassung die Regelung des TVÖD bzw. TVÜ-Bund entsprechend gelten. Diese in TVÜ-Bund getroffene Regelung ist keineswegs selbstverständlich, sie normiert kein allgemeines Prinzip und enthält nicht lediglich eine Klarstellung sondern normiert etwas, was ohne eine solche Regelung nicht gegolten hätte. Mit anderen Worten: Weil § 2 TVÜ-VKA eine solche besondere Vorschrift nicht enthält, gilt das in § 2 Abs. 4 TVÜ-Bund normierte Prinzip im Bereich des TVÜ-VKA gerade nicht.
Dieser Regelungssystematik entspricht auch der erkennbare Sinn und Zweck, den die Tarifvertragsparteien der Regelung des § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA beigemessen haben. Dort haben sie den Tarifvertragsparteien des BZTV bzw. sich selbst eine besondere Verantwortung auferlegt, den seinerzeit geltenden Status entweder zu belassen oder aber fortzuentwickeln bzw. zu verändern. Hierbei ist sogar eine für die Arbeitnehmer ungünstige Entwicklung und Veränderung möglich, beispielsweise weil die Tarifvertragsparteien zu der übereinstimmenden Auffassung gelangen, das bisherige System der Theaterbetriebszulage sei antiquiert. Mit dem in § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA erkennbaren Prinzip der besonderen Verantwortlichkeit der Tarifvertragsparteien für die von den Mitgliedsverbänden der VKA abgeschlossenen Tarifverträge ist eine Tarifautomatik unvereinbar. Die Tarifvertragsparteien hätten eine Anpassung in jedweder Form, auch hinsichtlich der Höhe der Berechnungsgrundlage für den Theaterbetriebszuschlag vornehmen müssen. Dies ist nicht geschehen.
Nach den vorstehenden Einzelkriterien der Tarifauslegung ergibt sich eine statische Fortgeltung der Berechnungsgrundlage des Theaterbetriebszuschlages. Evtl. allgemeine Praktikabilitäts- oder gar Gerechtigkeitserwägungen, denen ohnedies nach der Rangfolge der bei einer Tarifauslegung geltenden Kriterien Hilfscharakter zukommt, müssen hinter diesem klaren Ergebnis zurück bleiben. Wenn etwas geändert werden soll, dann müssen dies die Tarifvertragsparteien tun. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht Niedersachsen uneingeschränkt überzeugt.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen – Urteil vom 12. Dezember 2013 – 5 Sa 703/13
- BAG, Urteil vom 21.08.2003, Az.: 8 AZR 430/02 – AP Nr. 185 zu § 1 TVG Tarifverträge Metallindustrie; BAG, Urteil vom 22.10.2003, Az.: 10 AZR 152/03 – BAGE 108, 176 – 184; BAG, Urteil vom 24.10.2007, Az.: 10 AZR 878/06 – Juris[↩]