Berliner Wachpolizisten – und die Vergütung von Rüst- und Wegezeiten

Bei der vom Wachpolizisten aufgewandten Zeit zum An- und Ablegen, zum Laden und Entladen sowie zum Entnehmen und Wegschließen der Dienstwaffe im häuslichen Bereich handelt es sich nicht um vergütungspflichtige Arbeitszeit. Dagegen sind die Umkleide- und Rüstzeiten mit der Persönlichen Schutzausrüstung auch im häuslichen Bereich vergütungspflichtige Arbeitszeit. 

Berliner Wachpolizisten – und die Vergütung von Rüst- und Wegezeiten

Dies entschied jetzt das Bundesarbeitsgericht auf die Klage eines im Zentralen Objektschutz tätigen Wachpolizisten, auf dessen Arbeitsverhältnis kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der TV-L Anwendung findet, und der mit dem Land Berlin um die Verpflichtung des Landes Berlin streitet, Umkleide, Rüst- und Wegezeiten zu vergüten und Zeitgutschriften für arbeitsfreie gesetzliche Feiertage zu gewähren.

Die Arbeitszeit des Wachpolizisten richtet sich seit dem 25.06.2015 ua. nach der „Geschäftsanweisung Dir ZA Nr. 3/2015 über die Einführung neuer Arbeitszeitregelungen in der Direktion Zentrale Aufgaben Zentraler Objektschutz (ZOS)“ vom 05.06.2015. Wachpolizisten im ZOS arbeiten danach im Dreischichtsystem von 06:30 Uhr bis 14:45 Uhr (Frühdienst), 14:30 Uhr bis 22:45 Uhr (Spätdienst) und 22:30 Uhr bis 06:45 Uhr (Nachtdienst). Das System sieht eine feste Schichtfolge mit zwei Früh, zwei Spät- sowie zwei Nachtschichten und anschließend eine Ruhezeit von ungefähr 72 Stunden vor, dh. 42 Schichten in neun Wochen. Jede Schicht dauert acht Stunden 15 Minuten, wobei sich die Nachtschicht auf 1, 5 Stunden zum Ende des einen und 6, 75 Stunden zu Beginn des neuen Tages erstreckt. In einem Siebentageszeitraum fallen Schichtzeiten im Umfang von 49, 5 Stunden an.

Die Wachpolizisten müssen den Dienst in angelegter Uniform nebst persönlicher Schutzausrüstung (PSA) und streifenfertiger Dienstwaffe antreten. Auf der dunklen Oberbekleidung der Uniform ist in weißer Schrift der Schriftzug „POLIZEI“ aufgebracht. Es ist den Wachpolizisten freigestellt, ob sie den Weg zum; und vom Dienst in Uniform zurücklegen. Dem Wachpolizisten steht an seinem Einsatzort kein Spind zur Verfügung. Der Wachpolizist legt die Uniform nebst PSA zu Hause an und ab. Die Dienstwaffe ist nach einer Geschäftsanweisung des beklagten Landes über den Umgang mit Faustfeuerwaffen im streifenfertigen Zustand zu führen. Wachpolizisten ist es gestattet, die Dienstwaffe mit nach Hause zu nehmen, sofern dort eine geeignete Aufbewahrungsmöglichkeit besteht. Auf dem Weg zum; und vom Dienst ist es den Wachpolizisten freigestellt, die Dienstwaffe mit oder ohne Dienstkleidung zu tragen. Ein Waffenschließfach ist am Einsatzort für den Wachpolizisten nicht vorhanden. Ein solches wird ihm vom beklagten Land in der S-Straße, B zur Verfügung gestellt. Der Wachpolizist bewahrt die Dienstwaffe zu Hause auf und legt sie dort auch an und ab.

An den gesetzlichen Feiertagen 25.12.2017 (1. Weihnachtsfeiertag), 26.12.2017 (2. Weihnachtsfeiertag), 1.05.2018 (Tag der Arbeit) und 10.05.2018 (Christi Himmelfahrt) hatte der Wachpolizist dienstplanmäßig frei. Das beklagte Land hat dem Wachpolizisten für diese Tage jeweils Gutschriften von sechs Stunden und elf Minuten auf dem für ihn geführten Arbeitszeitkonto, dem sog. PuZMan-Konto, in der Spalte „Zeitkonto“ eingetragen.

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Mit seiner Klage hat der Wachpolizist die Feststellung der Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten mit der PSA und für die von ihm aufgewandte Zeit zum Entnehmen, Laden und Entladen und An- und Ablegen sowie Wegschließen der Dienstwaffe sowie für die Wegezeiten von seiner Wohnung zu dem ihm zugewiesenen Schutzobjekt, jeweils seit dem 1.06.2016 verlangt. Er hat gemeint, das An- und Ablegen der Uniform sowie das Rüsten mit der PSA und Dienstwaffe nehme er nur im Interesse des beklagten Landes vor, weshalb die dafür erforderlichen Zeiten, ebenso wie die Wegezeiten, die von ihm in auffälliger Dienstkleidung unter Mitführen der Dienstwaffe zurückgelegt werden, zu vergütende Arbeitszeit seien. Das beklagte Land habe zudem seinem Arbeitszeitkonto Zeitgutschriften für die arbeitsfreien gesetzlichen Feiertage im Umfang von jeweils 7, 07 Stunden gutzuschreiben.

Das Arbeitsgericht hat das Land Berlin zu einer Zeitgutschrift auf dem für den Wachpolizisten geführten Arbeitszeitkonto im Umfang von drei Stunden und zwei Minuten verurteilt, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen1. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat auf die Berufung des Wachpolizisten – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen – eine Vergütungspflicht des beklagten Landes für das Umkleiden und Rüsten im Umfang von insgesamt zehn Minuten sowie für das Entnehmen, Laden und Anlegen der Dienstwaffe im Umfang von insgesamt vier Minuten, jeweils im häuslichen Bereich, seit dem 1.03.2017 für die Tage, an denen er tatsächlich gearbeitet hat, festgestellt und das beklagte Land verurteilt, dem für den Wachpolizisten geführten Arbeitszeitkonto für die gesetzlichen Feiertage am 25.12.2017, 26.12.2017, 1.05.2018 und 10.05.2018 insgesamt drei Stunden und 32 Minuten gutzuschreiben2.

Die hiergegen gerichtete Revision des Wachpolizisten hat das Bundesarbeitsgericht zurückgewiesen;  es beständen keine Vergütungspflichten von Wegezeiten zwischen der Wohnung des Wachpolizisten und dem Einsatzort. Ansprüche auf Vergütung wegen Umkleidens und Rüstens mit der PSA in der Zeit vor dem 1.03.2017 seien verfallen.

Dagegen hat das Bundesarbeitsgericht die Revision des Landes Berlin als teilweise begründet angesehen; das Landesarbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft eine Vergütungspflicht für Rüstzeiten mit der Dienstwaffe im häuslichen Bereich festgestellt, insoweit hat das Bundesarbeitgsgericht das Berufungsurteil aufgehoben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Klage abgewiesen. Zu Recht habe das Landesarbeitsgericht jedoch die Vergütungspflicht der Umkleide- und Rüstzeiten mit der PSA im häuslichen Bereich festgestellt sowie das beklagte Land zur Zeitgutschrift verurteilt. 

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Die Revision des beklagten Landes ist begründet, soweit sie sich gegen die Feststellung der Vergütungspflicht der Zeit zum Entnehmen, Laden und Anlegen sowie zum Ablegen, Entladen und Wegschließen der Dienstwaffe im häuslichen Bereich wendet. Bei diesen Zeiten handelt es sich im Streitfall nicht um vergütungspflichtige Arbeitszeiten.

Der Antrag auf Feststellung der Vergütungspflicht von Rüstzeiten mit der Dienstwaffe ist in der zuletzt gestellten Fassung nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in einem Parallelverfahren entschieden, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird3. Der vorliegende Sachverhalt entspricht insoweit demjenigen des vorgenannten Verfahrens.

Die Zeiten des Rüstens mit der Dienstwaffe, die der Wachpolizist im häuslichen Bereich vornimmt, sind keine vergütungspflichtigen Arbeitszeiten iSv. § 611 Abs. 1 BGB bzw. seit dem 1.04.2017 iSv. § 611a Abs. 2 BGB.

Zur Arbeit eines Wachpolizisten gehört auch das An- und Ablegen sowie das Laden und Entladen der Dienstwaffe, wenn diese Handlungen auf der Weisung des Arbeitgebers beruhen, den Dienst mit streifenfertiger Dienstwaffe anzutreten4. Nutzt der Arbeitnehmer zur Aufbewahrung der Dienstwaffe die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Möglichkeit eines dienstlichen Waffenschließfachs, zählen zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit auch die innerbetrieblich vorgenommenen Zusammenhangstätigkeiten, die mit dem Auf- und Abrüsten der Dienstwaffe verbunden sind.

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei der vom Wachpolizisten aufgewandten Zeit zum An- und Ablegen, zum Laden und Entladen sowie zum Entnehmen und Wegschließen der Dienstwaffe im häuslichen Bereich nicht um vergütungspflichtige Arbeitszeit. Eine Weisung des beklagten Landes, diese Tätigkeiten zu Hause vorzunehmen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Der Wachpolizist hat sich eigenständig entschieden, von der angebotenen Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Dienstwaffe mit nach Hause zu nehmen und sie dort an- und abzulegen, obwohl ihm in der wohnortnahen Polizeidienststelle in der S-Straße, B ein dienstliches Waffenschließfach zur Verfügung steht. Das An- und Ablegen der Dienstwaffe zu Hause ist damit nicht ausschließlich fremdnützig und deshalb nicht vergütungspflichtig5.

Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht eine Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten mit der PSA im häuslichen Bereich seit dem 1.03.2017 festgestellt und deren Umfang geschätzt hat.

Der Antrag auf Feststellung der Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten mit der PSA seit dem 1.03.2017 ist begründet. Diese Zeiten sind entgegen der Auffassung des beklagten Landes als Arbeitszeit nach § 611 Abs. 1 BGB bzw. seit dem 1.04.2017 nach § 611a Abs. 2 BGB vergütungspflichtig.

Auf die Grundsätze zur Beurteilung einer Vergütungspflicht des An- und Ablegens von Dienstkleidung, die der Arbeitnehmer verpflichtend zu tragen hat, wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen6.

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Danach ist die für das An- und Ablegen der Uniform und der PSA im häuslichen Bereich benötigte Zeit ausnahmsweise vergütungspflichtige Arbeitszeit. Der Wachpolizist ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zum Tragen der Uniform und der PSA aufgrund Weisung des beklagten Landes verpflichtet7. Dieser Weisung kann der Wachpolizist nur nachkommen, wenn er die Uniform und PSA im häuslichen Bereich an- und ablegt. Denn nach den weiteren Feststellungen des Landesarbeitsgerichts steht dem Wachpolizisten an seinem Einsatzort kein Spind zur Verfügung. Ohne Aufbewahrungsmöglichkeit der Privat- und Dienstkleidung und der Ausrüstungsgegenstände am Einsatzort besteht keine zumutbare Umkleidemöglichkeit. Damit entscheidet sich der Wachpolizist nicht eigenständig dazu, die Dienstkleidung und PSA nicht im Betrieb, sondern im häuslichen Bereich an- und abzulegen.

Das Landesarbeitsgericht hat den zeitlichen Umfang der vergütungspflichtigen Umkleide- und Rüstzeiten mit der PSA im häuslichen Bereich zutreffend unter Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO ermittelt. Die Angriffe der Revision des beklagten Landes veranlassen keine andere Bewertung. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in einem Parallelverfahren Bezug genommen8. Der vorliegende Sachverhalt entspricht insoweit demjenigen des vorgenannten Verfahrens.

Der Wachpolizist hat die Ausschlussfrist nach § 37 Abs. 1 TV-L für die erhobenen Ansprüche auf Vergütung der Umkleide- und Rüstzeiten mit der PSA ab dem 1.03.2017 gewahrt.

Die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TV-L ist aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis des Wachpolizisten anwendbar. Die Klausel ist wirksam einbezogen9.

Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass nach dem 1.03.2017 entstandene Ansprüche des Wachpolizisten auf Vergütung der Umkleide- und Rüstzeiten nicht verfallen sind. Diese hat der Wachpolizist mit der am 24.11.2017 zugestellten Klageschrift geltend gemacht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in einem Parallelverfahren Bezug genommen10. Der vorliegende Sachverhalt entspricht insoweit im Grundsatz demjenigen des vorgenannten Verfahrens.

Die Revision des beklagten Landes ist auch unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht es verurteilt hat, dem für den Wachpolizisten geführten PuZMan-Konto in der Spalte „Zeitkonto“ drei Stunden und 32 Minuten gutzuschreiben.

Der Antrag, auf dem für den Wachpolizisten geführten Arbeitszeitkonto eine Zeitgutschrift vorzunehmen, ist in der zuletzt gestellten Fassung zulässig. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in einem Parallelverfahren Bezug genommen11.

Die Klage auf Zeitgutschrift im Umfang von drei Stunden und 32 Minuten ist begründet. Der Wachpolizist hat Anspruch auf die Gutschrift nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TV-L. Das Landesarbeitsgericht legt seiner Berechnung zutreffend zugrunde, dass für jeden dienstplanmäßig freien Arbeitstag 7, 07 Stunden gutzuschreiben sind. Die in der Revision noch streitigen Tage waren gesetzliche Feiertage. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen hatte der Wachpolizist an diesen Tagen dienstplanmäßig frei. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Parallelverfahren Bezug genommen12. Der vorliegende Sachverhalt entspricht insoweit demjenigen des vorgenannten Verfahrens. Von den für die in der Revision noch streitigen vier Tage insgesamt geschuldeten 28, 28 Stunden hat das beklagte Land nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts durch Zeitgutschrift für den 25.12.2017, 26.12.2017, 1.05.2018 und 10.05.2018 auf dem für den Wachpolizisten geführten Arbeitszeitkonto bereits jeweils sechs Stunden und elf Minuten erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Des Weiteren hat das Arbeitsgericht das beklagte Land zu einer Zeitgutschrift von drei Stunden und zwei Minuten verurteilt. Das erstinstanzliche Urteil ist insoweit in Rechtskraft erwachsen. Der Wachpolizist kann damit eine Zeitgutschrift von weiteren 30 Minuten verlangen.

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Der Wachpolizist hat die Ausschlussfrist nach § 37 Abs. 1 TV-L für die in der Revision noch streitigen Ansprüche gewahrt. Der Wachpolizist hat diese mit einer dem beklagten Land am 28.06.2018 zugestellten Klageerweiterung geltend gemacht.

Die Revision des Wachpolizisten ist unbegründet.

Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend die Feststellung einer Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten mit der PSA in der Zeit vom 01.06.2016 bis zum 28.02.2017 abgelehnt. Ansprüche aus dieser Zeit sind nach § 37 Abs. 1 TV-L verfallen.

Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Nach Satz 2 der Regelung reicht für denselben Sachverhalt die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus. Der Anspruch auf weitere Vergütung ist ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis.

Ansprüche des Wachpolizisten auf Vergütung der Umkleide- und Rüstzeiten mit der PSA für die Zeit vom 01.06.2016 bis zum 28.02.2017 sind verfallen. Das außergerichtliche Schreiben des Wachpolizisten vom 17.02.2017 stellt keine ausreichende Geltendmachung dar.

In Bezug auf die Grundsätze zur Beurteilung einer wirksamen Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen sowie die Fälligkeit der im Streit befindlichen Entgeltbestandteile wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das vom Bundesarbeitsgericht entschiedene Parallelverfahren Bezug genommen13.

Danach hat das Landesarbeitsgericht zu Recht keine rechtzeitige Geltendmachung für Ansprüche vor dem 1.03.2017 angenommen. Es hat zutreffend erkannt, dass das Schreiben vom 17.02.2017 nicht geeignet war, Ansprüche iSd. § 37 Abs. 1 TV-L wirksam geltend zu machen. Die Ansprüche sind bezüglich ihrer Höhe sowie des Zeitraums, für den sie verfolgt werden, nicht mit der für den Anspruchsgegner notwendigen Deutlichkeit geltend gemacht worden. Die Angaben zur Höhe sind widersprüchlich, weil es zunächst heißt, der Zeitaufwand für das An- und Ablegen der Uniform sowie der Ausrüstungsgegenstände betrage etwa 90 Minuten, später aber dargelegt wird, die Polizeiangestellten erschienen vor Dienstbeginn und wendeten zwischen 15 und 30 Minuten insbesondere für das Aufrüsten auf. Unabhängig davon wird auch nicht deutlich, für welchen Zeitraum Ansprüche geltend gemacht werden. In dem Schreiben heißt es lediglich, dass diese Zeiten „bislang“ nicht vergütet worden seien. Damit wird dem Zweck der tariflichen Ausschlussfrist nicht genügt. Es lässt nicht erkennen, dass es für den Polizeipräsidenten ohne weiteres ersichtlich war, für welchen Zeitraum der Wachpolizist Vergütung beansprucht.

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Die Revision des Wachpolizisten ist unbegründet, soweit er die Feststellung der Vergütungspflicht von Wegezeiten zwischen Wohnung und Einsatzort begehrt.

Der Antrag auf Feststellung der Vergütungspflicht von Wegezeiten ist unbegründet. Die Wegezeiten zwischen Wohnung und Einsatzort sind keine vergütungspflichtigen Arbeitszeiten iSv. § 611 Abs. 1 BGB bzw. seit dem 1.04.2017 iSv. § 611a Abs. 2 BGB.

Mit dem eigennützigen Zurücklegen des Weges von der Wohnung zur Arbeitsstelle und zurück erbringt der Arbeitnehmer regelmäßig keine Arbeit für den Arbeitgeber14. Die Wegezeiten zählen zur privaten Lebensführung und werden nicht im alleinigen Interesse des Arbeitgebers erbracht15. Anders kann es jedoch sein, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit außerhalb des Betriebs zu erbringen hat. Ist das wirtschaftliche Ziel der Gesamttätigkeit darauf gerichtet, verschiedene Kunden aufzusuchen – sei es, um dort Dienstleistungen zu erbringen, sei es, um Geschäfte für den Arbeitgeber zu vermitteln oder abzuschließen – gehört das Fahren zur auswärtigen Arbeitsstelle zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten16.

Danach sind die Wegezeiten des Wachpolizisten von seiner Wohnung zum Einsatzort keine vergütungspflichtigen Arbeitszeiten.

In Abgrenzung zu einem Außendienstmitarbeiter oder Monteur, bei dem Teil der geschuldeten Tätigkeit die Fahrt zum Kunden ist, stellt sich beim Wachpolizisten das Zurücklegen des Weges zum Schutzobjekt nicht als notwendiger Bestandteil der Bewachungstätigkeit dar17. In Bezug auf den Arbeitsweg hat der Arbeitgeber auch kein Direktionsrecht18. Der Weg von zu Hause zur Arbeitsstelle ist eigennützig, weil der Wachpolizist seine Arbeitsleistung am Ort der geschuldeten Leistung anbieten muss. Im Streitfall ist das der Ort, an dem das Schutzobjekt liegt. Dies gilt auch, soweit der Wachpolizist geltend macht, er habe die Wegstrecken in besonders auffälliger Dienstuniform nebst PSA zurückgelegt. Der Weg zur Arbeit bleibt dennoch privat19.

Aus dem Mitführen der Dienstwaffe auf dem Weg zur Arbeit folgt kein anderes Ergebnis. Das Mitführen einer Dienstwaffe ist zwar notwendiger Bestandteil der Tätigkeit eines Wachpolizisten, doch setzen Befugnisse zur Nutzung der Dienstwaffe erst mit Beginn der Bewachungstätigkeit ein. Aus den Polizeidienstvorschriften, auf die sich der Wachpolizist beruft, ergibt sich nicht Gegenteiliges. In Bezug auf die Pflicht, sich selbst in den Dienst zu versetzen, ist zwischen Polizeibeamten und Wachpolizisten in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zu unterscheiden. Nur Polizeibeamte können und müssen sich ggf. selbst in den Dienst versetzen. Außerhalb seines Einsatzes stehen dem Wachpolizisten als angestelltem Wachpolizisten nur die „Jedermann-Rechte“ zu. Eine möglicherweise andere Erwartungshaltung von Bürgern an Polizeiangehörige vermag daran nichts zu ändern. Soweit der Wachpolizist Einschränkungen aufgrund des Tragens der Dienstwaffe auf dem Arbeitsweg unterliegt, führen diese nicht zu einer Vergütungspflicht der Wegezeit, denn der Weg zur Arbeit bleibt dennoch privat. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes dient die Dienstwaffe auch nicht dem Eigenschutz des Wachpolizisten auf seinem privaten Arbeitsweg. Eine solche Annahme ist fernliegend, denn für angestellte Wachpolizisten besteht kein höheres Interesse am Eigenschutz als für andere Arbeitnehmer, die keine Dienstwaffe tragen20.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Oktober 2021 – 5 AZR 295/20

  1. ArbG Berlin 27.03.2019 – 60 Ca 14121/17[]
  2. LAG Berlin-Brandenburg 07.05.2020 – 10 Sa 1569/19[]
  3. BAG 13.10.2021 – 5 AZR 270/20, Rn. 12[]
  4. vgl. BAG 31.03.2021 – 5 AZR 148/20, Rn. 45[]
  5. vgl. BAG 31.03.2021 – 5 AZR 292/20, Rn. 25[]
  6. vgl. hierzu das Parallelverfahren BAG 13.10.2021 – 5 AZR 270/20, Rn.19[]
  7. vgl. dazu BAG 6.09.2017 – 5 AZR 382/16, Rn. 13, BAGE 160, 167[]
  8. BAG 13.10.2021 – 5 AZR 270/20, Rn. 21 ff.[]
  9. vgl. BAG 13.10.2021 – 5 AZR 270/20, Rn. 29[]
  10. BAG 13.10.2021 – 5 AZR 270/20, Rn. 31 ff.[]
  11. BAG 13.10.2021 – 5 AZR 270/20, Rn. 37[]
  12. BAG 13.10.2021 – 5 AZR 270/20, Rn. 40 ff.[]
  13. vgl. BAG 13.10.2021 – 5 AZR 270/20, Rn. 32 sowie Rn. 34[]
  14. BAG 31.03.2021 – 5 AZR 292/20, Rn. 40; 22.04.2009 – 5 AZR 292/08, Rn. 15[]
  15. vgl. ErfK/Preis 21. Aufl. BGB § 611a Rn. 513; Schaub ArbR-HdB/Linck 19. Aufl. § 45 Rn. 54[]
  16. vgl. BAG 18.03.2020 – 5 AZR 25/19, Rn. 18 mwN[]
  17. vgl. BAG 31.03.2021 – 5 AZR 148/20, Rn.20; zweifelnd Bayreuther NZA 2021, 745, 747[]
  18. vgl. MHdB ArbR/Krause 5. Aufl. § 60 Rn. 18[]
  19. vgl. BAG 31.03.2021 – 5 AZR 292/20, Rn. 42[]
  20. vgl. BAG 31.03.2021 – 5 AZR 292/20, Rn. 44[]

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