Das Bundesarbeitsgericht hat dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) um die Vorabeantwortung der folgenden Fragen ersucht:

- Ist Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers anwendbar, wenn Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine der staatlichen Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegenden überbetriebliche Versorgungseinrichtung erbracht werden, diese aus finanziellen Gründen ihre Leistungen mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde berechtigt kürzt und der Arbeitgeber nach nationalem Recht zwar für die Kürzungen gegenüber den ehemaligen Arbeitnehmern einzustehen hat, seine Zahlungsunfähigkeit jedoch dazu führt, dass er seine Verpflichtung, diese Leistungskürzungen auszugleichen, nicht erfüllen kann?
- Falls die erste Vorlagefrage bejaht wird:
Unter welchen Umständen können die durch die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers erlittenen Verluste des ehemaligen Arbeitnehmers bei den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung als offensichtlich unverhältnismäßig angesehen werden und damit die Mitgliedstaaten verpflichten, hiergegen einen Mindestschutz zu gewährleisten, obwohl der ehemalige Arbeitnehmer mindestens die Hälfte der Leistungen erhält, die sich aus seinen erworbenen Rentenansprüchen ergeben?
- Falls die erste Vorlagefrage bejaht wird:
Entfaltet Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG unmittelbare Wirkung und verleiht die Bestimmung, wenn ein Mitgliedstaat diese Richtlinie nicht oder nur unzulänglich in nationales Recht umgesetzt hat, dem Einzelnen Rechte, die dieser vor einem nationalen Gericht gegenüber dem Mitgliedstaat geltend machen kann?
- Falls die dritte Vorlagefrage bejaht wird:
Ist eine privatrechtlich organisierte Einrichtung, die von dem Mitgliedstaat – für die Arbeitgeber verpflichtend – als Träger der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung bestimmt ist, der staatlichen Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegt sowie die für die Insolvenzsicherung erforderlichen Beiträge kraft öffentlichen Rechts von den Arbeitgebern erhebt und wie eine Behörde die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung durch Verwaltungsakt herstellen kann, eine öffentliche Stelle des Mitgliedstaates?
Inhaltsübersicht
Gegenstand des Ausgangsverfahrens[↑]
Die Parteien streiten – soweit für das Vorabentscheidungsverfahren von Bedeutung – darüber, ob der beklagte Pensions-Sicherungs-Verein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit für einen Anspruch des Arbeitnehmers gegen seine ehemalige Arbeitgeberin eintreten muss, weil diese zahlungsunfähig ist und deshalb ihrer Verpflichtung, für eine Leistungskürzung einer Pensionskasse einzustehen, nicht nachkommen kann.
Der PSVaG ist der gesetzlich bestimmte Träger der Insolvenzsicherung für die betriebliche Altersversorgung. Sein Zweck ist es, die Zahlung der betrieblichen Altersversorgung im Fall der Insolvenz eines Arbeitgebers in der Bundesrepublik Deutschland und im Großherzogtum Luxemburg zu gewährleisten.
Dem Arbeitnehmer wurden von seiner damaligen Arbeitgeberin Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt. Diese setzen sich aus einer – im Wege der Direktzusage versprochenen – monatlichen Pensionszulage und einem jährlichen Weihnachtsgeld für Pensionäre sowie einer über den Durchführungsweg Pensionskasse zugesagten Pensionskassenrente zusammen. Die Pensionskassenrente ist betriebliche Altersversorgung im Sinne des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz), soweit sie auf Beiträgen der ehemaligen Arbeitgeberin des Arbeitnehmers beruht. Insoweit finden die Vorschriften des Betriebsrentengesetzes Anwendung. Zusätzlich hat der Arbeitnehmer durch eigene Beiträge die Pensionskassenrente erhöht; dieser Teil der Pensionskassenrente ist jedoch nicht Gegenstand des Vorabentscheidungsverfahrens.
Ab dem 1.12 2000 bezog der Arbeitnehmer von seiner ehemaligen Arbeitgeberin die Pensionszulage und das Weihnachtsgeld. Die Pensionskassenrente wird ihm ab diesem Zeitpunkt von der Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit gezahlt. Bei dieser handelt es sich um eine rechtsfähige überbetriebliche Einrichtung, die den Arbeitnehmern einen Rechtsanspruch auf ihre Leistungen gewährt.
Die Pensionskasse geriet Mitte 2003 in eine wirtschaftliche Krise und kürzt seitdem die Pensionskassenrenten. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, bei der es sich um die gesetzlich bestimmte staatliche Aufsichtsbehörde handelt, erteilte hierzu ihre Zustimmung. Der arbeitgeberfinanzierte Teil der Pensionskassenrente des Arbeitnehmers betrug bei Rentenbeginn 585, 21 Euro brutto und belief sich im Juni 2003 auf 599, 49 Euro brutto. Die Pensionskassenrente wurde zunächst ab dem 1.07.2003 um 1, 4 vom Hundert, ab dem 1.07.2004 um weitere 1, 4 vom Hundert, ab dem 1.07.2005 um weitere 1, 4 vom Hundert, ab dem 1.07.2006 um weitere 1, 4 vom Hundert, ab dem 1.07.2007 um weitere 1, 38 vom Hundert, ab dem 1.07.2008 um weitere 1, 36 vom Hundert, ab dem 1.07.2009 um weitere 1, 34 vom Hundert, ab dem 1.07.2010 um weitere 1, 26 vom Hundert, ab dem 1.07.2011 um weitere 1, 26 vom Hundert, ab dem 1.07.2012 um weitere 1, 25 vom Hundert und ab dem 1.07.2013 um weitere 1, 25 vom Hundert gekürzt. Die ehemalige Arbeitgeberin des Arbeitnehmers glich diese Leistungskürzungen der Pensionskasse aufgrund ihrer im nationalen Recht vorgesehenen Einstandspflicht zunächst aus. Eine Verpflichtung, die ungekürzten Leistungen der Pensionskassen anderweitig abzusichern, sieht das nationale Recht nicht vor.
Am 30.01.2012 wurde über das Vermögen der ehemaligen Arbeitgeberin des Arbeitnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Bescheid vom 12.09.2012 teilte der PSVaG dem Arbeitnehmer mit, dass er die Zahlung der Pensionszulage iHv. 398, 90 Euro monatlich und des Weihnachtsgeldes iHv.01.451, 05 Euro jährlich übernehme. Einen Ausgleich der Leistungskürzungen bei der Pensionskassenrente lehnte der PSVaG ab. Die Pensionskasse zahlt an den Arbeitnehmer die – gekürzte – Pensionskassenrente weiter, da sein Anspruch gegen die Pensionskasse von der Zahlungsunfähigkeit seiner ehemaligen Arbeitgeberin nach dem nationalen Recht nicht berührt wird.
Der Arbeitnehmer hat im Ausgangsverfahren geltend gemacht, der PSVaG müsse aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seiner ehemaligen Arbeitgeberin für die Leistungskürzungen der Pensionskasse einstehen. Der PSVaG hat hierzu die Auffassung vertreten, ihn treffe nach nationalem Recht keine Eintrittspflicht für Versorgungsansprüche, die im Durchführungsweg Pensionskasse geleistet werden, wenn der Arbeitgeber seiner gesetzlich vorgesehenen Einstandspflicht infolge einer eigenen Zahlungsunfähigkeit nicht nachkommen könne.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Arbeitnehmers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben.
Das Vorabentscheidungsersuchen[↑]
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Anwendbarkeit und die Auslegung von Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers [1], geändert durch Art. 1 ÄndRL (EU) 2015/1794 vom 06.10.2015 [2].
Das Recht der betrieblichen Altersversorgung ist im Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz) vom 19.12 1974 [3], zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.08.2017 [4], geregelt.
Erläuterungen zur ersten Vorlagefrage[↑]
In der Bundesrepublik Deutschland kann ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung entweder unmittelbar (Direktzusage) oder über externe Versorgungseinrichtungen zusagen. Bei einer Direktzusage hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmern die Versorgungsleistungen unmittelbar selbst zu gewähren. Betraut der Arbeitgeber eine externe Versorgungseinrichtung mit der Durchführung der Betriebsrentenzusagen, erfüllt er seine Leistungspflicht mittelbar entweder über eine Direktversicherung – also eine vom Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers abgeschlossene Lebensversicherung – oder durch eine Unterstützungskasse, einen Pensionsfonds oder eine Pensionskasse [5].
Sagt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu, die über eine externe Versorgungseinrichtung – wie im Ausgangsverfahren eine Pensionskasse – erbracht werden sollen, und bleiben deren Leistungen an den Arbeitnehmer hinter dem zurück, was der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aus dem arbeitsrechtlichen Grundverhältnis an Versorgung schuldet, ist der Arbeitgeber nach dem nationalen Recht verpflichtet, diese Lücke zu schließen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 des Betriebsrentengesetzes hat er gegenüber dem Arbeitnehmer für die zugesagten Leistungen einzustehen und ihm diese im Versorgungsfall aus seinem eigenen Vermögen zu erbringen. Wird der Arbeitgeber – wie im Fall des Arbeitnehmers – in einer solchen Situation zahlungsunfähig, sieht das nationale Recht keine Eintrittspflicht des PSVaG oder einer anderen Sicherungseinrichtung für die vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer aufgrund seiner gesetzlichen Einstandspflicht zu erbringenden Leistungen vor, wenn diese Einstandspflicht besteht, weil eine Pensionskasse die Pensionskassenrente kürzt.
Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts findet Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers auch dann Anwendung, wenn die Pensionskasse – ohne selbst zahlungsunfähig gemäß Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2008/94/EG zu sein – Leistungskürzungen mit Zustimmung der staatlichen Finanzdienstleistungsaufsicht vornimmt, der Arbeitgeber diese Kürzungen aber nicht ausgleichen kann, weil er selbst zahlungsunfähig ist. Bei der gesetzlichen Einstandspflicht handelt es sich um einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/94/EG, da sie auf der Versorgungszusage des Arbeitgebers beruht. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Pensionskasse verpflichtet ist, den Teil der Pensionskassenrente, der nach der Kürzung verbleibt, unabhängig von der Insolvenz des ehemaligen Arbeitgebers weiter an den ehemaligen Arbeitnehmer zu zahlen und dadurch dieser Teil des Versorgungsanspruchs trotz der Zahlungsunfähigkeit des ehemaligen Arbeitgebers geschützt ist.
Die zu 1. gestellte Frage ist vom Gerichtshof noch nicht so eindeutig beantwortet worden, dass keine Zweifel an ihrer Beantwortung bestehen. Die Antwort ist auch nicht eindeutig.
Erläuterungen zur zweiten Vorlagefrage[↑]
Der Gerichtshof hat in den Rechtssachen Robins ua. [6] und Hogan ua. [7] bislang entschieden, eine ordnungsgemäße Umsetzung von Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG erfordere, dass ein Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers mindestens die Hälfte der Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung erhalte, die sich aus seinen erworbenen Rechten ergeben. Hieran hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 24.11.2016 [8] zwar im Grundsatz festgehalten. Allerdings hat er weiter ausgeführt, es sei nicht ausgeschlossen, dass unter anderen Umständen die erlittenen Verluste, auch wenn ihr Prozentsatz ein anderer sei, als offensichtlich unverhältnismäßig angesehen werden könnten. Der Gerichtshof hat bislang nicht konkretisiert, welcher Art diese „anderen Umstände“ sein können und nach welchen Kriterien sich beurteilt, ob Verluste offensichtlich unverhältnismäßig sind.
Danach vermag das Bundesarbeitsgericht nicht mit der für ein letztinstanzliches Gericht gebotenen Sicherheit zu beurteilen, ob nach dem festgestellten Sachverhalt des Ausgangsverfahrens der nach Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG vorgesehene Mindestschutz gewährt wird, obwohl der Arbeitnehmer durch die Kürzung der Pensionskassenrente zwar keine Verluste erleidet, die die Hälfte seiner erworbenen Rentenansprüche übersteigen. Die Leistungskürzung beträgt bezogen auf den arbeitgeberfinanzierten Teil der Pensionskassenrente des Arbeitnehmers bislang zwar nur etwa 13, 8 vom Hundert und bezogen auf die gesamten ihm gewährten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der Pensionszulage und des Weihnachtsgeldes nur etwa 7, 4 vom Hundert. Insgesamt beläuft sich der vom Arbeitnehmer infolge der Zahlungsunfähigkeit seiner ehemaligen Arbeitgeberin erlittene Verlust jedoch zurzeit auf 82, 74 Euro brutto monatlich und ist damit deutlich höher, als der Verlust von 7, 00 Euro, den der Gerichtshof in der Rechtssache Webb-Sämann [9] als nicht erheblich angesehen hat.
Erläuterungen zur dritten Vorlagefrage[↑]
Sollte Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG im Ausgangsverfahren eine Absicherung der Ansprüche des Arbeitnehmers durch den Mitgliedstaat erfordern, wäre das vorlegende Gericht gehindert, dieses Ergebnis durch eine unionsrechtskonforme Auslegung oder Fortbildung des Betriebsrentengesetzes zu erreichen. Ansprüche des Arbeitnehmers könnten dann nur unmittelbar aus Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG folgen. Ob dies der Fall ist, ist unklar und daher durch den Gerichtshof zu klären.
Die nationalen Gerichte sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs gehalten, bei der Anwendung des nationalen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen und damit Art. 288 Abs. 3 AEUV nachzukommen; das darf aber nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen [10].
Eine Auslegung des Betriebsrentengesetzes oder eine Rechtsfortbildung dahin, dass der PSVaG haftet, wenn ein ehemaliger Arbeitgeber seiner gesetzlichen Einstandspflicht für eine von der Pensionskasse berechtigt gekürzte Pensionskassenrente nicht nachkommen kann, weil er zahlungsunfähig geworden ist, ist contra legem. Das Betriebsrentengesetz enthält ein ausdifferenziertes Regelwerk für die Absicherung von Betriebsrentenansprüchen und Betriebsrentenanwartschaften, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig ist. Eine Absicherung der Einstandspflicht des zahlungsunfähigen Arbeitgebers bei Kürzungen von Pensionskassenrenten sieht das Betriebsrentengesetz nicht vor. Hierbei handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers. Er hielt Ansprüche der ehemaligen Arbeitnehmer gegen Pensionskassen durch die Versicherungsaufsicht und die Vorschriften zur Anlage des Sicherungsvermögens der Pensionskassen für ausreichend gesichert [11].
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann sich der Einzelne jedoch in den Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Mitgliedstaat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat [12]. Der Gerichtshof hat angenommen, eine Unionsvorschrift sei unbedingt, wenn sie eine Verpflichtung normiere, die an keine Bedingung geknüpft sei und zu ihrer Durchführung oder Wirksamkeit auch keiner weiteren Maßnahmen der Unionsorgane oder der Mitgliedstaaten bedürfe. Sie sei hinreichend genau, um von einem Einzelnen geltend gemacht; und vom Gericht angewandt werden zu können, wenn sie in unzweideutigen Worten eine Verpflichtung festlege [13]. Dabei erstrecke sich die Prüfung, ob eine Richtlinienbestimmung diese Kriterien erfüllt, auf drei Gesichtspunkte, nämlich die Bestimmung des Personenkreises, dem der vorgesehene Mindestschutz zugutekommen soll, den Inhalt dieses Mindestschutzes und die Person, die den Mindestschutz schuldet [14].
Für das vorlegende Gericht steht vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs [15] nicht zweifelsfrei fest, ob diese Regelung insgesamt – möglicherweise auch nach Beantwortung der durch die zweite Vorlagefrage erfolgten weiteren Konkretisierung – die Anforderungen an eine unmittelbar wirkende und damit inhaltlich unbedingt und hinreichend genaue Richtlinienbestimmung erfüllt.
Erläuterungen zur vierten Vorlagefrage[↑]
Sollte der Gerichtshof die dritte Vorlagefrage bejahen, kann das vorlegende Gericht nicht mit der für ein letztentscheidendes Gericht gebotenen Sicherheit beurteilen, ob der PSVaG zu den Rechtssubjekten gehört, denen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs [16] der unmittelbar anwendbare Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG entgegengehalten werden könnte.
Der PSVaG ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Betriebsrentengesetz der gesetzlich bestimmte Träger der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung in der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg. Er ist von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, dem Verband der Lebensversicherungs-Unternehmen und dem Bundesverband der Deutschen Industrie, eingetragenen Vereinen, gegründet worden. Der PSVaG hat die Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit, das heißt einer juristischen Person des Privatrechts. Ihm obliegt die Erfüllung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, wenn bei einem Arbeitgeber ein in § 7 Abs. 1 Betriebsrentengesetz vorgesehener Sicherungsfall, wie die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, eingetreten ist.
Der PSVaG unterliegt nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Betriebsrentengesetz der Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Diese Aufsicht entspricht im Wesentlichen der Aufsicht für private sogenannte kleine Versicherungsunternehmen nach dem Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz).
Arbeitgeber, die eine sicherungspflichtige betriebliche Altersversorgung durchführen, sind nach § 10 Abs. 1 Betriebsrentengesetz verpflichtet, Beiträge zur Durchführung der Insolvenzsicherung an den PSVaG zu entrichten. Hierbei handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung. Damit besteht eine Zwangsversicherungspflicht für diese Arbeitgeber.
Für die Rechtsbeziehungen zwischen dem PSVaG und dem Arbeitgeber als Versicherungsnehmer sind nach nationalem Recht zwar die zivilrechtlichen Regelungen anwendbar. Dies gilt jedoch nicht für die Beitragspflicht des Arbeitgebers. Insoweit stehen dem PSVaG aufgrund öffentlichen Rechts hoheitliche Befugnisse zu [17]. Hinsichtlich seiner Berechtigung, Beiträge zu erheben, ist er ein mit Aufgaben und Befugnissen der öffentlichen Verwaltung beliehenes Unternehmen [18]. Er hat damit das Recht, die von ihm erteilten Beitragsbescheide als Verwaltungsakte zu erlassen. Allerdings ist er – anders als eine Behörde – nicht ermächtigt, verwaltungsrechtliche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen anzuordnen. Vielmehr findet die Zwangsvollstreckung aus diesen Verwaltungsakten nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung statt, die nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Betriebsrentengesetz entsprechend anwendbar sind. Für das Zwangsvollstreckungsverfahren nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung bedarf es eines Vollstreckungstitels und einer vollstreckbaren Ausfertigung. Diese Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung schafft der PSVaG nach § 10 Abs. 4 Betriebsrentengesetz aufgrund seiner hoheitlichen Befugnis selbst. Das unterscheidet ihn von Privatpersonen, die eine Zwangsvollstreckung betreiben. Denn diese müssen regelmäßig einen Vollstreckungstitel im gerichtlichen Verfahren erwirken und eine vollstreckbare Ausfertigung des Vollstreckungstitels über die gesetzlich hierfür bestimmten Organe der Rechtspflege beantragen. Die Befugnisse des PSVaG ähneln daher insoweit denjenigen der Verwaltungsbehörden, die nach § 3 Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz berechtigt sind, aufgrund ihrer Leistungsbescheide eine Vollstreckungsanordnung zu erlassen und damit die Zwangsvollstreckung einzuleiten.
Bundesarbeitsgericht – Gerichtshof der Europäischen Union ‑Vorlage vom 20. Februar 2018 – 3 AZR 142/16 (A)
- ABl. EU L 283 vom 28.10.2008 Seite 36[↩]
- ABl. EU L 263 vom 08.10.2015 Seite 1[↩]
- BGBl. I Seite 3610[↩]
- BGBl. I Seite 3214[↩]
- vgl. hierzu EuGH 9.10.2001 – C‑379/99 – [Menauer] Rn. 5 f.[↩]
- 25.01.2007 – C‑278/05, Rn. 57 zum wortidentischen Art. 8 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20.10.1980[↩]
- 25.04.2013 – C‑398/11, Rn. 51[↩]
- - C‑454/15 – [Webb-Sämann] Rn. 35[↩]
- EuGH 24.11.2016 – C‑454/15 – [Webb-Sämann] Rn. 36[↩]
- vgl. etwa EuGH 24.01.2012 – C‑282/10 – [Dominguez] Rn. 25 mwN[↩]
- vgl. Bundestags-Drs. 7/2843 Seite 9; sowie die entsprechenden Erörterungen im Plenum des Deutschen Bundestages, 7. Legislaturperiode, 134. Sitzung, Stenografische Berichte Seite 9060[↩]
- vgl. etwa EuGH 1.07.2010 – C‑194/08 – [Gassmayr] Rn. 44 mwN[↩]
- vgl. etwa EuGH 1.07.2010 – C‑194/08 – [Gassmayr] Rn. 45 mwN[↩]
- vgl. EuGH 19.11.1991 – C‑6/90 und – C‑9/90 – [Pretura Vicenza und Pretura Bassano del Grappa] Rn. 12[↩]
- vgl. EuGH 25.01.2007 – C‑278/05 – [Robins ua.] zum wortidentischen Art. 8 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20.10.1980; 25.04.2013 – C‑398/11 – [Hogan ua.]; 24.11.2016 – C‑454/15 – [Webb-Sämann][↩]
- siehe hierzu etwa EuGH 12.12 2013 – C‑361/12 – [Carratù] Rn. 29; 12.09.2013 – C‑614/11 – [Kuso] Rn. 32; 12.07.1990 – C‑188/89 – [Foster ua.] Rn. 22[↩]
- vgl. etwa BAG 29.09.2010 – 3 AZR 546/08, Rn. 15 mwN[↩]
- Bundestags-Drs. 7/2843 Seite 10[↩]
Bildnachweis:
- Bundesverfassungsgericht: Wikimedia Commons | Public Domain Mark 1.0