Eine Arbeitgeberin darf die Einleitung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) nicht davon abhängig machen, dass die Klägerin die von der Beklagten vorformulierte Datenschutzerklärung über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen sowie Gesundheitsdaten unterzeichnet.

§ 167 Abs. 2 SGB IX sieht die schriftliche Zustimmung des Arbeitnehmers in die Verarbeitung seiner im Rahmen eines bEM erhobenen personenbezogenen und Gesundheitsdaten nicht als tatbestandliche Voraussetzung für die Durchführung eines bEM vor. Nach § 167 Abs. 2 Satz 4 SGB IX sind die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter lediglich zuvor auf die Ziele des bEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen1. Die vorherige Unterzeichnung einer Einwilligung in die Verarbeitung von personenbezogenen und Gesundheitsdaten sieht § 167 Abs. 2 SGB IX nicht vor. Dessen Satz 4 regelt nur aus Transparenzgründen2 eine Hinweispflicht über Art und Umfang der im konkreten bEM zu verarbeitenden Daten.
So hat auch in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall die Klägerin ein bEM nicht abgelehnt. Sie hat ausdrücklich ihre Bereitschaft zur Teilnahme an einem bEM erklärt. Vielmehr war es die Beklagte, die die Durchführung eines bEM entgegen den in § 167 Abs. 2 SGB IX enthaltenen Vorgaben von der Unterzeichnung der von ihr vorformulierten Datenschutzerklärung abhängig gemacht und keine Bereitschaft gezeigt hat, den Klärungsprozess ohne das schriftliche Einverständnis der Klägerin in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen und Gesundheitsdaten fortzusetzen. Ein rechtfertigender Grund, von der Einleitung eines bEM abzusehen, lag selbst unter Beachtung des Normzwecks des § 167 Abs. 2 SGB IX nicht vor. Es war der Beklagten auch ohne die verlangte Einwilligung möglich und zumutbar, zunächst mit dem beabsichtigten bEM zu beginnen. Sie konnte mit der Klägerin in einem Erstgespräch den möglichen Verfahrensablauf besprechen und versuchen, die offenbar bei der Klägerin bestehenden Vorbehalte auszuräumen. Die Beklagte musste – da es sich beim bEM um ein konsensuales Verfahren handelt – die diesbezüglichen Vorstellungen der Klägerin zur Kenntnis nehmen und diese soweit wie möglich bei dem weiteren Verfahrensablauf berücksichtigen. Daneben hätten die Parteien den Kreis der am Verfahren nach § 167 Abs. 2 SGB IX mitwirkenden Stellen und Personen festlegen können. Erst in einem weiteren Termin wären dann mit den Verfahrensbeteiligten die in Betracht kommenden Möglichkeiten zu erörtern gewesen, ob und ggf. auf welche Weise die Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin reduziert werden können. In diesem Zusammenhang wäre von ihnen auch darüber zu befinden gewesen, ob und ggf. welche Angaben über den Gesundheitszustand hierfür voraussichtlich erforderlich sind und auf welche Weise etwaige Gesundheitsdaten rechtskonform zu erheben und verarbeiten sind. Nur wenn die Klägerin nicht bereit gewesen wäre, an dem weiteren Klärungsprozess beispielsweise durch die Vorlage der dafür möglicherweise – je nach Lage des Einzelfalls – erforderlichen Diagnosen und Arztberichte konstruktiv mitzuwirken, hätte die Beklagte zur Verfahrensbeendigung berechtigt sein können, ohne dass sie bei einer nachfolgenden Kündigung verfahrensrechtliche Nachteile zu gewärtigen gehabt hätte. Der Abbruch des bEM wäre dann „kündigungsneutral“.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Dezember 2022 – 2 AZR 162/22