Betriebsbedingte Änderungskündigung – Vollzeit statt Teilzeit

Eine betriebsbedingte Änderungskündigung iSv. § 2 KSchG ist sozial nur gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG vorliegen.

Betriebsbedingte Änderungskündigung – Vollzeit statt Teilzeit

Das Änderungsangebot des Arbeitgebers ist daran zu messen, ob es durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt ist und sich darauf beschränkt, solche Änderungen vorzusehen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat1.

Beabsichtigt der Arbeitgeber mit dem Ausspruch einer Änderungskündigung, den Rechtszustand herbeizuführen, der vor der Reduzierung der Arbeitszeit nach § 8 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 TzBfG bestand, sind die Wertungen des TzBfG zu beachten.

Ziel des Gesetzes ist es, Teilzeitstellen zu schaffen und auf diese Weise Beschäftigten die Möglichkeit zu geben, Beruf und Familie besser miteinander zu vereinbaren2. Zu diesem Zweck gewährt das TzBfG Beschäftigten unter den in § 8 im Einzelnen genannten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Reduzierung ihrer Arbeitszeit und auf die Neuverteilung der reduzierten Arbeitszeit entsprechend ihren Wünschen. Der Arbeitgeber ist nur dann berechtigt, einen Teilzeitantrag des Beschäftigten abzulehnen, wenn betriebliche Gründe der gewünschten Teilzeitbeschäftigung entgegenstehen (§ 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG). Lehnt der Arbeitgeber das Änderungsangebot des Beschäftigten ab, kann dieser Klage vor den Gerichten für Arbeitssachen erheben. In dem Klageverfahren prüft das Gericht, ob betriebliche Gründe iSd. § 8 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 TzBfG vorliegen. Hat der Arbeitgeber die Zustimmung zu Unrecht nicht erklärt, gilt diese mit Rechtskraft des klagestattgebenden Urteils als erteilt (§ 894 Satz 1 ZPO). Wäre es dem Arbeitgeber im Nachhinein möglich, den Teilzeitarbeitsvertrag durch den Ausspruch einer Änderungskündigung unter Berufung auf die vom Gericht bereits geprüften Gründe einseitig erneut zu ändern, bestände die Gefahr, dass das Ziel des TzBfG, Teilzeitarbeit zu fördern, verfehlt wird. Die Rechtsposition, die der Arbeitnehmer durch die gerichtliche Entscheidung erlangt hat, würde entwertet, wenn der Arbeitgeber denselben betrieblichen Gründen, die er dem Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers zu Unrecht entgegengehalten hat, nachträglich Geltung verschaffen könnte. Beschäftigte, die sich entschließen, ihre vertraglich festgelegte Arbeitszeit unter Inkaufnahme einer abgesenkten Vergütung zu reduzieren, sind im Regelfall aus persönlichen Gründen darauf angewiesen, ihr Teilzeitverlangen zeitnah durchzusetzen. Durch einen nachfolgenden Kündigungsschutzprozess würde die Realisierung des Teilzeitanspruchs – nach Ablauf der Kündigungsfrist – jedenfalls in den Fällen erneut verzögert, in denen der Beschäftigte die Kündigung unter dem Vorbehalt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt ist, annimmt. Aus diesem Grunde kann der Arbeitgeber die mit der Kündigung bezweckte Änderung der Arbeitsbedingungen im Kündigungsschutzprozess grundsätzlich nur mit solchen Tatsachen rechtfertigen, die er nicht bereits dem Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers hätte entgegenhalten können.

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Kommt der Änderungsvertrag, der die Verringerung und Neuverteilung der festgelegten Arbeitszeit vorsieht, nicht nach § 894 ZPO zustande, sondern im Wege der Fiktion nach § 8 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 TzBfG, gilt nichts anderes. Das TzBfG regelt in § 8 Abs. 2 bis Abs. 5 ein spezielles Verfahren, das ua. Erörterungspflichten sowie detaillierte Frist- und Formvorschriften vorsieht. So hat der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer die von ihm gewünschte Verringerung der Arbeitszeit mit dem Ziel zu erörtern, zu einer Vereinbarung zu gelangen (§ 8 Abs. 3 Satz 1 TzBfG), und Einvernehmen über die Verteilung der reduzierten Arbeitszeit zu erzielen (§ 8 Abs. 3 Satz 2 TzBfG). Will der Arbeitgeber den Teilzeitantrag unter Berufung auf betriebliche Gründe ablehnen, hat er dies sowohl hinsichtlich der Verringerung der Arbeitszeit als auch hinsichtlich der Verteilung der reduzierten Arbeitszeit spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Teilzeit dem Arbeitnehmer gegenüber schriftlich zu erklären (§ 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG). Ein Arbeitgeber, der diese Obliegenheiten missachtet, darf nicht besserstehen, als ein Arbeitgeber, der seine Belange wahrnimmt, dessen Zustimmung zum Änderungsvertrag aber durch die gerichtliche Entscheidung nach § 894 Satz 1 ZPO als abgegeben gilt.

Im hier entschiedenen Fall begründete die Arbeitgeberin die Kündigung ausschließlich mit dem Hinweis, sie wolle ihr bisheriges Organisationskonzept, das die Beschäftigung von Teilzeitkräften nicht zulasse, beibehalten. Dieses Organisationskonzept hatte sie bereits vor Ablauf der Zurückweisungsfrist des § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG dem Teilzeitverlangen der Arbeitnehmerin – erfolglos – entgegenzuhalten versucht. Tatsachen, die erst nach Fristablauf bzw. dem Eintritt der Fiktion entstanden sind oder von denen sie erst später Kenntnis erlangte, hat die Arbeitgeberin nicht vorgetragen; im Übrigen sind sie nicht ersichtlich.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Januar 2015 – 9 AZR 860/13

  1. BAG 20.06.2013 – 2 AZR 396/12, Rn. 16[]
  2. vgl. BT-Drs. 14/4374 S. 11[]