Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

Für die Mitteilung der Kündigungsgründe gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“1. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben2. Dem kommt er dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt unterbreitet2. Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit soll im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat Offenheit und Ehrlichkeit gewährleisten und verbietet es, dem Betriebsrat Informationen zu geben bzw. ihm vorzuenthalten, aufgrund derer bzw. ohne die bei ihm ein falsches Bild über den Kündigungssachverhalt entstehen könnte3. Schildert der Arbeitgeber dem Betriebsrat bewusst und gewollt unrichtige oder unvollständige – und damit irreführende – Kündigungssachverhalte, ist die Anhörung unzureichend und die Kündigung unwirksam4. Eine bloß vermeidbare oder unbewusste Fehlinformation führt dagegen noch nicht für sich alleine zur Unwirksamkeit der Betriebsratsanhörung5.
Die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG reicht nicht so weit wie seine Darlegungslast im Prozess6. Die Anhörung des Betriebsrats soll diesem nicht die selbständige Überprüfung der Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung, sondern eine Einflussnahme auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen7. Sinn und Zweck des § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist es, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sachgerecht auf den Arbeitgeber einzuwirken, dh. die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe zu überprüfen und sich über sie eine eigene Meinung zu bilden8. Den Kündigungsgrund hat der Arbeitgeber daher regelmäßig unter Angabe von Tatsachen so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit prüfen kann9.
Danach hat die Arbeitgeberin in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall dem Betriebsrat den für sie maßgeblichen Kündigungssachverhalt hinreichend mitgeteilt. Sie hat angegeben, die Aufgaben der Arbeitnehmerin würden zum 1.01.2013 teilweise an Drittunternehmen übertragen, teilweise intern neu verteilt. Sie hat anhand der bisherigen Stellenbeschreibung der Arbeitnehmerin konkret aufgelistet, welche Teilaufgaben zukünftig von welchem Drittunternehmen oder welchem anderen Mitarbeiter wahrgenommen würden. Soweit sie dabei fehlerhaft dargestellt haben sollte, die Tätigkeiten betreffend die „Verantwortung PR- und Mediabudget“ werde der Leiter Marketing übernehmen, während sie in Wirklichkeit ebenfalls einem – für die Übernahme anderer Aufgaben der Arbeitnehmerin benannten – externen Unternehmen übertragen werden sollten, lag darin nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts keine bewusste Irreführung. Die objektiv unzutreffende Angabe hat den Kündigungssachverhalt nicht so verfälscht, dass dem Betriebsrat eine Stellungnahme zu den wahren Kündigungsgründen nicht möglich gewesen wäre. Der Kern des Kündigungsgrundes – der Wegfall der Stelle der Arbeitnehmerin durch Fremdvergabe und Umverteilung auf andere Mitarbeiter – blieb unverändert. Eine andere Beurteilung käme in Betracht, wenn es für die Einschätzung des Betriebsrats, ob die Umorganisation so, wie sie geplant war, überhaupt praktisch durchführbar wäre, von erheblicher Bedeutung hätte sein können, ob der fragliche Aufgabenbereich von einem internen Mitarbeiter oder von einem Drittunternehmen übernommen werden sollte, weil dies etwa angesichts von Art oder Umfang der Tätigkeiten nicht gleichgültig wäre.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. März 2015 – 2 AZR 417/14
- BAG 23.10.2014 – 2 AZR 736/13, Rn. 14; 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, Rn. 24, BAGE 146, 303[↩]
- BAG 23.10.2014 – 2 AZR 736/13 – aaO; 21.11.2013 – 2 AZR 797/11 – aaO[↩][↩]
- BAG 31.05.1990 – 2 AZR 78/89, zu II 1 a der Gründe[↩]
- BAG 31.07.2014 – 2 AZR 407/13, Rn. 46; 10.04.2014 – 2 AZR 684/13, Rn. 22; 24.05.1989 – 2 AZR 399/88, zu II 2 c der Gründe[↩]
- vgl. BAG 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, Rn. 26, aaO; 12.09.2013 – 6 AZR 121/12, Rn. 21; 22.09.1994 – 2 AZR 31/94, zu II 3 b der Gründe, BAGE 78, 39[↩]
- BAG 23.10.2014 – 2 AZR 736/13, Rn. 22; 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, Rn. 27, BAGE 146, 303[↩]
- BAG 23.10.2014 – 2 AZR 736/13 – aaO; 31.01.1996 – 2 AZR 181/95, zu II 2 der Gründe[↩]
- BAG 23.10.2014 – 2 AZR 736/13 – aaO; 27.06.1985 – 2 AZR 412/84, zu II 1 b der Gründe, BAGE 49, 136[↩]
- BAG 12.09.2013 – 6 AZR 121/12, Rn. 21; 23.02.2012 – 2 AZR 773/10, Rn. 30[↩]