Betriebsratswahl – und die Filialleiterin im Wahlvorstand

Nach § 19 BetrVG können mindestens drei wahlberechtigte Arbeitnehmer, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber die Betriebsratswahl anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Die Wahlanfechtung muss innerhalb von zwei Wochen ab der Bekanntgabe des Wahlergebnisses erfolgen.

Betriebsratswahl – und die Filialleiterin im Wahlvorstand

Eine leitende Angestellte darf bereits nicht zum Mitglied des Wahlvorstands bestimmt werden. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, der gemäß § 17a BetrVG auch im vereinfachten Wahlverfahren für Kleinbetriebe anwendbar ist, hat der Wahlvorstand aus drei Wahlberechtigten zu bestehen. Wahlberechtigt sind nach § 7 Satz 1 BetrVG alle Arbeitnehmer des Betriebs, die das 18. Lebensjahr (bzw. in der seit dem 18.06.2021 geltenden Fassung der Vorschrift: das 16. Lebensjahr) vollendet haben. Da das Betriebsverfassungsgesetz nach § 5 Abs. 3 Satz 1 BetrVG auf leitende Angestellte keine Anwendung findet, soweit nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, sind leitende Angestellte zum Betriebsrat nicht wahlberechtigt1 und können damit auch nicht Mitglied des Wahlvorstands sein. Dies gibt § 16 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zwingend vor2, weshalb es sich insoweit auch um eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren handelt3.

Eine leitende Angestellte ist zudem weder nach § 7 Satz 1 BetrVG wahlberechtigt noch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG wählbar. Auch bei diesen Vorschriften handelt es sich um wesentliche – weil zentrale und zwingende – Vorschriften über das Wahlrecht und die Wählbarkeit im Sinne von § 19 Abs. 1 BetrVG4.

Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist. Diese Zuordnungskriterien beruhen auf der Wertung des Gesetzgebers, nach der eine Einstellungs- und Entlassungsbefugnis die leitende Funktion eines Angestellten im Betrieb oder im Unternehmen in besonderer Weise zum Ausdruck bringt. Einstellungen und Entlassungen sind Instrumente der Personalwirtschaft und damit unternehmerische Tätigkeit. Wird diese Befugnis einem Angestellten übertragen, so ist er Repräsentant des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat5. Die unternehmerische Aufgabenstellung kann sich aus der Personalverantwortung für den Bereich des gesamten Unternehmens oder als unternehmerische Teilaufgabe auch aus der Personalverantwortung für einen Betrieb oder eine Betriebsabteilung ergeben6. Es genügt aber nicht jede Einstellungs- und Entlassungsbefugnis für die Herausnahme aus dem persönlichen Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG liegen nicht vor bei Arbeitnehmern, deren Personalkompetenzen nur von untergeordneter Bedeutung für den Betrieb und damit auch für das Unternehmen sind7. Die unternehmerische Bedeutung der Personalverantwortung kann aus der Anzahl der Arbeitnehmer folgen, auf die sich die selbständige Einstellungs- und Entlassungsbefugnis bezieht8. Umfasst sie nur eine geringe Anzahl von Arbeitnehmern, liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG regelmäßig nicht vor. Der Angestellte tritt in diesem Fall nur in einem unbedeutenden Umfang als Repräsentant des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat auf. Die für die Stellung eines leitenden Angestellten erforderliche unternehmerische Personalverantwortung liegt dann nur vor, wenn die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis gerade für einen für das Unternehmen qualitativ bedeutsamen Personenkreis besteht9. Die in § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG geforderte Personalkompetenz muss sich in einem solchen Fall deshalb auf Arbeitnehmer erstrecken, die entweder hochqualifizierte Tätigkeiten mit entsprechenden Entscheidungsspielräumen ausüben oder einen für das Unternehmen herausgehobenen Geschäftsbereich betreuen10.

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Die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis muss nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG sowohl im Innenverhältnis als auch im Außenverhältnis bestehen. An dem Merkmal der Selbständigkeit fehlt es daher, wenn der Angestellte nur im Verhältnis zu den Arbeitnehmern, nicht aber im Innenverhältnis zu seinen Vorgesetzten befugt ist, über Einstellungen und Entlassungen zu entscheiden. Die Ausübung der Personalkompetenz darf nicht von der Zustimmung einer anderen Person abhängig sein11. Allerdings liegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Beschränkung der Einstellungs- und Entlassungsbefugnis vor, wenn der Angestellte lediglich Richtlinien oder Budgets zu beachten hat oder Zweitunterschriften einholen muss, die einer Richtigkeitskontrolle dienen, aber nicht mit einer Entscheidungsbefugnis des Dritten verbunden sind12.

Bei der Gesamtbewertung der für die Charakterisierung eines leitenden Angestellten maßgebenden Merkmale steht dem Gericht der Tatsacheninstanz ein Beurteilungsspielraum zu. Die Würdigung des Beschwerdegerichts ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob der Sachverhalt fehlerfrei festgestellt wurde, die Bewertungsmaßstäbe nicht verkannt sind und die Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Punkte vertretbar erscheint13.

Im Ausgangspunkt fehlt es an einer selbständigen Einstellungs- und Entlassungsbefugnis, wenn der Angestellte (ungeachtet ggf. bestehender Budgetvorgaben) zwar im Innenverhältnis über Einstellungen und Entlassungen entscheiden kann, im Außenverhältnis jedoch nicht berechtigt ist, die für das Zustandekommen oder die Beendigung von Arbeitsverträgen entsprechenden vertraglichen Willenserklärungen abzugeben. Dabei geht es allerdings nicht darum, ob der Angestellte „Verantwortung übernimmt“, sondern um dessen vertretungsrechtliche Befugnisse. Die Annahme, die Zeichnung von Arbeitsverträgen und Kündigungen „im eigenen Namen“ sei äußeres Kennzeichen der den Status eines leitenden Angestellten begründenden Personalverantwortung, verkennt den Begriff des leitenden Angestellten. Für die Selbständigkeit der Personalbefugnis ist vielmehr erforderlich, dass die betreffende Person die vertraglich eingeräumte Vertretungsmacht besitzt, im Namen des Arbeitgebers die notwendigen Willenserklärungen gegenüber einzustellenden oder zu entlassenden Arbeitnehmern abzugeben und diese Entscheidung seitens des Arbeitgebers (abgesehen von etwaigen Budgetvorgaben) nicht unterbunden werden kann. Dabei müssen rechtliche und tatsächliche Befugnisse übereinstimmen, wie sich schon aus der Formulierung „nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb“ in § 5 Abs. 3 BetrVG ergibt.

Die Feststellung, bei Neueinstellungen oder der Verlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse seien die entsprechenden Arbeitsverträge nicht von Angestellten, sondern durch die Personalleiterin unterzeichnet worden, begründet nicht zwingend die Annahme, die Angestellte sei nicht zur Abgabe entsprechender Erklärungen im Außenverhältnis berechtigt gewesen. Eine entsprechende Vollmacht für die Abgabe vertraglicher Erklärungen kann gleichwohl (ausdrücklich oder stillschweigend und nach § 167 Abs. 2 BGB auch formlos) bestanden und damit eine Berechtigung zur Einstellung und Entlassung im Außenverhältnis begründet haben14

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Allerdings muss der der Angestellten zukommende selbständige Einstellungs- und Entlassungsbefugnis eine hinreichende unternehmerische Relevanz zukommen. Dies ist nicht der Fall, wenn sich die Personalkompetenz der Angestellten im Zeitpunkt der Betriebsratswahl lediglich auf fünf Arbeitnehmer in einer von insgesamt 58 Filialen der Arbeitgeberin bezieht. Die erforderliche unternehmerische Bedeutung der Personalverantwortung kann in einem solchen Fall allerdings aus dem Umstand folgen, dass sie sich auf einen für das Unternehmen qualitativ bedeutsamen Personenkreis erstreckt, etwa weil das der Angestellten unterstehende Personal der Filiale hochqualifizierte Tätigkeiten mit entsprechenden Entscheidungsspielräumen ausübt bzw. einen für das Unternehmen herausgehobenen Geschäftsbereich betreut.

Zwar kann sich die für die Einordnung als leitender Angestellter erforderliche unternehmerische Aufgabenstellung als unternehmerische Teilaufgabe auch aus der Personalverantwortung für einen Betrieb oder eine Betriebsabteilung ergeben. Das kommt in der Neufassung des § 5 Abs. 3 BetrVG durch das am 1.01.1989 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung vom 20.12.198815 zum Ausdruck. Der Gesetzgeber hat den früheren Eingangssatz zu § 5 Abs. 3 BetrVG um die Bezugspunkte des Unternehmens und des Betriebs ergänzt. Damit ist klargestellt, dass auch eine betriebsbezogene Aufgabe oder Funktion den Status eines leitenden Angestellten begründen kann16.

Auch knüpft die Eigenschaft als leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG – wie schon der Normwortlaut vorgibt – an eine Berechtigung zur selbständigen Einstellung und Entlassung von „im“ Betrieb oder „in“ der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern an. Davon ausgehend hat das Bundesarbeitsgericht erkannt, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG nicht nur dann erfüllt sind, wenn der Angestellte zur selbständigen Einstellung und Entlassung aller Arbeitnehmer des Betriebs oder der Betriebsabteilung befugt ist, sondern auch dann, wenn die Befugnisse sich nur auf einen Teil der Belegschaft beziehen17. Damit ist aber nicht die Annahme aufgestellt, eine sämtliche Arbeitnehmer eines als „Betrieb“ geltenden Betriebsteils umfassende Personalbefugnis bewirke „für sich gesehen“ den Status als leitender Angestellter.

Vielmehr genügt – auch in Fällen, in denen sich die Personalbefugnis auf bestimmte Unternehmensbereiche „im Ganzen“ bezieht – nicht jede Einstellungs- und Entlassungsbefugnis für die Herausnahme aus dem persönlichen Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes18. Die Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG beruht auf der grundsätzlichen Erwägung, dass allein die Erfüllung des nach dem Normwortlaut ausreichenden formalen Merkmals weder mit der aus der Systematik folgenden Gleichwertigkeit der in § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG geregelten Funktionen noch mit dem Zweck von § 5 Abs. 3 BetrVG vereinbar wäre und daher einer teleologischen Beschränkung bedarf. Hiernach vermag die in § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG aufgeführte formale Befugnis den Status als leitender Angestellter nur zu begründen, wenn ihr auch ein entsprechend bedeutsames Aufgabengebiet zugrunde liegt19. Maßgeblich ist die hinreichende „unternehmerische“ Gewichtigkeit der zur selbständigen Ausübung zugewiesenen Personalführungsbefugnis. Nur unter dieser Voraussetzung ist gewährleistet, dass es sich um ein Aufgabengebiet handelt, das wegen seiner unternehmerischen Bedeutung die Zuordnung des Betroffenen zum Kreis der leitenden Angestellten rechtfertigt.

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Der vorliegende Streitfall verlangt keine Entscheidung darüber, ob eine hinreichende unternehmerische Bedeutung der Befugnis zur selbständigen Einstellung und Entlassung immer anzunehmen ist, wenn sie sämtliche Arbeitnehmer eines Betriebs im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG umfasst20. Jedenfalls dann, wenn sich die Personalkompetenz – wie hier – (lediglich) auf die Arbeitnehmer einer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG als selbständiger Betrieb geltenden Organisationseinheit bezieht, kann hiervon nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Zum einen hat der Gesetzgeber im Eingangssatz von § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG neben den Bezugspunkten „Unternehmen“ und „Betrieb“ den „Betriebsteil“ (und auch die „Betriebsabteilung“) nicht erwähnt. Zum anderen ist mit der Gesetzesformulierung nur ausgedrückt, dass die Wahrnehmung unternehmerischer Aufgaben als die Stellung des Angestellten in der Arbeitsorganisation des Unternehmens prägendes Merkmal auch erfüllt sein kann, wenn dieser nur für einen Betrieb des Unternehmens zuständig ist21. Insoweit unterscheiden sich aber Betrieb und Betriebsteil gerade durch den Grad der Verselbständigung der jeweiligen betrieblichen Einheit, der im Umfang der Weisungsmacht zum Ausdruck kommt. Nur dann, wenn sich die in der organisatorischen Einheit ausgeübte Leitungsmacht auf alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten erstreckt, handelt es sich um einen eigenständigen Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 1 BetrVG. Die für einen selbständigen Betriebsteil nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG ausreichende relative Eigenständigkeit setzt indes keinen umfassenden eigenen Leitungsapparat voraus22. Es genügt ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb, wozu es ausreicht, dass überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt23. Gerade deshalb „gilt“ ein Betriebsteil nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG im Wege einer gesetzlichen Funktion nur im Hinblick auf dessen betriebsorganisatorische Zuordnung unter den bestimmten qualifizierenden Voraussetzungen von Nr. 1 oder Nr. 2 der Vorschrift als selbständiger Betrieb, für den ein eigener Betriebsrat zu wählen ist. Damit ist § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zugleich immanent, dass eine ggf. mitbestimmte Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübende institutionalisierte Leitungsperson trotz dieser Stellung den Betriebsrat (mit-)wählen kann und in dieses Gremium wählbar ist.

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Damit ist zwar auch eine Person mit formaler Personalbefugnis für alle Arbeitnehmer in einem als Betrieb geltenden Betriebsteil nicht von der Betriebsverfassung ausgenommen, wenn ihrer Personalkompetenz – hier vor allem angesichts der geringen Anzahl der von ihr umfassten Arbeitnehmer und deren nicht ersichtlichen besonderen unternehmerischen „Schlüsselstellung“ – nur eine untergeordnete unternehmerische Bedeutung zukommt. Das gründet sich aber darin, dass diese Person gerade nicht in einem Maß als Repräsentant des Arbeitgebers auftritt, das ihre Stellung als leitender Angestellter rechtfertigt. Der Arbeitgeber soll nicht allein durch die Verleihung von formalen Personalbefugnissen von nur untergeordneter unternehmerischer Gewichtigkeit bestimmte Beschäftigte oder Beschäftigtengruppen aus dem Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes herausnehmen können. Der die Herausnahme aus dem Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes rechtfertigende natürliche Interessengegensatz zwischen dem Unternehmer und der Arbeitnehmerschaft wird vielmehr erst durch die unternehmerische Funktion der leitenden Angestellten begründet, weshalb er für sich gesehen kein selbständiges Abgrenzungsmerkmal bilden kann24. Dem Betriebsverfassungsgesetz ist es im Übrigen keineswegs fremd, dass Arbeitnehmer als Mitglieder des Betriebsrats an den von diesem mitbestimmten Entscheidungen auf Arbeitgeberseite maßgeblich beteiligt waren oder sie gar getroffen haben (etwa Bereichsleiter oder Mitarbeiter der Personalabteilung). In der vorliegenden Fallkonstellation mögen sich darin angelegte Interessenkonfliktsituationen – insbesondere bei der Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten – zwar zuspitzen, weil in der nach Maßgabe der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg vom 14.05.201925 als Betrieb geltenden (kleinen) Filiale nur ein einköpfiger Betriebsrat zu wählen ist. Dies unterliegt aber Lösungen bei der Ausübung der Mitbestimmung und rechtfertigt keinen Schluss dahingehend, dass eine auf alle in einer kraft gesetzlicher Fiktion bestehenden betriebsratsfähigen Organisationseinheit tätige Arbeitnehmer bezogene Personalbefugnis den leitenden Angestelltenstatus „umso eher“ vermittelt, je kleiner die Organisationseinheit ist.

Im hier entschiedenen Fall war die Store-Managerin im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Betriebsratswahl auch keine leitende Angestellte iSd. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG. 

Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach seinem Arbeitsvertrag und seiner Stellung im Unternehmen oder Betrieb regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und für die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst. Die in der Norm verwandten Worte „sonstige Aufgaben“ bringen zum Ausdruck, dass der Angestellte spezifische unternehmerische Führungsaufgaben zB in wirtschaftlicher, technischer, kaufmännischer, organisatorischer, personeller, rechtlicher oder wissenschaftlicher Hinsicht wahrnehmen muss26.

Voraussetzung für die Wahrnehmung einer unternehmerischen (Teil-)Aufgabe ist, dass dem leitenden Angestellten rechtlich und tatsächlich ein eigener und erheblicher Entscheidungsspielraum zur Verfügung steht. Er muss mit weitgehender Weisungsfreiheit und Selbstbestimmung seinen Tätigkeitsbereich wahrnehmen und kraft seiner leitenden Funktion maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensführung ausüben. Vorgegebene Rahmenbedingungen – etwa Richtlinien – sprechen nicht zwingend gegen die unternehmerischen Entscheidungsbefugnisse. Entscheidend ist, welche Kompetenzen und Einflussmöglichkeiten dem Angestellten innerhalb der zu beachtenden Rahmenbedingungen eingeräumt sind27. Der nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG erforderliche Einfluss auf die Unternehmensführung kann darin bestehen, dass der leitende Angestellte selbst die Entscheidungen trifft, aber auch darin, dass er kraft seiner Schlüsselposition Voraussetzungen schafft, an denen die Unternehmensleitung schlechterdings nicht vorbeigehen kann. Je niedriger die Entscheidungsstufe in der Unternehmenshierarchie liegt, auf der der Angestellte unternehmens- oder betriebsleitende Aufgabenstellungen erfüllt, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wesentliche unternehmerische Entscheidungsspielräume auf den höheren Entscheidungsstufen bereits verbraucht wurden. Maßgeblich sind stets die Umstände des Einzelfalls. Der notwendige Einfluss fehlt jedenfalls dann, wenn der Angestellte nur bei der reinen arbeitstechnischen, vorbestimmten Durchführung unternehmerischer Entscheidungen eingeschaltet wird, etwa im Rahmen von Aufsichts- oder Überwachungsfunktionen. Erforderlich ist schließlich auch, dass die unternehmerische Aufgabenstellung mit Entscheidungsspielraum die Tätigkeit des leitenden Angestellten prägt, dh. sie schwerpunktmäßig bestimmt28.

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Die Tatsache, dass die Store-Managerin Dienstvorgesetzte der in der Filiale beschäftigten Mitarbeiter ist, habe auch darüber entscheidet, welche Aufgaben von den einzelnen Mitarbeitern zu erledigen sind, und sie durch Aufstellung entsprechender Dienstpläne die Arbeitszeiten und Urlaube vorgegeben und auch ansonsten das der Arbeitgeberin obliegende Direktionsrecht ausgeübt hat, ist hierfür nicht ausreichend. Diese Tätigkeiten verdeutlichen lediglich die Vorgesetztenstellung Diese Tätigkeiten verdeutlichen lediglich die Vorgesetztenstellung gegenüber dem in der Filiale beschäftigten Personal. Diese allein genügt aber nicht, die Store-Managerin als leitende Angestellte iSd. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG anzusehen. Insbesondere fehlt es bei den angeführten Aufgaben am erforderlichen Einfluss auf die Unternehmensführung. Die Tätigkeit darf sich nicht in Aufsichts- oder Überwachungsfunktionen erschöpfen29. Die Einordnung als leitende Angestellte iSd. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG kann auch nicht allein aus dem Umstand hergeleitet werden, dass sie eine Leitungsposition bekleidete, die sich auf die Filiale und damit auf einen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständigen Betriebsteil erstreckte. Zwar können sich bedeutsame Aufgaben iSd. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG sowohl auf das Gesamtunternehmen als auch nur auf einen Betrieb des Unternehmens beziehen30. Dieser Umstand macht aber ebenso wenig wie der von der Arbeitgeberin auch in diesem Zusammenhang betonte Interessenkonflikt die Feststellung entbehrlich, dass die Store-Managerin unternehmerische Führungsaufgaben ausübte, indem sie wesentliche unternehmerische Entscheidungen traf oder sie maßgeblich beeinflusste.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 4. Mai 2022 – 7 ABR 14/21

  1. Richardi/Thüsing BetrVG 17. Aufl. § 7 Rn. 2[]
  2. Fitting 31. Aufl. § 16 Rn. 4[]
  3. vgl. BAG 31.05.2000 – 7 ABR 78/98, zu B IV 1 der Gründe, BAGE 95, 15; vgl. zur Zusammensetzung des Wahlvorstands nach § 16 Abs. 1 Satz 5 BetrVG aF BAG 14.09.1988 – 7 ABR 93/87, zu B IV 3 der Gründe, BAGE 59, 328[]
  4. vgl. BAG 16.01.2008 – 7 ABR 66/06, Rn. 21, BAGE 125, 232[]
  5. BAG 25.03.2009 – 7 ABR 2/08, Rn. 25; 10.10.2007 – 7 ABR 61/06, Rn. 12 mwN[]
  6. BAG 25.03.2009 – 7 ABR 2/08 – aaO[]
  7. BAG 25.03.2009 – 7 ABR 2/08 – aaO; 10.10.2007 – 7 ABR 61/06, Rn. 14[]
  8. BAG 25.03.2009 – 7 ABR 2/08 – aaO; 11.03.1982 – 6 AZR 136/79, zu B 1 der Gründe[]
  9. BAG 10.10.2007 – 7 ABR 61/06, Rn. 15; vgl. zu § 14 Abs. 2 KSchG: 27.09.2001 – 2 AZR 176/00, zu B II 3 c cc der Gründe[]
  10. BAG 25.03.2009 – 7 ABR 2/08 – aaO; 10.10.2007 – 7 ABR 61/06 – aaO; 16.04.2002 – 1 ABR 23/01, zu B IV 3 b der Gründe, BAGE 101, 53[]
  11. BAG 25.03.2009 – 7 ABR 2/08, Rn. 26; 10.10.2007 – 7 ABR 61/06, Rn. 13; vgl. zu § 14 Abs. 2 KSchG: BAG 27.09.2001 – 2 AZR 176/00, zu B II 3 c dd der Gründe[]
  12. BAG 10.10.2007 – 7 ABR 61/06 – aaO; ebenso zu § 14 Abs. 2 KSchG: BAG 27.09.2001 – 2 AZR 176/00 – aaO[]
  13. BAG 29.06.2011 – 7 ABR 5/10, Rn. 30; 5.05.2010 – 7 ABR 97/08, Rn.19 mwN[]
  14. vgl. BAG 16.04.2002 – 1 ABR 23/01, zu B IV 1 der Gründe, BAGE 101, 53[]
  15. BGBl. I S. 2312[]
  16. vgl. BAG 10.10.2007 – 7 ABR 61/06, Rn. 12; 16.04.2002 – 1 ABR 23/01, zu B III der Gründe mwN, BAGE 101, 53[]
  17. BAG 10.10.2007 – 7 ABR 61/06, Rn. 14[]
  18. so auch BAG 10.10.2007 – 7 ABR 61/06, Rn. 14[]
  19. ausf. BAG 16.04.2002 – 1 ABR 23/01, zu B III der Gründe, BAGE 101, 53; grundlegend BAG 29.01.1980 – 1 ABR 45/79, zu B II 3 b der Gründe, BAGE 32, 381[]
  20. so zB BeckOK ArbR/Besgen Stand März 2022 BetrVG § 5 Rn. 47[]
  21. dazu ErfK/Koch 22. Aufl. BetrVG § 5 Rn. 18[]
  22. BAG 9.12.2009 – 7 ABR 38/08, Rn. 24[]
  23. vgl. zuletzt BAG 26.05.2021 – 7 ABR 17/20, Rn. 33; 18.01.2012 – 7 ABR 72/10, Rn. 26[]
  24. vgl. BAG 29.01.1980 – 1 ABR 45/79, zu B II 2 der Gründe, BAGE 32, 381[]
  25. ArbG Hamburg 14.05.2019 – 11 BV 10/18[]
  26. BT-Drs. 11/2503 S. 30[]
  27. BAG 29.06.2011 – 7 ABR 5/10, Rn. 27; 22.02.1994 – 7 ABR 32/93, zu B III 3 b bb der Gründe[]
  28. BAG 29.06.2011 – 7 ABR 5/10 – aaO; 5.05.2010 – 7 ABR 97/08, Rn. 13 mwN[]
  29. vgl. BAG 22.02.1994 – 7 ABR 32/93, zu B III 2 a der Gründe mwN[]
  30. BT-Drs. 11/2503 S. 30; vgl. auch BAG 8.02.1977 – 1 ABR 22/76, zu II 5 a der Gründe[]
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Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen - und der zulässige Rechtsweg

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