Im Rahmen der vorgesehenen Gesamtversorgung kann lediglich die vom Arbeitnehmer tatsächlich bezogene, nach der Pensionsordnung anrechenbare Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt werden. Eine Anrechnung der Rente, die der Arbeitnehmer erhalten hätte, wenn § 236b SGB VI nicht eingeführt worden wäre, scheidet aus.

Eine Gesamtversorgung zeichnet sich dadurch aus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht eine bestimmte Versorgungsleistung, sondern einen bestimmten Gesamtversorgungsgrad zusagt. Die vom Arbeitgeber gewährte Leistung soll gemeinsam mit der gesetzlichen Rente sowie anderen betrieblichen oder sonstigen Versorgungsleistungen ein bestimmtes Versorgungsniveau sicherstellen, das typischerweise in Abhängigkeit von der Höhe der zuletzt bezogenen Vergütung ermittelt wird. Die Gesamtversorgung soll die Versorgungslücke schließen, die sich zwischen den anderen Ruhestandsbezügen und dem zugesagten Versorgungsniveau ergibt1. Es geht darum, in einem bestimmten Umfang den vom Arbeitnehmer im aktiven Arbeitsleben erreichten Lebensstandard auch im Ruhestand zu erhalten. Mit Hilfe der unterschiedlichsten Anrechnungsmethoden wird dabei das Ziel verfolgt, in einem bestimmten Umfang das festzulegen, was dem Betriebsrentner letztlich verbleiben soll, um seinen Lebensunterhalt nach Eintritt des Versorgungsfalles zu bestreiten.
Bei Gesamtversorgungssystemen spielt die Höhe der Sozialversicherungsrente eine wesentliche Rolle für die Bemessung der betrieblichen Altersrente. Arbeitnehmer, die vorzeitige gesetzliche Altersleistungen in Anspruch nehmen, erhalten aufgrund der fehlenden Beitragszeiten weniger Entgeltpunkte, so dass sich nach der Rentenformel des § 64 SGB VI der auszuzahlende Monatsbetrag der gesetzlichen Altersrente verringert. Nach dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (RRG 1992) erniedrigt sich im Übrigen der Zugangsfaktor für jeden Monat, für den der Versicherte eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch nimmt, um 0, 3 % (§ 77 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI). Durch das Altersgrenzenanpassungsgesetz wurde mit Wirkung vom 01.01.2008 ein Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte geschaffen. Für diesen Personenkreis entfällt in der gesetzlichen Rentenversicherung der Abschlag von 0, 3 % pro Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme vor Erreichen der Altersgrenze. Durch das zum 1.07.2014 in Kraft getretene RV-Leistungsverbesserungsgesetz wurde eine weitere Ausnahmeregelung in das System der gesetzlichen Rentenversicherung eingefügt. Diese privilegiert eine ausgewählte Gruppe von besonders langjährig Versicherten bestimmter Geburtsjahrgänge. Diese können – wie der Arbeitnehmer – eine Vollrente mit 63 Jahren abschlagsfrei in Anspruch nehmen.
Wird im betrieblichen Versorgungssystem die gesetzliche Altersrente bei der Bemessung der betrieblichen Rentenhöhe berücksichtigt, führt jede Verminderung der gesetzlichen Altersrente zu einer Erhöhung der betrieblichen Altersrente. Andererseits führt jede Erhöhung der gesetzlichen Altersrente zu einer Verminderung der betrieblichen Altersrente. Soll die Verringerung der Sozialversicherungsrente nicht zu einer Erhöhung des Betriebsrentenanspruchs und eine Erhöhung der Sozialversicherungsrente nicht zu einer Verringerung des Betriebsrentenanspruchs führen, kann vereinbart werden, dass eine fiktive Rente bei der Betriebsrente zu berücksichtigen ist. Die Berücksichtigung einer fiktiven Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung kommt nur dann in Betracht, wenn die Versorgungsordnung dies vorsieht. Enthält die Versorgungsordnung eine abschließende eigenständige Regelung, die die Anrechnung einer fiktiven Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht vorsieht, scheidet eine Hochrechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf die fiktive Rente aus2.
Die vorliegende Pensionsordnung sieht die Anrechnung einer fiktiven Rente im § 9 nur für die Fallgestaltungen der Durchführung eines Versorgungsausgleichs sowie der freiwilligen Versicherung oder Höherversicherung des Angestellten vor. In allen übrigen Fällen verbleibt es bei der Anrechnung der tatsächlich gezahlten Rente. Das gilt sowohl im Fall der Anhebung als auch im Fall der Absenkung der gesetzlichen Altersrente. Schon wegen dieser – ambivalenten – Offenheit liegt keine Regelungslücke vor; die Gesamtversorgungszusage ist hinsichtlich der Anrechnung der Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung dynamisch angelegt.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 1. Februar 2018 – 4 Sa 48/17 B