Die Stilllegung des gesamten Betriebs oder eines Betriebsteils durch den Arbeitgeber gehört zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können [1]. Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszweckes dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen [2].

Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Neben der Kündigung wegen erfolgter Stilllegung kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung muss die auf Tatsachen gestützte, betriebswirtschaftliche Prognose gerechtfertigt sein, dass zum Kündigungstermin mit einiger Sicherheit der Eintritt des die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes vorliegen wird [3]. Erforderlich ist, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst hat, den Betrieb endgültig und nicht nur vorübergehend stillzulegen [4]. Der Ernsthaftigkeit der Stilllegungsabsicht steht dabei nicht entgegen, dass sich der Arbeitgeber entschlossen hat, die gekündigten Arbeitnehmer in der jeweiligen Kündigungsfrist noch für die Abarbeitung vorhandener Aufträge einzusetzen. Der Arbeitgeber erfüllt damit gegenüber den tatsächlich eingesetzten Arbeitnehmern lediglich seine auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht [5]. An einem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung fehlt es, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in ernsthaften Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebs steht oder sich noch um neue Aufträge bemüht [6].
Bei einer Betriebsstilllegung ist ferner erforderlich, dass die geplanten Maßnahmen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits „greifbare Formen“ angenommen haben [7]. Von einer Stilllegung kann jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Miet- oder Pachtverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen darf, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt [8]. Für die Stilllegung von Betriebsteilen gilt dies, begrenzt auf die entsprechende Einheit, entsprechend [9].
Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung schließen sich systematisch aus [10]. Dabei kommt es auf das tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes und nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung an. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich die geplante Maßnahme objektiv als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebsveräußerung darstellt, weil etwa die für die Fortführung des Betriebs wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollten, der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung wertet [11]. An einer Stilllegung des Betriebs fehlt es nicht nur dann, wenn der gesamte Betrieb veräußert wird, sondern auch, wenn organisatorisch abtrennbare Teile des Betriebs im Wege eines Betriebsteilübergangs (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB) veräußert werden. Dann liegt keine Betriebsstilllegung, sondern allenfalls eine Betriebsteilstilllegung vor [12]. Wird ein Betriebsteil veräußert und der verbleibende Restbetrieb stillgelegt, kommt es darauf an, ob der gekündigte Arbeitnehmer dem auf einen Erwerber übergehenden Betriebsteil zugeordnet war [13]. Ist dies nicht der Fall, so kann die Stilllegung des Restbetriebs einen betriebsbedingten Kündigungsgrund darstellen, wenn die Arbeitnehmer diesem Betriebsteil zugeordnet waren [14].
Für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung ist maßgeblich, welche unternehmerische Entscheidung im Zeitpunkt der Kündigung von der Arbeitgeberin getroffen worden war. Frühere Überlegungen sind dagegen grundsätzlich nicht erheblich. Die unternehmerische Entscheidung zur Stilllegung des Betriebs einer GmbH setzt keinen wirksamen Beschluss der Gesellschafter voraus [15].
Regelmäßig sind deshalb alle vergleichbaren Arbeitnehmer in die Auswahlentscheidung einzubeziehen, die in demselben Betrieb wie der unmittelbar kündigungsbedrohte Arbeitnehmer beschäftigt sind. Dies gilt selbst dann, wenn sich der Arbeitgeber ein betriebsübergreifendes Versetzungsrecht vorbehalten hat [16]. Aus der Betriebsbezogenheit der Sozialauswahl folgt weiter, dass sie nicht auf Betriebsteile oder Betriebsabteilungen beschränkt werden kann, insbesondere steht der Notwendigkeit einer betriebsbezogenen Sozialauswahl nicht schon die räumliche Entfernung einzelner Filialen eines Bezirks entgegen.
Das Erfordernis einer Sozialauswahl gilt auch dann, wenn sich der Arbeitgeber einerseits zu einer Teilbetriebsstilllegung und andererseits einem Betriebsteilübergang entschließt [17]. Bei einer betriebsbedingten Kündigung eines Arbeitnehmers des stillzulegenden Betriebsteils sind bei der Sozialauswahl auch diejenigen vergleichbaren Arbeitnehmer zu berücksichtigen, die zur Zeit der Kündigung dem später zu übertragenden Betriebsteil angehören. Das Kündigungsverbot in § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB schließt die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer in dem stillzulegenden und dem später übergehenden Betriebsteil nicht aus [18]. Die Vorschriften der § 613a Abs. 4 BGB und § 1 Abs. 3 KSchG stehen gleichwertig nebeneinander [19].
Eine solche Sozialauswahl entfiel vorliegend auch nicht deshalb, weil die Arbeitgeberin allen Arbeitnehmern ihres Betriebs gekündigt hat. Zwar ist es richtig, dass der Arbeitgeber grundsätzlich keine Sozialauswahl vornehmen muss, wenn er allen Arbeitnehmern seines Betriebs kündigt [20]. Dem liegt aber die Überlegung zugrunde, dass eine Sozialauswahl keinen Sinn mehr macht, wenn – wie bei einer vollständigen Betriebsstilllegung – keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit mehr besteht. Im vorliegenden Fall hatte die Arbeitgeberin bei Ausspruch der Kündigung des Arbeitnehmers jedoch nicht mehr geplant, den gesamten Betrieb stillzulegen, sondern es sollte ein Teil der Belegschaft auf ein anderes Unternehmen übertragen werden. Eine Sozialauswahl war in so einem Fall nicht entbehrlich, da dem Arbeitnehmer auf diesem Weg sein Arbeitsverhältnis erhalten bleiben konnte.
- st. Rspr., vgl. BAG 26.05.2011 – 8 AZR 37/10, Rn. 25, AP BGB § 613a Nr. 409 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 125[↩]
- BAG 16.02.2012 – 8 AZR 693/10, Rn. 37, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 188[↩]
- BAG 13.02.2008 – 2 AZR 543/06, Rn. 22, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 175[↩]
- vgl. BAG 16.02.2012 – 8 AZR 693/10, Rn. 37, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 188[↩]
- vgl. BAG 8.11.2007 – 2 AZR 554/05, Rn.20, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156[↩]
- vgl. BAG 13.02.2008 – 2 AZR 543/06, Rn. 23, aaO[↩]
- vgl. BAG 15.12.2011 – 8 AZR 692/10, Rn. 40, AP BGB § 613a Nr. 424 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 132[↩]
- vgl. BAG 26.05.2011 – 8 AZR 37/10, Rn. 26, AP BGB § 613a Nr. 409 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 125[↩]
- BAG 26.05.2011 – 8 AZR 37/10 – aaO[↩]
- st. Rspr., vgl. BAG 16.02.2012 – 8 AZR 693/10, Rn. 39, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 188[↩]
- vgl. BAG 28.05.2009 – 8 AZR 273/08, Rn. 30, AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr.20[↩]
- BAG 30.10.2008 – 8 AZR 397/07, Rn. 28, AP BGB § 613a Nr. 358 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 103[↩]
- vgl. BAG 30.10.2008 – 8 AZR 397/07, Rn. 41, aaO[↩]
- vgl. ErfK/Oetker 13. Aufl. § 1 KSchG Rn. 283[↩]
- BAG 5.04.2001 – 2 AZR 696/99, zu II 3 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 117 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 110; 11.03.1998 – 2 AZR 414/97, zu II 1 c der Gründe, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 99; APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 492; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 579; ErfK/Oetker 13. Aufl. § 1 KSchG Rn. 277[↩]
- BAG 31.05.2007 – 2 AZR 276/06, Rn. 16, BAGE 123, 1 = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 94 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 77[↩]
- BAG 28.10.2004 – 8 AZR 391/03, zu II 3 b der Gründe, BAGE 112, 273 = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 69 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 56; APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 501; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 611[↩]
- BAG 28.10.2004 – 8 AZR 391/03, zu II 3 c der Gründe, aaO[↩]
- BAG 28.10.2004 – 8 AZR 391/03, zu II 3 c aa der Gründe, aaO[↩]
- vgl. BAG 7.07.2005 – 2 AZR 447/04, zu II 3 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 136 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 139[↩]