Brutto-oder Nettoabfindung – eine Frage des Streitgegenstands

Nach dem für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den dort gestellten Antrag (Klageantrag) und dem ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt.

Brutto-oder Nettoabfindung – eine Frage des Streitgegenstands

Der Streitgegenstand erfasst alle Tatsachen, die bei einer natürlichen; vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht unterbreitet hat1.

Das Vorbringen des Beklagten oder eigenes Verteidigungsvorbringen des Klägers gegenüber dem Beklagtenvortrag verändert den mit Antrag und Klagevorbringen festgelegten Streitgegenstand nicht2.

So auch in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall: Mit seinem Klageantrag hat der Kläger ausdrücklich eine Nettozahlung verlangt. In Verbindung mit dem von ihm geschilderten Lebenssachverhalt ergibt sich, dass Streitgegenstand die Nettoabsicherung nach Nr. 1 SP, Abschn. C. Ziff. 2.6 Abs. 1 des Sozialtarifvertrags ist und nicht eine nach Nr. 1 SP, Abschn. C. Ziff. 2.6 Abs. 4, Ziff. 4 des Sozialtarifvertrags zu berechnende Bruttoabfindung.

Das auf eine Nettoabsicherung gerichtete Klagebegehren konnte das Landesarbeitsgericht nicht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts3 in einen Bruttozahlbetrag gleicher Höhe umwandeln. Durch das Streichen des Zusatzes „netto“ hat das Landesarbeitsgericht nicht bloß verdeutlicht, was von Gesetzes wegen hinsichtlich der einen Arbeitnehmer treffenden Leistungspflicht für Steuer- und/oder Sozialabgaben gilt (§ 38 Abs. 2 EStG; § 28g SGB IV). Vielmehr hat es den Streitgegenstand ausgewechselt und auf eine Sozialplanforderung erkannt, die der Kläger nicht verlangt hat und die auch der Höhe nach nicht dem sich nach einer Nettoabsicherung in eingeklagter Höher errechnenden Bruttobetrag entspricht.

Weiterlesen:
Berufungsbegründung im Arbeitsgerichtsverfahren

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Februar 2018 – 1 AZR 787/16

  1. BAG 26.06.2013 – 5 AZR 428/12, Rn. 16[]
  2. BAG 18.11.2014 – 1 AZR 257/13, Rn. 15 mwN, BAGE 150, 50[]
  3. BAG 17.02.2016 – 5 AZN 981/15, Rn. 5, BAGE 154, 116[]