Das ausgegliederte städtische Krankenhaus – und die Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD/VKA

Das Bundesarbeitsgericht hat dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Rechtsfrage zur Vereinbarkeit der Bereichsausnahme in § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG mit der Leiharbeits-Richtlinie 2008/104/EG zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Das ausgegliederte städtische Krankenhaus – und die Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD/VKA

In dem beim Bundesarbeitsgericht anhängigen Verfahren streiten die Parteien über die Verpflichtung des Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung dauerhaft im Wege der Personalgestellung bei einem Drittunternehmen zu erbringen, nachdem sein Aufgabenbereich zu diesem verlagert worden ist. 

Der Arbeitnehmer ist bei der beklagten GmbH seit April 2000 beschäftigt. Die Stadt betreibt ein Krankenhaus, deren Trägerin und einzige Gesellschafterin eine Körperschaft öffentlichen Rechts ist. Sie besitzt keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der für kommunale Arbeitgeber geltenden Fassung Anwendung.

Im Juni 2018 gliederte die Stadt verschiedene Aufgabenbereiche, zu denen auch der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers gehört, auf eine neu gegründete Service GmbH aus. Die Ausgliederung führte zu einem Betriebsteilübergang. Der Arbeitnehmer widersprach nach § 613a Abs. 6 BGB dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Service GmbH. Seit Juni 2018 erbringt er allerdings auf Verlangen der Stadt seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung im Wege der Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD bei dieser GmbH. Sein dortiger Arbeitseinsatz ist auf Dauer angelegt. Das zwischen ihm und der Stadt vereinbarte Arbeitsverhältnis besteht jedoch mit dem bisherigen Inhalt fort. Der Service GmbH obliegt nur das fachliche und organisatorische Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer. Inhaltsgleiche Regelungen bestehen in den Tarifverträgen für die Tarifbereiche des Bundes und der Länder.

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Mit seiner Klage hat der Arbeitnehmer geltend gemacht, sein Einsatz bei der Service GmbH verstoße gegen Unionsrecht. Bei der Personalgestellung iSv. § 4 Abs. 3 TVöD handele es sich um eine dauerhafte und damit nach der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit rechtswidrige Arbeitnehmerüberlassung. Die Stadt hat demgegenüber gemeint, die Personalgestellung sei bereits aufgrund der Bereichsausnahme in § 1 Abs. 3 Nr. 2b Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) keine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Das Bundesarbeitsgericht hat den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV um die Beantwortung zweier Fragen zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 2008/104/EG ersuch. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob die Personalgestellung iSv. § 4 Abs. 3 TVöD unter den Schutzzweck und damit in den Anwendungsbereich der Leiharbeitsrichtlinie fällt. Wenn dies zuträfe, käme es für die Entscheidung darauf an, ob die Leiharbeitsrichtlinie eine Bereichsausnahme wie die in § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG geregelte zulässt. Die Beantwortung dieser Fragen betrifft die Auslegung des Unionsrechts, die in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt. 

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16. Juni 2021 – 6 AZR 390/20 (A)