Der Arbeitgeber ist nach § 4 TV-L im Rahmen billigen Ermessens (§ 106 Satz 1 GewO) berechtigt, dem Beschäftigten eine Tätigkeit zuzuweisen, die der Wertigkeit der Entgeltgruppe entspricht.

Das Direktionsrecht des Arbeitgebers im öffentlichen Dienst erstreckt sich bei einer Vertragsgestaltung, die den vertraglichen Aufgabenbereich allein durch eine allgemeine Tätigkeitsbezeichnung und die Nennung der Vergütungsgruppe beschreibt, auf solche Tätigkeiten des allgemein umschriebenen Aufgabenbereichs, welche die Merkmale der Vergütungsgruppe erfüllen, in die der Arbeitnehmer eingruppiert ist. Dem Arbeitnehmer können andere, dem allgemein umschriebenen Aufgabenbereich zuzuordnende Tätigkeiten nur zugewiesen werden, soweit sie den Merkmalen dieser Vergütungsgruppe entsprechen1. Voraussetzung für die Zuweisung einer anderweitigen Tätigkeit ist regelmäßig, dass sie als gleichwertig anzusehen ist, was sich bei Anwendung eines tariflichen Vergütungssystems in der Regel an der Zuordnung zu derselben Entgelt- oder Vergütungsgruppe zeigt2.
Nach § 615 Satz 1 BGB hat der Arbeitgeber die nach § 611a Abs. 2 BGB vereinbarte Vergütung fortzuzahlen, wenn er mit der Annahme der Dienste in Verzug gerät. Er kommt gemäß § 293 BGB in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Das Angebot des Arbeitnehmers muss gemäß § 294 BGB die zu bewirkende Arbeitsleistung betreffen. Diese Arbeitsleistung ist identisch mit der arbeitsvertraglich vereinbarten, wenn die Tätigkeit des Arbeitnehmers im Arbeitsvertrag konkret bestimmt ist. Ist dagegen die vom Arbeitnehmer zu erbringende Tätigkeit im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschrieben, obliegt es nach § 106 Satz 1 GewO dem Arbeitgeber, den Inhalt der zu leistenden Arbeit näher zu bestimmen. Erst die durch die wirksame Ausübung des Direktionsrechts näher bestimmte Tätigkeit ist die iSv. § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung3.
Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat. Bei dieser Prüfung kommt es nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hatte4.
Der Begriff des billigen Ermessens bei der Ausübung des Weisungsrechts iSv. § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei dessen Anwendung steht dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zu. Dies gilt auch für die Kontrolle der Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB5. Der dem Berufungsgericht zustehende Beurteilungsspielraum schränkt lediglich die revisionsrechtliche Überprüfung der Interessenabwägung ein. Hat das Berufungsgericht eine Interessenabwägung vorgenommen, ist – wenn sämtliche relevanten Tatsachen feststehen – eine eigene Interessenabwägung des Revisionsgerichts nur dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist6. Fehlt es indessen an einer Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts, ist es – wenn alle relevanten Tatsachen festgestellt sind – nicht erforderlich, dem Landesarbeitsgericht Gelegenheit zu geben, zunächst eine eigene Abwägung vorzunehmen. Die Prüfung der Voraussetzungen billigen Ermessens bei der Ausübung des Weisungsrechts iSv. § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB ist zwar in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung7.
Im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zuweisung des Arbeitnehmers zur Fahrbereitschaft unbillig gewesen wäre. Das beklagte Land war berechtigt, die Zuordnung als ständiger persönlichen Fahrer entsprechend den Wünschen der in § 5 Abs. 2 Pkw-Fahrer-TV-L genannten Funktionsträger vorzunehmen. Die in § 5 Abs. 2 Pkw-Fahrer-TV-L genannten Funktionsträger haben aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung und Verantwortung in der gesetzgebenden Körperschaft bzw. der Exekutive ein berechtigtes Interesse an einer störungsfreien und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit ihren ständigen persönlichen Fahrern, zu denen sie aufgrund der notwendigen Einbindung der Fahrer in ihren Arbeitsablauf alltäglich einen unmittelbaren und engen Kontakt haben. Das beklagte Land konnte bei Zuweisung der ständigen persönlichen Fahrer hierauf Rücksicht nehmen8. Ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Arbeitnehmers ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Dieses kann nicht darin gesehen werden, dass an den Arbeitnehmer aufgrund seiner Zuweisung zur Fahrbereitschaft ein geringeres Pauschalentgelt zu zahlen war. Das erhöhte Pauschalentgelt, dass an ständige persönliche Fahrer nach § 5 Abs. 1 Pkw-Fahrer-TV-L zu zahlen ist, gleicht allein eine – vermutete – erhöhte zeitliche Inanspruchnahme aus, die der Tarifvertrag bei einer Zuordnung zur Fahrbereitschaft nicht annimmt9.
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass das beklagte Land den Personalrat vor der Tätigkeitszuweisung nicht beteiligt hat. Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 87 PersVGBerlin bei der (Erst)Zuweisung des Arbeitnehmers zur Fahrbereitschaft bestand nicht, weil die zugewiesene Tätigkeit, wie die eines ständigen persönlichen Fahrers, den Tatbestandsmerkmalen der Entgeltgruppe 4 der Entgeltordnung zum TV-L entspricht10. Die Zuweisung hatte nicht die Übertragung einer Tätigkeit, die tariflich niedriger bewertet ist, als die eines ständigen persönlichen Fahrers (§ 87 Nr. 5 PersVGBerlin) oder eine Herabgruppierung (§ 87 Nr. 6 PersVGBerlin) zum Inhalt.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. April 2021 – 9 AZR 340/19
- st. Rspr., vgl. ua. BAG 17.08.2011 – 10 AZR 322/10, Rn. 15[↩]
- vgl. BAG 21.03.2012 – 4 AZR 374/10, Rn. 70[↩]
- st. Rspr., zB BAG 14.10.2020 – 5 AZR 649/19, Rn. 10; 19.05.2010 – 5 AZR 162/09, Rn. 14, BAGE 134, 296[↩]
- st. Rspr., BAG 24.05.2018 – 6 AZR 116/17, Rn. 39; 18.10.2017 – 10 AZR 330/16, Rn. 45 mwN, BAGE 160, 296[↩]
- vgl. ausführlich BAG 18.10.2017 – 10 AZR 330/16, Rn. 46 ff., BAGE 160, 296[↩]
- vgl. hierzu BAG 24.05.2018 – 6 AZR 116/17, Rn. 41[↩]
- zur Interessenabwägung im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vgl. BAG 27.01.2011 – 2 AZR 825/09, Rn. 38, BAGE 137, 54[↩]
- vgl. BAG 24.10.2018 – 10 AZR 19/18, Rn. 31[↩]
- vgl. zum Anspruch auf Nachtzuschläge und Schichtzulage unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs BAG 10.12.2014 – 10 AZR 63/14, Rn. 32[↩]
- vgl. BAG 24.10.2018 – 10 AZR 19/18, Rn. 37 f.[↩]