Nach § 78a Abs. 2 Satz 1 BetrVG gilt zwischen einem Auszubildenden, der Mitglied des Betriebsrats oder eines der anderen dort genannten Betriebsverfassungsorgane ist, und dem Arbeitgeber im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet, wenn der Auszubildende in den letzten drei Monaten vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses vom Arbeitgeber schriftlich die Weiterbeschäftigung verlangt. Der Begriff der Zumutbarkeit in § 78a Abs. 4 Satz 1 BetrVG stimmt nicht mit dem in § 626 Abs. 1 BGB überein [1].

Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung
Dem Arbeitgeber ist die Weiterbeschäftigung nicht erst dann unzumutbar iSv. § 78a Abs. 4 Satz 1 BetrVG, wenn die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB erfüllt sind. Die zum Begriff der Unzumutbarkeit in § 626 Abs. 1 BGB entwickelten Grundsätze lassen sich nicht auf § 78a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BetrVG übertragen.
Der Tatbestand des § 626 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn dem Arbeitgeber schon die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann. Bei der Auflösung des nach § 78a Abs. 2 Satz 1 BetrVG entstandenen Arbeitsverhältnisses ist demgegenüber maßgeblich, ob dem Arbeitgeber die Beschäftigung des Amtsträgers in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zumutbar ist [2].
Neben personenbedingten und betrieblichen Gründen können auch verhaltensbedingte Gründe die Auflösung des kraft Gesetzes entstandenen Arbeitsverhältnisses rechtfertigen [3]. Ein Fehlverhalten des Auszubildenden führt nur dann zur Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, wenn es sich als grobe Verletzung der Ausbildungspflichten darstellt, das die Befürchtung rechtfertigt, der Auszubildende werde auch in seinem Arbeitsverhältnis in grober Weise gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verstoßen. Hierfür bedarf es einer umfassenden Würdigung aller Umstände. In Betracht kommen etwa Straftaten, Tätlichkeiten, beharrliche Arbeitsverweigerung, hartnäckige unberechtigte Arbeitsversäumnis, schwere Verstöße gegen die betriebliche Ordnung oä. [4]. Für die Feststellung der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung iSd. § 78a Abs. 4 BetrVG ist auf den Zeitpunkt der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses abzustellen [5].
Abmahnung während des Ausbildungsverhältnisses
Der Auflösung des Arbeitsverhältnisses steht nicht entgegen, dass die Arbeitgeberin dem Betriebsratsmitglied bereits im Ausbildungsverhältnis wegen des zum späteren Auflösungsverlangen führenden Verhaltens des seinerzeitigen Auszubildenden eine Abmahnung erteilt hatte. Die Arbeitgeberin ist nicht gehindert, die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung mit den abgemahnten Vorgängen zu begründen.
Mit der Erteilung der Abmahnung erhält sich der Arbeitgeber die Möglichkeit, im Falle einer während des Ausbildungsverhältnisses auftretenden einschlägigen erneuten Pflichtverletzung eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 22 Abs. 4 BBiG auszusprechen und zur Begründung auch die Abmahnung heranzuziehen. Die Abmahnung bezieht sich auf das Ausbildungsverhältnis, das nur von vorübergehender Dauer ist und dessen Abschluss der Arbeitgeber dem Auszubildenden ggf. trotz eines erheblichen Fehlverhaltens ermöglichen will. Der Auflösungsantrag nach § 78a Abs. 4 BetrVG soll hingegen das im Anschluss an das Ausbildungsverhältnis entstandene unbefristete Arbeitsverhältnis beenden, weil eine dauerhafte Beschäftigung für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Es kann regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Arbeitgeber dieser Gestaltungsmöglichkeit begeben will, wenn er dem Beschäftigten während des Ausbildungsverhältnisses eine Abmahnung erteilt.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18. September 2019 – 7 ABR 44/17
- BAG 17. Februar 2010 – 7 ABR 89/08 – Rn. 17[↩]
- BAG 17.02.2010 – 7 ABR 89/08, Rn. 18; 25.02.2009 – 7 ABR 61/07, Rn. 16; 6.11.1996 – 7 ABR 54/95, zu B I 1 der Gründe, BAGE 84, 294[↩]
- vgl. BAG 16.07.2008 – 7 ABR 13/07, Rn. 21, BAGE 127, 126[↩]
- vgl. Fitting 29. Aufl. § 78a Rn. 48 mwN[↩]
- BAG 16.07.2008 – 7 ABR 13/07, Rn. 24, aaO; 15.11.2006 – 7 ABR 15/06, Rn.19, 21, BAGE 120, 205; 16.08.1995 – 7 ABR 52/94, zu B 3 der Gründe[↩]