In den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses stellt die unterlassene Durchführung des Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX keine Diskriminierung wegen einer Schwerbehinderung dar.

§ 84 Abs. 1 SGB IX verlangt bei schwerbehinderten Arbeitnehmern vom Arbeitgeber, dass er bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und den Betriebsrat (bzw. Personalrat) sowie das Integrationsamt einschaltet, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann.
In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall war die mit einem Grad von 50 schwerbehinderte Arbeitnehmerin seit dem 1. Oktober 2012 beim beklagten Land Baden-Württemberg als Leiterin der Organisationseinheit Qualitätsmanagement/Controlling des Landeskriminalamts beschäftigt. Die Parteien hatten im Arbeitsvertrag eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart. In einem Personalgespräch am 11. Februar 2013 teilte der Präsident des Landeskriminalamtes der Arbeitnehmerin mit, dass er beabsichtige, das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Probezeit zu beenden. Mit Schreiben vom 8. März 2013 kündigte das Land Baden-Württemberg das Arbeitsverhältnis zum 31. März 2013. Die Arbeitnehmerin hat diese Kündigung nicht mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen. Im vorliegenden Verfahren macht sie einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend. Sie meint, das beklagte Land habe sie dadurch, dass es das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX nicht durchgeführt habe, wegen ihrer Schwerbehinderung diskriminiert. Das Präventionsverfahren sei eine besondere Schutzmaßnahme zur Vermeidung von Nachteilen für Schwerbehinderte sowie eine „angemessene Vorkehrung“ im Sinne von Art. 2 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und des Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG. Werde eine solche Vorkehrung nicht getroffen, sei dies als Diskriminierung zu werten. Dadurch, dass das beklagte Land das Präventionsverfahren nicht durchgeführt habe, sei ihr die Möglichkeit genommen worden, etwaige behinderungsbedingte Fehlleistungen zu beheben.
Sowohl das Arbeitsgericht wie auch in der Berufungsinstanz das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg1 haben die Klage abgewiesen. Und auch die Revision der Arbeitnehmerin hatte jetzt vor dem Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg:
Das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX selbst ist keine „angemessene Vorkehrung“ im Sinne von Art. 2 UN-BRK und des Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG. Zudem ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, innerhalb der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG, also innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses, ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchzuführen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. April 2016 – 8 AZR 402/14
- LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.2014 – 1 Sa 23/13[↩]