Der Arbeitnehmer kann ein Kündigungsschreiben, das vom Personalleiter der Arbeitgeberin mit dem Zusatz „Leiter Personal“ und einer weiteren Mitarbeiterin unterzeichnet ist, nicht wegen Nichtvorlage einer Vollmachtsurkunde zurückweisen.

Die Annahme des Sächsischen Landesarbeitsgerichts1, das Zurückweisungsrecht des Arbeitnehmers sei nicht nach § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen gewesen, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das Kündigungsschreiben war ua. vom „Leiter Personal“ der Arbeitgeberin über der Angabe seiner Funktion handschriftlich unterzeichnet. Das Sächsische Landesarbeitsgericht hat zugunsten der Arbeitgeberin unterstellt, der Arbeitnehmer sei von dessen Bevollmächtigung nach § 174 Satz 2 BGB in Kenntnis gesetzt gewesen.
Sollte das Inkenntnissetzen dadurch erfolgt sein, dass die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer darüber informierte, den Unterzeichner in die Stellung als Personalleiter berufen zu haben, wäre dies wie im Arbeitsleben üblich dahin zu verstehen, dass dieser bevollmächtigt ist, für die Arbeitgeberin die Kündigung von Arbeitsverhältnissen zu erklären2. Der Arbeitnehmer, der über die Person des Personalleiters hinreichend in Kenntnis gesetzt ist, muss aus dieser Stellung folgern, der Personalleiter habe im Verhältnis zur Belegschaft eine alleinige Vertretungsmacht zum Ausspruch von Kündigungen3.
Sollte das Inkenntnissetzen dadurch erfolgt sein, dass die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer darüber informierte, den Unterzeichner in die Stellung als Personalleiter berufen zu haben, wäre dies wie im Arbeitsleben üblich dahin zu verstehen, dass dieser bevollmächtigt ist, für die Arbeitgeberin die Kündigung von Arbeitsverhältnissen zu erklären2. Der Arbeitnehmer, der über die Person des Personalleiters hinreichend in Kenntnis gesetzt ist, muss aus dieser Stellung folgern, der Personalleiter habe im Verhältnis zur Belegschaft eine alleinige Vertretungsmacht zum Ausspruch von Kündigungen3.
Aus dem Umstand, dass das Kündigungsschreiben noch von einer weiteren Mitarbeiterin unterschrieben war, folgt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nichts anderes. Darin lag keine Erklärung der Arbeitgeberin, die Bevollmächtigung des Personalleiters sei im Außenverhältnis auf eine Gesamtvertretungsmacht beschränkt. Das Berufungsurteil differenziert insoweit nicht – wie erforderlich – zwischen dem Innen- und dem Außenverhältnis der Vollmacht4. Eine – selbst durch das Vorhandensein einer Unterschriftenliste belegte – Praxis, Kündigungsschreiben nicht nur vom Personalleiter, sondern zusätzlich von einer weiteren Person unterschreiben zu lassen, kann allein einer entsprechenden Beschränkung der Vollmacht im Innenverhältnis geschuldet sein, etwa zur Wahrung eines Vier-Augen-Prinzips.
Im vorliegenden Fall fehlte es zudem an Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die dessen Annahme tragen, der Arbeitnehmer habe die Kündigung vom 21.05.2019 iSv. § 174 Satz 1 BGB unverzüglich zurückgewiesen.
Die Zurückweisung nach § 174 Satz 1 BGB ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung5. Maßgeblich dafür, ob sie unverzüglich erfolgte, ist ihr Zugang beim Erklärungsempfänger6. Als Sondervorschrift für die Anfechtung gem. §§ 119, 120 BGB findet die Regelung in § 121 Abs. 1 Satz 2 BGB keine, auch keine analoge Anwendung7. Das Erfordernis der Unverzüglichkeit einer Zurückweisung nach § 174 Satz 1 BGB dient dem Schutz des Erklärungsgegners, nicht, wie § 121 Abs. 1 Satz 2 BGB, dem Schutz des Erklärenden.
Dagegen gilt die Legaldefinition von „unverzüglich“ in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB im gesamten bürgerlichen Recht8. Entsprechend den zu dieser Bestimmung aufgestellten Grundsätzen muss die Zurückweisung nach § 174 Satz 1 BGB daher nicht sofort erfolgen, sondern nur ohne schuldhaftes Zögern. Dem Erklärungsempfänger ist eine gewisse Zeit zur Überlegung und zur Einholung des Rats eines Rechtskundigen darüber einzuräumen, ob er das einseitige Rechtsgeschäft wegen fehlender Vorlage eines Vollmachtbelegs zurückweisen soll9. Innerhalb welcher Zeitspanne der Erklärungsempfänger das Rechtsgeschäft zurückweisen muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls10. Da die Zurückweisung keinerlei Nachforschungen über die wirklichen Vertretungs- und Vollmachtsverhältnisse und keinen schwierigen Abwägungsprozess erfordert, sondern lediglich an das Fehlen der Vollmachtsurkunde knüpft, ist unter normalen Umständen eine Zeitspanne von einer Woche ausreichend11. Die Zurückweisung einer Kündigungserklärung ist daher ohne Vorliegen besonderer Umstände nach mehr als einer Woche nicht mehr unverzüglich iSd. § 174 Satz 1 BGB12. Die Frist beginnt mit der tatsächlichen Kenntnis des Empfängers von der Kündigung und der fehlenden Vorlegung einer Vollmachtsurkunde11.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Arbeitnehmer habe die Kündigung vom 21.05.2019 mit Einwurfeinschreiben vom 23.05.2019 zurückgewiesen. Es hat jedoch nicht festgestellt, dass und wann es der Arbeitgeberin zugegangen ist. Seine Würdigung, unter Berücksichtigung der regelmäßigen Postlaufzeiten sei davon auszugehen, dass das Schreiben jedenfalls innerhalb einer Woche nach Zugang der Kündigung bei der Arbeitgeberin eingegangen sei, wird nicht von Tatsachen getragen. Es ist schon nicht festgestellt, dass das Zurückweisungsschreiben zumindest vor Ablauf der Wochenfrist zur Post gegeben wurde. Auch die im Tatbestand des Berufungsurteils in Bezug genommene Ablichtung des Schreibens lässt nicht den Zeitpunkt seiner Aufgabe erkennen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Mai 2021 – 2 AZR 596/20
- Sächs. LAG 2.11.2020 – 5 Sa 128/20[↩]
- vgl. BAG 25.09.2014 – 2 AZR 567/13, Rn.20, 24[↩][↩]
- BAG 25.09.2014 – 2 AZR 567/13, Rn. 24; vgl. auch BAG 29.10.1992 – 2 AZR 460/92, zu II 2 der Gründe[↩][↩]
- vgl. dazu statt vieler MünchKomm-BGB/Schubert 8. Aufl. § 164 Rn.209[↩]
- allg. Meinung, vgl. nur MünchKomm-BGB/Schubert 8. Aufl. § 174 Rn.20[↩]
- vgl. BAG 8.12.2011 – 6 AZR 354/10, Rn. 33, BAGE 140, 64; 5.04.2001 – 2 AZR 159/00, zu B II 2 b der Gründe[↩]
- zu § 18 Abs. 6 SchwbG vgl. BAG 3.07.1980 – 2 AZR 340/78, zu II 3 a bb der Gründe, BAGE 34, 20[↩]
- allg. Meinung, vgl. nur Jauernig/Mansel BGB 18. Aufl. § 121 Rn. 1[↩]
- BAG 5.12.2019 – 2 AZR 147/19, Rn. 48, BAGE 169, 38[↩]
- BAG 5.12.2019 – 2 AZR 147/19 – aaO; 8.12.2011 – 6 AZR 354/10, Rn. 32, BAGE 140, 64[↩]
- BAG 8.12.2011 – 6 AZR 354/10, Rn. 33, aaO[↩][↩]
- BAG 13.12.2012 – 6 AZR 608/11, Rn. 67[↩]
Bildnachweis:
- Kündigung: Pixabay