Ein abgelehnter Bewerber befindet sich mit dem nicht abgelehnten Bewerber nur dann in einer vergleichbaren Situation im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG, wenn er für die ausgeschriebene Stelle objektiv geeignet ist. Die objektive Eignung ist nicht immer schon dann gegeben, wenn der Bewerber die einschlägige Berufsausbildung abgeschlossen hat. Es kommt vielmehr auf die wesentlichen, nicht überzogenen Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle an.

Der abgelehnte Bewerber, der einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot geltend macht, muss seine objektive Eignung für die ausgeschriebene Stelle darlegen. Hierzu sind zumindest Indiztatsachen vorzutragen.
Nach § 15 Abs. 1 AGG setzt der Entschädigungsanspruch gemäß Abs. 2 einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot voraus. Bewerber und Bewerberinnen dürfen gemäß § 7 Abs. 1 AGG nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, u. a. wegen des Alters, benachteiligt werden.
Nach § 3 Abs. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person hier wegen des Alters eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der Stellenbewerber hat eine weniger günstige Behandlung erfahren als bestimmte Mitbewerberinnen und Mitbewerber, weil er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und damit vorzeitig aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschlossen wurde1.
Die Bewerberinnen und Bewerber um eine ausgeschriebene Stelle befinden sich nur dann unabhängig von den Diskriminierungsmerkmalen des § 1 AGG in einer vergleichbaren Situation, wenn sie zumindest objektiv für die Stelle geeignet sind2. Ein ungeeigneter Kandidat kann sich nicht mit einem geeigneten Kandidaten vergleichen. Der Stellenbewerber war für die zu besetzende Stelle der Arbeitgeberin objektiv ungeeignet.
Ob ein Bewerber für die zu besetzende Stelle objektiv geeignet ist, richtet sich nicht allein nach dem formellen bekanntgegebenen Anforderungsprofil. Maßgebend sind vielmehr alle Anforderungen, die der Arbeitgeber in redlicher Weise an den Bewerber stellen durfte. Überzogene Anforderungen sind dagegen unerheblich. Zwar kann der Arbeitgeber grundsätzlich frei darüber entscheiden, welche Aufgabenbereiche er der ausgeschriebenen Stelle zuordnet und welche Anforderungen dementsprechend zu erfüllen sind. Er darf aber keine überzogenen Anforderungen stellen, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben gedeckt sind. Denn sonst könnte der Arbeitgeber die Vergleichbarkeit der Situation willkürlich gestalten und den gesetzlichen Diskriminierungsschutz weitgehend aufheben3.
Ebenso wenig sind Anforderungen, die der Arbeitgeber zwar redlich aufgestellt hat, die für die zu besetzende Stelle aber von untergeordneter Bedeutung sind, bei der Beurteilung der objektiven Eignung heranzuziehen. Auch Bewerber, die die auf der ausgeschriebenen Stelle auszuübende Tätigkeit grundsätzlich verrichten können, ohne zugleich jede Qualifikation des Anforderungsprofils zu erfüllen, genießen den gesetzlichen Diskriminierungsschutz. Anforderungsprofile in Stellenanzeigen benennen häufig Qualifikationen, die zwar gewünscht werden, die aber letztlich keine zwingende Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung darstellen und deshalb für die Beurteilung der objektiven Eignung kein Maßstab sind4.
Generell ist die objektive Eignung von der individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation eines Bewerbers zu trennen. Letztere kommt nur als Kriterium der Auswahlentscheidung auf der Ebene der Kausalität zwischen Benachteiligung und verbotenem Diskriminierungsmerkmal zum Tragen5.
Der Stellenbewerber ist dafür darlegungspflichtig, dass er grundsätzlich über die im vorliegenden Fall von der Arbeitgeberin geforderten hervorragenden Rechtskenntnisse verfügte und deshalb im Vergleich zu den zum Vorstellungsgespräch eingeladenen Mitbewerbern und Mitbewerberinnen benachteiligt wurde. Auch wenn man § 22 AGG in diesem Zusammenhang anwendet6, muss der Stellenbewerber zumindest Tatsachen vortragen, die entsprechende Rechtskenntnisse vermuten lassen. Allein der Umstand einer gemäß § 11 AGG unzulässigen Stellenanzeige lässt nicht vermuten, dass ein bestimmter Bewerber für die ausgeschriebene Stelle objektiv geeignet ist.
Der Stellenbewerber hat zu den von ihm behaupteten hervorragenden Rechtskenntnissen keine Tatsachen, auch keine Indiztatsachen vorgetragen. Weder seinen Bewerbungsunterlagen noch seinem Vortrag lässt sich hierzu etwas Konkretes entnehmen. Zu Recht verweist der Stellenbewerber darauf, dass seine Examensergebnisse und die Promotion zum Zeitpunkt der Bewerbung rund 30 Jahre zurücklagen und ihnen deshalb in Bezug auf die aktuellen Rechtskenntnisse kein Aussagewert zukam. Darüber hinaus hat er jedoch nichts zu seinen Rechtskenntnissen mitgeteilt. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der Stellenbewerber für die ausgeschriebene Stelle objektiv geeignet war.
Dem kann der Stellenbewerber nicht entgegenhalten, er könne als Stellenbewerber frei darüber entscheiden, welche Informationen er dem Arbeitgeber im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens gebe. Die Arbeitgeberin hätte fehlende Informationen nachfordern bzw. in einem Vorstellungsgespräch erfragen können. Seine Prämisse ist zwar richtig. Der Stellenbewerber übersieht jedoch, dass die von ihm gewählten Informationen die Grundlage für die Entscheidung des Arbeitgebers sind, zum Vorstellungsgespräch einzuladen oder nicht. Eine vorgelagerte Hinweispflicht des Arbeitgebers gibt es nicht.
Der Stellenbewerber wurde somit durch den vorzeitigen Ausschluss aus dem Bewerbungsverfahren nicht unmittelbar benachteiligt. Er befand sich mit den zum Vorstellungsgespräch eingeladenen Mitbewerberinnen und Mitbewerbern nicht in einer vergleichbaren Situation. Denn er war für die ausgeschriebene Stelle objektiv nicht geeignet. Es gibt keine Anhaltspunkte, die die erforderlichen hervorragenden Rechtskenntnisse beim Stellenbewerber auch nur vermuten lassen.
Aus denselben Gründen wurde der Stellenbewerber ebenso wenig im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG mittelbar benachteiligt. Nach dem Willen des Gesetzgebers setzt auch eine mittelbare Benachteiligung voraus, dass der Benachteiligte konkret betroffen ist7. Zwar verweist § 3 Abs. 2 anders als § 3 Abs. 1 AGG nicht ausdrücklich auf eine vergleichbare Situation als Voraussetzung der Benachteiligung. Mit der mittelbaren Benachteiligung wird aber lediglich der Tatbestand der Benachteiligung erweitert. Die Grundlage zur Feststellung einer Benachteiligung, die vergleichbare Situation, bleibt davon unberührt. Insoweit knüpft § 3 Abs. 2 an § 3 Abs. 1 AGG an8. Der Stellenbewerber wurde von der Arbeitgeberin auch nicht mittelbar benachteiligt.
Das gefundene Ergebnis widerspricht nicht dem EG-Recht. Es ist europarechtskonform, im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens erst dann von der Benachteiligung eines Betroffenen auszugehen, wenn die zu vergleichenden Bewerber und Bewerberinnen zumindest objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet sind. Art. 17 der Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf lautet:
„Die Mitgliedsstaaten legen die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Anwendung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um deren Durchführung zu gewährleisten. Die Sanktionen, die auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen können, müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein…“.
Korrespondierend gewährleistet Art. 9 Abs. 2 RL 2000/78/EG, dass „beschwerte(n) Person(en)“ von einem Verband etc. unterstützt werden können. Wer mangels objektiver Eignung von vornherein für eine ausgeschriebene Stelle nicht in Betracht kommt, kann nicht „Opfer“ oder „beschwerte(n) Person“ einer Diskriminierung im Rahmen des Bewerbungsverfahrens sein. Zudem stellt der Erwägungsgrund Nr. 15 der Richtlinie klar, dass die Beurteilung von Tatbeständen, die auf eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung schließen lassen, den einzelstaatlichen Instanzen oder anderen zuständigen Stellen nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten obliegt. Die Richtlinie fordert keine Entschädigung des Nichtbetroffenen wegen einer lediglich abstrakten Diskriminierungsgefahr9.
Landesarbeitsgericht Baden -Württemberg, Urteil vom 29. August 2014 – 12 Sa 15/14
- vgl. BAG, NZA 2014, 489, Rn. 27[↩]
- vgl. BAG, NZA 2014, 489, Rn. 29; BAG, Urteil vom 24.01.2013, 8 AZR 429/11, NZA 2013, 498, Rn. 34[↩]
- vgl. BAG, NZA 2014, 489, Rn. 30; NZA 2013, 498, Rn. 35[↩]
- vgl. BAG, Urteil vom 07.04.2011, 8 AZR 679/09, NZA-RR 2011, 494, Rn. 39[↩]
- vgl. BAG, Urteil vom 22.07.2010, 8 AZR 1012/08, NZA 2011, 93 Rn. 55; NZA-RR 2011, 494, Rn. 39[↩]
- zum Streitstand vgl. Schlachter, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl.2015, 40 – AGG § 22 Rn. 2[↩]
- vgl. BT-Drs. 16/1780, S. 33[↩]
- vgl. BAG, NZA 2014, 489, Rn. 37[↩]
- vgl. auch BAG, NZA 2014, 489, Rn. 44 f.[↩]