Der Anspruch des Arbeitnehmers – aus Tarifvertrag oder aus betrieblicher Übung?

Eine Verletzung des Antragsgrundsatzes nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegt nicht nur dann vor, wenn einer Partei etwas zugesprochen wird, ohne dies beantragt zu haben, sondern auch, wenn ihr ein Anspruch aberkannt wird, den sie nicht zur Entscheidung gestellt hat.

Der Anspruch des Arbeitnehmers – aus Tarifvertrag oder aus betrieblicher Übung?

Ein solcher Verstoß der Vorinstanzen gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten1.

So auch in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall: Der Kläger hat sich in den Vorinstanzen lediglich auf einen tariflichen Anspruch aus § 7.1 Abs. 3 TVöD-F gestützt. Er hat nicht behauptet, ihm stehe die begehrte Pauschalvergütung auch aus betrieblicher Übung zu. Indem das Landesarbeitsgericht Hamm2 die Klage jedoch auch diesbezüglich abgewiesen hat, hat es über einen Streitgegenstand entschieden, der nicht zur Entscheidung gestellt war. Es hat insofern nicht berücksichtigt, dass Ansprüche aus Tarifvertrag und solche aus betrieblicher Übung unterschiedliche Lebenssachverhalte betreffen, deren rechtliche Bewertung von verschiedenen Voraussetzungen abhängen3.

Das Urteil war daher vom Bundesarbeitsgericht – ohne dass es eines förmlichen Entscheidungsausspruchs bedarf, zu berichtigen. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist damit insoweit gegenstandslos, als die Klage wegen eines auf betriebliche Übung gestützten Anspruchs abgewiesen wurde4.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. Dezember 2022 – 6 AZR 481/21

  1. BAG 25.03.2021 – 6 AZR 41/20, Rn. 15 mwN[]
  2. LAG Hamm 14.09.2021 – 17 Sa 259/21[]
  3. zum Streitgegenstandsbegriff vgl. BAG 2.08.2018 – 6 AZR 437/17, Rn. 22 mwN, BAGE 163, 205[]
  4. vgl. BAG 25.03.2021 – 6 AZR 41/20, Rn.20 mwN[]
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