Ein Betriebsratsmitglied wird durch einen im Zuge einer kündigungsrechtlichen Auseinandersetzung abgeschlossenen Aufhebungsvertrag in der Regel auch dann nicht unzulässigerweise begünstigt im Sinne von § 78 Satz 2 BetrVG, wenn der Aufhebungsvertrag besonders attraktive finanzielle oder sonstige Konditionen enthält, die einem Arbeitnehmer ohne Betriebsratsamt nicht zugestanden worden wären.

Diese Begünstigung beruht regelmäßig auf dem besonderen Kündigungsschutz des Betriebsratsmitglieds nach § 15 Abs. 1 KSchG, § 103 BetrVG, der seine Rechtsposition gegenüber anderen Arbeitnehmern ohne vergleichbaren Sonderkündigungsschutz erheblich verbessert. Es kommt daher nicht darauf an, ob die in dem Aufhebungsvertrag vereinbarten Leistungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen sind.
Ein solcher Aufhebungsvertrag ist mithin nicht nach § 134 BGB iVm. § 78 Satz 2 BetrVG nichtig. Das Betriebsratsmitglied wird durch die in dem Aufhebungsvertrag im Zusammenhang mit der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses begründeten Ansprüche nicht nach § 78 Satz 2 BetrVG in unzulässiger Weise wegen seiner Betriebsratstätigkeit begünstigt:
Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. Die Regelung dient – ebenso wie das Ehrenamtsprinzip (§ 37 Abs. 1 BetrVG) – der inneren und äußeren Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder1.
Eine nach § 78 Satz 2 BetrVG untersagte Begünstigung ist jede Besserstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruht2. Sie liegt vor bei jeder Zuwendung eines Vorteils, der ausschließlich wegen der Amtstätigkeit erfolgt. Nicht erforderlich ist, dass der Amtsträger zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen veranlasst werden oder im Nachhinein für ein bestimmtes Verhalten belohnt werden soll3. Vereinbarungen, die gegen das Begünstigungs- oder Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 134 BGB nichtig4.
Beabsichtigt der Arbeitgeber, das Arbeitsverhältnis mit einem Betriebsratsmitglied außerordentlich nach § 15 Abs. 1 KSchG zu kündigen und schließt er mit dem Betriebsratsmitglied in dieser Situation nach vorausgegangenen Verhandlungen eine Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung und ggf. andere Vergünstigungen, so liegt darin in der Regel keine nach § 78 Satz 2 BetrVG unzulässige Begünstigung des Betriebsratsmitglieds.
Das Betriebsratsmitglied macht mit dem Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung von einer Möglichkeit Gebrauch, die anderen Arbeitnehmern ohne Betriebsratsamt in vergleichbarer Situation ebenfalls offensteht. Auch diese Arbeitnehmer können im Rahmen der Vertragsfreiheit anlässlich einer von dem Arbeitgeber beabsichtigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit diesem Vereinbarungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung und sonstige Leistungen schließen. Hieran ist auch ein Betriebsratsmitglied nicht wegen seines Mandats gehindert. Durch eine Einschränkung der Möglichkeit, einen Aufhebungsvertrag zu schließen und die Vertragsbedingungen frei auszuhandeln, würde die Vertragsfreiheit in unzulässiger Weise beschränkt5.
Eine unzulässige Begünstigung folgt in einer solchen Situation auch nicht daraus, dass mit dem Betriebsratsmitglied aufgrund des ihm zustehenden Sonderkündigungsschutzes nach § 15 Abs. 1 KSchG, § 103 BetrVG in dem Aufhebungsvertrag besonders günstige finanzielle oder sonstige Bedingungen vereinbart werden6. Ein Mandatsträger verfügt bei Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags aufgrund des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG und der Erforderlichkeit der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung bzw. deren gerichtlicher Ersetzung nach § 103 BetrVG über eine günstigere Verhandlungsposition als Arbeitnehmer ohne Mandat. Der gesetzlich in § 15 KSchG und § 103 BetrVG geregelte Sonderkündigungsschutz geht der allgemeinen Regelung des § 78 Satz 2 BetrVG als speziellere Regelung vor und verbessert im Hinblick auf seinen Schutzzweck (Unabhängigkeit der Amtsausübung, Kontinuität der Amtsführung, Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen ohne Furcht vor Entlassung) die kündigungsrechtliche Rechtsstellung der Träger besonderer Funktionen gegenüber der Rechtsstellung der übrigen Arbeitnehmer ohne vergleichbaren Sonderkündigungsschutz7. Der darin zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertentscheidung entspricht es, dass sich die besondere und ihrerseits bereits begünstigende kündigungsrechtliche Rechtsstellung als Verhandlungsposition auf den Abschluss und den Inhalt eines Aufhebungsvertrags auswirken kann8. Darin liegt grundsätzlich keine unzulässige Begünstigung iSv. § 78 Satz 2 BetrVG.
Demgemäß kommt es für die Beurteilung, ob ein Betriebsratsmitglied durch eine im Rahmen einer Kündigungsauseinandersetzung verhandelte Aufhebungsvereinbarung unzulässig nach § 78 Satz 2 BetrVG begünstigt wird, entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht darauf an, ob die im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbarten Leistungen des Arbeitgebers unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen sind. Vielmehr unterliegen die Bedingungen der Aufhebungsvereinbarung der Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien, die durch das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG insoweit grundsätzlich nicht eingeschränkt ist. Beabsichtigt der Arbeitgeber, das Arbeitsverhältnis mit einem Betriebsratsmitglied außerordentlich zu kündigen, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die dem Betriebsratsmitglied in einer Aufhebungsvereinbarung als Kompensation für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährten Leistungen aufgrund einer kündigungsrechtlichen Risikobetrachtung – unter Berücksichtigung des Sonderkündigungsschutzes, der Prozessrisiken und der Dauer der ggf. anzustrengenden oder bereits eingeleiteten gerichtlichen Verfahren – für angemessen gehalten werden durften. Auch Sinn und Zweck des Begünstigungsverbots erfordern es nicht, die Vertragsfreiheit der Parteien durch eine Überprüfung der Angemessenheit der Bedingungen des Aufhebungsvertrags einzuschränken. Das Begünstigungsverbot soll die Unabhängigkeit der Amtsführung schützen. Wird aufgrund der Vereinbarung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Mandat aufgegeben, ist die Unabhängigkeit der künftigen Amtsführung nicht gefährdet.
Danach wird das Betriebsratsmitglied durch die hier streitgegenständlichen Vereinbarungen im Aufhebungsvertrag nicht im Sinne von § 78 Satz 2 BetrVG in unzulässiger Weise wegen seiner Betriebsratstätigkeit begünstigt. Er hat die Aufhebungsvereinbarung nach vorangegangenen Verhandlungen zur Erledigung einer mit der Arbeitgeberin geführten Kündigungsauseinandersetzung getroffen, im Rahmen derer die Arbeitgeberin eine außerordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen anstrebte. Er hat sich im Aufhebungsvertrag mit der Beendigung seines langjährigen Arbeitsverhältnisses einverstanden erklärt und damit seinen besonderen Bestandsschutz aufgegeben. Als Kompensation hierfür hat er eine Abfindung erhalten und er wurde für einen längeren Zeitraum unter Fortzahlung der Vergütung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Die Konditionen des Aufhebungsvertrags mögen günstiger gewesen sein als diejenigen, die einem Arbeitnehmer ohne Betriebsratsamt zugestanden worden wären. Dies beruht jedoch auf der durch § 15 Abs. 1 KSchG, § 103 BetrVG besonders geschützten Rechtsposition des Betriebsratsmitglieds. Die darin liegende Begünstigung ist nicht nach § 78 Satz 2 BetrVG unzulässig. Im Streitfall war zudem ausgeschlossen, dass das Betriebsratsmitglied durch die in der Aufhebungsvereinbarung vereinbarten Leistungen in seiner weiteren Amtsführung beeinflusst werden konnte, da er sein Betriebsratsmandat vereinbarungsgemäß unmittelbar im Zuge des Abschlusses der Aufhebungsvereinbarung aufgab.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. März 2018 – 7 AZR 590/16
- BAG 18.05.2016 – 7 AZR 401/14, Rn. 21 mwN; 20.01.2010 – 7 ABR 68/08, Rn. 10; 12.02.1975 – 5 AZR 79/74, zu III 1 der Gründe[↩]
- vgl. zur Benachteiligung etwa BAG 20.01.2010 – 7 ABR 68/08, Rn. 11[↩]
- vgl. Kreutz GK-BetrVG 11. Aufl. § 78 Rn. 83[↩]
- BAG 20.01.2010 – 7 ABR 68/08, Rn. 10; 16.02.2005 – 7 AZR 95/04, zu I 1 der Gründe[↩]
- vgl. zur Vereinbarung einer Kostentragungspflicht in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich BAG 20.01.2010 – 7 ABR 68/08, Rn. 12[↩]
- zutr. Kreutz GK-BetrVG 11. Aufl. § 78 Rn. 85; HaKo-BetrVG/Lorenz 5. Aufl. § 78 Rn. 23[↩]
- vgl. BAG 7.10.2004 – 2 AZR 81/04, zu II 4 der Gründe, BAGE 112, 148[↩]
- zutr. Kreutz GK-BetrVG 11. Aufl. § 78 Rn. 85[↩]