Der Bestandsschutztarifvertrag – und seine Auslegung

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt dabei den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln.

Der Bestandsschutztarifvertrag – und seine Auslegung
  • Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften.
  • Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat.
  • Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann.
  • Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen.
  • Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt1.

Dabei ist auch die Satzung der Versorgungskasse in den Blick zu nehmen: Tarifverträge und auf ihnen beruhende Satzungsbestimmungen für die Versorgung in einer Anstalt öffentlichen Rechts oder Pensionskasse sind als Ganzes zu verstehen2. Die arbeitsvertraglichen und versicherungsvertraglichen Rechtsbeziehungen sind durch die Tarifverträge eng miteinander verknüpft. Aufgabe der VAP ist es, die tarifliche Zusatzversorgung durchzuführen, dementsprechend die tarifvertraglichen Versorgungsregelungen umzusetzen und für die erforderlichen Konkretisierungen zu sorgen3. Die Regelungen sind dabei so eng miteinander verzahnt, so dass sogar eine tarifliche Verweisung auf die Satzung zulässig ist4. Es kann unterstellt werden, dass den Tarifvertragsparteien die Regelungen der Satzungen, mit denen ihre Vorgaben umgesetzt werden, bekannt sind.

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Dass die VAP-Satzung zwischenzeitlich abgelöst wurde, steht nicht entgegen. Bei der Auslegung ablösender kollektivrechtlicher Regelungswerke kann auch die abgelöste Regelung berücksichtigt werden5. Bei der Berücksichtigung von mit tariflichen Regelungen eng verknüpften Satzungen einer Versorgungsanstalt gilt nichts anderes.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Juli 2021 – 3 AZR 363/20

  1. st. Rspr., vgl. BAG 21.01.2020 – 3 AZR 73/19, Rn. 27; 10.02.2015 – 3 AZR 904/13, Rn. 27 mwN[]
  2. vgl. Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto BetrAVG 7. Aufl. § 18 Rn. 10a[]
  3. vgl. BAG 29.01.2008 – 3 AZR 214/06, Rn. 21[]
  4. BAG 21.01.2020 – 3 AZR 73/19, Rn. 59[]
  5. BAG 22.09.2020 – 3 AZR 303/18, Rn. 98 mwN[]

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