Der Betriebsübergang auf eine Zwischenerwerberin – und die Arbeitsverhältnisse

§ 613a BGB setzt voraus, dass ein „Betrieb“ oder ein „Betriebsteil“ auf einen neuen Inhaber übergeht.

Der Betriebsübergang auf eine Zwischenerwerberin – und die Arbeitsverhältnisse

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist darunter der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit zu verstehen1. Der Übergang eines Betriebs – verstanden als wirtschaftliche Einheit – ist anhand einer Gesamtabwägung verschiedener Teilaspekte festzustellen2. Eine vorübergehende Unterbrechung der Betriebstätigkeit schließt einen Betriebsübergang nicht aus, solange sie nicht zur Annahme einer Betriebsstilllegung führt3.

Ein Betriebsübergang kann auch in der Form erfolgen, dass die Arbeitsverhältnisse der betreffenden Arbeitnehmer zunächst auf einen ersten Erwerber und dann auf einen zweiten oder weitere Erwerber übergehen (sog. Kettenbetriebsübergang, vgl. BAG 21.08.2014 – 8 AZR 619/13, Rn. 29). In einer solchen Situation kann der Arbeitnehmer ein etwa noch bestehendes Recht, dem durch den vorangegangenen Betriebsübergang eingetretenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen, allerdings nur dann noch wirksam ausüben, wenn er erfolgreich dem mit dem weiteren Betriebsübergang verbundenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den neuen Inhaber iSv. § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB widersprochen hat4.

Der bloße Umstand, dass die Erwerberin das Möbelhaus zu keinem Zeitpunkt „tatsächlich betrieben“ hat, genügt vorliegend nicht, um einen Übergang des Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers auf diese Gesellschaft – jedenfalls als Zwischenerwerberin – auszuschließen.

Das in der Vorinstanz hiermit befasste Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg5 geht selbst davon aus, dass es bezüglich des Betriebs „Möbelhaus“ nicht zu einer Stilllegung durch die ursprüngliche Arbeitgeberin gekommen ist, die einen Betriebsübergang ausschlösse6, da es bei der Prüfung des vom Arbeitnehmer erklärten Widerspruchs vom Vorliegen eines Betriebsübergangs ausgeht. Die – nicht eindeutig festgestellte – Unterbrechung der Betriebstätigkeit kann angesichts dessen nur „vorübergehend“ gewesen sein.

Das Landesarbeitsgericht lässt bei seiner Prüfung unberücksichtigt, dass während einer nur vorübergehenden Unterbrechung der Betriebstätigkeit dem Kriterium der „tatsächlichen Führung“ des Betriebs für die Frage eines Betriebsübergangs nur nachrangige Bedeutung zukommen kann. Stattdessen hätte es eine Prüfung aller Gesamtumstände durchführen müssen, um festzustellen, ob, wann und auf wen ein Betriebsübergang stattgefunden hat. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, dass auf die Erwerberin – als Zwischenerwerberin, zunächst ein Betriebsübergang stattgefunden hat und es in der Folgezeit – während der Unterbrechung der Betriebstätigkeit, zu einem weiteren Betriebsübergang auf die P Markt gekommen ist. Zu dieser nicht durchgeführten Prüfung bestand auch Veranlassung, da sich die ursprüngliche Arbeitgeberin ausdrücklich auf einen „Kettenbetriebsübergang“ zunächst auf die Erwerberin und dann auf die P Markt berufen hat.

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Weiter hätte das Landesarbeitsgericht in den Blick nehmen müssen, dass der Arbeitnehmer mit Schreiben vom 23.07.2020 nur gegenüber der ursprünglichen Arbeitgeberin – und nicht gegenüber der möglichen Zwischenerwerberin – dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die P Markt widersprochen hat.

Das Berufungsurteil erweist sich nicht – auch nicht teilweise – aus anderen Gründen als richtig (vgl. § 561 ZPO) und ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Solange der Übergang des Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers auf die Erwerberin nicht ausgeschlossen ist, kann jedenfalls der Bestand des Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers mit der ursprünglichen Arbeitgeberin bis 30.04.2021 nicht festgestellt werden. Die dem Arbeitnehmer vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüche hängen vom Bestand des Arbeitsverhältnisses mit der ursprünglichen Arbeitgeberin bis zu diesem Zeitpunkt ab und würden bei einem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Erwerberin ab dem 1.06.2020 entfallen, da es dann an einem wirksamen und rechtzeitigen Widerspruch des Arbeitnehmers fehlen könnte.

Das Bundesarbeitsgericht konnte im vorliegenden Fall nicht selbst in der Sache entscheiden, weshalb das Verfahren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen war (vgl. § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Zur Frage eines Betriebsübergangs und eines rechtzeitigen bzw. wirksamen Widerspruchs des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses bedarf es weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, zumal der Arbeitnehmer das Vorliegen eines Betriebsübergangs insgesamt – auch auf die P Markt – bestreitet. Das Berufungsgericht hat insoweit nur festgestellt, dass sich die ursprüngliche Arbeitgeberin entschlossen habe, den Betrieb des Einrichtungshauses zum 31.05.2020 aufzugeben und an die „P Unternehmensgruppe“ zu veräußern, wobei die Erwerberin das Betriebsgrundstück nicht von der ursprünglichen Arbeitgeberin, sondern von deren Gesellschafter erworben und zugesagt habe, im Zuge der Betriebsfortführung auch alle Mitarbeiter der ursprünglichen Arbeitgeberin weiterzubeschäftigen. Hinsichtlich der daraufhin tatsächlich erfolgten Geschehnisse hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen. Das lässt keine Beurteilung zu, ob, wann und auf wen trotz einer möglichen vorübergehenden Betriebsunterbrechung ein Betriebsübergang stattgefunden hat oder ob dies nicht der Fall war.

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Davon hängt auch die Frage ab, ob Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüche gegen die ursprüngliche Arbeitgeberin überhaupt bestehen können.

Es kommt keine Abweisung des Antrags zu 1. aus prozessualen Gründen in Betracht. Das Landesarbeitsgericht hat allerdings keine Ausführungen zu diesem Antrag gemacht und die Frage eines Bestands des Arbeitsverhältnisses eher „inzident“ beantwortet.

Der Klageantrag zu 1. ist auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses in der Vergangenheit gerichtet, obwohl nach § 256 Abs. 1 ZPO eine Feststellungsklage grundsätzlich den gegenwärtigen Bestand eines Rechtsverhältnisses betreffen muss.

Trotz des Vergangenheitsbezugs des Antrags besteht das besondere Feststellungsinteresse aber in den Fällen, in denen sich – wie im Streitfall – aus ihm Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft, insbesondere mögliche Ansprüche auf Vergütung ergeben können7.

Ebenso wenig kommt eine Abweisung des Antrags zu 3. (Urlaubsabgeltung) und von Teilen des Antrags zu 2. (Annahmeverzugsvergütung für Februar bis April 2021) aus prozessualen Gründen in Betracht.

Allerdings fehlen auch hier Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Klageerweiterung in der Berufungsinstanz, mit welcher der Arbeitnehmer – über die zuvor eingeklagten Beträge hinaus – Annahmeverzugsvergütung auch für die Monate Februar bis April 2021 und Urlaubsabgeltung geltend gemacht hat. Das Berufungsgericht hat möglicherweise nicht erkannt, dass der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Berufung eine Klageerweiterung vorgenommen hat. Jedenfalls indem er den neuen Streitgegenstand „Urlaubsabgeltung“ damit eingeführt hat, handelt es sich um eine Klageänderung iSv. § 263 ZPO.

Soweit das Berufungsgericht die Sachdienlichkeit der Klageänderung iSv. § 533 Nr. 1 ZPO – wie hier – nicht geprüft hat, kann diese Frage offenbleiben, da sich die ursprüngliche Arbeitgeberin im Berufungsverfahren jedenfalls auf die abgeänderte Klage eingelassen hat, ohne der Änderung zu widersprechen (vgl. § 533 Nr. 1, § 267 ZPO).

Auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO ist zu bejahen. Die Abweisung der vom Arbeitnehmer in der Berufungsinstanz vorgenommenen Klageerweiterung wäre nur in Betracht gekommen, wenn für die Entscheidung über diesen Streitgegenstand Vorbringen erforderlich gewesen wäre, das unter den Voraussetzungen des § 67 Abs. 4 ArbGG nicht hätte berücksichtigt werden können8. Der Arbeitnehmer hat den Vortrag zu seiner Klageerweiterung aber bereits in der Berufungsbegründung gehalten.

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Die Anschlussrevision des Arbeitnehmers ist ebenfalls begründet.

Das Landesarbeitsgericht hat unter Verletzung der Rechtsnormen der §§ 294 ff. BGB (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) angenommen, dem Arbeitnehmer stehe für den Zeitraum 1.07.2020 bis 7.08.2020 keine Annahmeverzugsvergütung gegen die ursprüngliche Arbeitgeberin zu, da er seine Arbeitsleistung der ursprünglichen Arbeitgeberin tatsächlich und nicht nur wörtlich habe anbieten müssen. Ferner hat es für den Zeitraum vom 08.08.2020 bis 31.12.2020 unter Zugrundelegung eines Arbeitslosengeldes von 42, 54 Euro täglich einen zu hohen Abzugsbetrag an erhaltenem Arbeitslosengeld des Arbeitnehmers angesetzt.

Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, zur Begründung des Annahmeverzugs genüge im vorliegenden Fall – für den Zeitraum 1.07.2020 bis 7.08.2020 – ein wörtliches Angebot nicht, sondern es sei „im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis“ – bis zur Rückforderung des Dienstwagens durch die ursprüngliche Arbeitgeberin – ein tatsächliches Angebot des Arbeitnehmers nach § 294 BGB erforderlich gewesen9. Mit diesen Ausführungen betreffend ein „unstreitig bestehendes Arbeitsverhältnis“ ignoriert das Berufungsgericht die eigenen Feststellungen, wonach sich die ursprüngliche Arbeitgeberin auf den Standpunkt gestellt hat, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei gemäß § 613a BGB durch einen Betriebsübergang zum Ablauf des 31.05.2020 beendet worden. Insoweit ist es auch verfehlt, wenn das Landesarbeitsgericht weiter ausführt, „nach den obigen Feststellungen (sowie nach dem Verständnis des Arbeitnehmers)“ habe im Klagezeitraum ein Arbeitsverhältnis bestanden. Das wird von der ursprünglichen Arbeitgeberin gerade in Abrede gestellt und ist nicht „unstreitig“.

Das den Annahmeverzugsanspruch abweisende Urteil des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch für den Zeitraum 1.07.2020 bis zum Eingang des Schreibens des Arbeitnehmers vom 23.07.2020 bei der ursprünglichen Arbeitgeberin nicht aus anderen Gründen als richtig (vgl. § 561 ZPO), weil es an einem wörtlichen Angebot der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gefehlt hätte. Das Landesarbeitsgericht hat nicht genügend das Unterrichtungsschreiben der ursprünglichen Arbeitgeberin vom 25.03.2020 in den Blick genommen. Das Schreiben belegt, dass die ursprüngliche Arbeitgeberin die Annahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ablehnt (vgl. § 295 BGB) und es nicht einmal eines wörtlichen Angebots bedurfte, um Annahmeverzug der ursprünglichen Arbeitgeberin zu begründen.

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Die ursprüngliche Arbeitgeberin hat dem Arbeitnehmer in dem Unterrichtungsschreiben vom 25.03.2020 mitgeteilt, dass sie ihren Geschäftsbetrieb zum 31.05.2020 einstelle, sie mit diesem Datum aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer ausscheide und die Erwerberin in ihre Arbeitgeberstellung eintrete. Die Leitung des Betriebs werde von der neuen Arbeitgeberin ausgeübt und das Arbeitsverhältnis mit der ursprünglichen Arbeitgeberin erlösche. Für den Fall eines Widerspruchs könne der Arbeitnehmer bei der ursprünglichen Arbeitgeberin auf seinem bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr beschäftigt werden, so dass voraussichtlich eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen werden müsse.

In dieser Konstellation bedarf es keines tatsächlichen oder wörtlichen Angebots des Arbeitnehmers zur Begründung des Annahmeverzugs10. Erklärt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor dem Betriebsübergang, dass eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit wegen des Wegfalls seines Arbeitsplatzes nicht mehr gegeben ist, so macht er damit deutlich, der ihm obliegenden Mitwirkungshandlung nicht nachkommen zu wollen. Er gerät damit in Annahmeverzug, ohne dass es noch eines Angebots der Arbeitsleistung von Seiten des Arbeitnehmers bedürfte11.

Das wird nicht durch die Mitteilung der ursprünglichen Arbeitgeberin in Frage gestellt, wonach der Arbeitnehmer auf seinem „bisherigen“ Arbeitsplatz nicht mehr beschäftigt werden könne und bei einem Widerspruch „voraussichtlich“ eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen werde. Die ursprüngliche Arbeitgeberin kündigt dem Arbeitnehmer die Schließung ihrer Betriebsstätte an, ohne eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit zu benennen oder eine solche – vorsorglich, zuzuweisen. Damit stellt die ursprüngliche Arbeitgeberin nicht klar, dass der Arbeitnehmer bei einem Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses tatsächlich beschäftigt würde.

Das Landesarbeitsgericht hat die für den Zeitraum vom 08.08.2020 bis 31.12.2020 zuerkannten Annahmeverzugsansprüche zudem fehlerhaft berechnet. Es ist zu Lasten des Arbeitnehmers von einem unzutreffenden Arbeitslosengeldbezug ausgegangen (1.301,10 Euro statt 1.284,90 Euro pro Monat). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Arbeitnehmer ein Arbeitslosengeld von 42, 54 Euro täglich erhalten. Wird das Arbeitslosengeld für einen vollen Monat gezahlt, ist dieser mit 30 Tagen anzusetzen (§ 154 Satz 2 SGB III). Dies ergibt einen Anrechnungsbetrag von 1.276, 20 Euro pro Monat. Dass der Arbeitnehmer sogar einen Anrechnungsbetrag von 1.284, 90 Euro pro Monat hinnimmt, beruht darauf, dass er selbst – vom Landesarbeitsgericht erneut unbeachtet – auf einen rückwirkenden Änderungsbescheid der Agentur für Arbeit hingewiesen hat, wonach sein Arbeitslosengeld ab Juli 2020 auf 42, 83 Euro pro Tag erhöht wurde. Der vom Landesarbeitsgericht angerechnete Betrag von 1.301, 10 Euro monatlich ist rechnerisch erst ab dem 1.01.2021 in Abzug zu bringen, weil sich das Arbeitslosengeld des Arbeitnehmers auf 43, 37 Euro täglich erhöhte.

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Das Bundesarbeitsgericht kann bezüglich der Anschlussrevision des Arbeitnehmers nicht in der Sache selbst entscheiden (vgl. § 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Ob dem Arbeitnehmer überhaupt Annahmeverzugsansprüche für den Zeitraum 1.07.2020 bis 7.08.2020 zustehen, hängt vorrangig davon ab, ob zwischen den Parteien in diesem Zeitraum noch ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Zur Frage eines Betriebsübergangs und eines rechtzeitigen bzw. wirksamen Widerspruchs des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses bedarf es weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts.

Sollte das Landesarbeitsgericht im fortgesetzten Berufungsverfahren zum Ergebnis kommen, dass zwischen den Parteien bis 30.04.2021 – mangels Betriebsübergangs oder wegen eines wirksamen Widerspruchs des Arbeitnehmers – ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, wird es sich mit folgenden weiteren Fragen zu befassen haben:

Die ursprüngliche Arbeitgeberin hat in beiden Vorinstanzen geltend gemacht, selbst wenn ein Arbeitsverhältnis der Parteien bis 30.04.2021 bestanden habe und ein Angebot der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer entbehrlich gewesen sei, stehe ihm der geltend gemachte Annahmeverzug auch deshalb nicht zu, da er anderweitigen Erwerb gehabt habe – nämlich die gegenüber der P Markt erzielte Abfindung von 10.000, 00 Euro – beziehungsweise anderweitiger Erwerb vom Arbeitnehmer böswillig unterlassen worden sei. Zur Begründung hat sich die ursprüngliche Arbeitgeberin auf einen Vermittlungsvorschlag der Agentur für Arbeit vom 16.09.2020 sowie die ihrer Ansicht nach unzureichenden Angaben des Arbeitnehmers zu weiteren Vermittlungsvorschlägen oder Eigenbemühungen bezogen. Mit diesem jedenfalls nicht offensichtlich unbeachtlichen Vorbringen hat sich das Berufungsgericht bisher nicht befasst.

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Sollte das Landesarbeitsgericht dem Arbeitnehmer erneut Annahmeverzugsansprüche zuerkennen, wird es – um einen wiederholten Verstoß gegen den Antragsgrundsatz (§ 308 Abs. 1 Satz 2 ZPO) zu vermeiden, zu berücksichtigen haben, dass der Arbeitnehmer mit seinen Anträgen gestaffelte Zinsen für einen ersten (zusammengefassten) Teilbetrag erst ab dem 1.10.2020 und nicht bereits seit dem 1.09.2020 geltend macht. Daneben wird es eine Begründung dafür nachzuholen haben, warum es dem Arbeitnehmer Zinsen für die monatlichen Annahmeverzugsbeträge bereits ab dem 1. des Folgemonats zuspricht, obwohl nach § 3 Nr. 2 des Arbeitsvertrags der Parteien die Vergütung jeweils zum 10. des Folgemonats zu zahlen ist, und aus welchen Gründen der Arbeitnehmer, der Zinsen aus der Bruttovergütung abzüglich erhaltenen (Netto-)Arbeitslosengeldes verlangt, lediglich Zinsen „auf den sich ergebenden Nettobetrag“ beanspruchen kann. Der Arbeitnehmer kann die Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB vielmehr aus der in Geld geschuldeten Bruttovergütung beanspruchen12.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Dezember 2022 – 2 AZR 99/22

  1. EuGH 27.02.2020 – C-298/18 – [Grafe und Pohle] Rn. 22; 13.06.2019 – C-664/17 – [Ellinika Nafpigeia] Rn. 36; vgl. auch BAG 22.07.2021 – 2 AZR 6/21, Rn. 14[]
  2. vgl. zuletzt EuGH 24.06.2021 – C-550/19 – [Obras y Servicios Públicos und Acciona Agua] Rn. 90; BAG 14.05.2020 – 6 AZR 235/19, Rn. 61, BAGE 170, 244[]
  3. vgl. EuGH 7.08.2018 – C-472/16 – [Colino Sigüenza] Rn. 42 ff.; 15.06.1988 – C-101/87 – [Bork International] Rn. 16[]
  4. vgl. BAG 19.11.2015 – 8 AZR 773/14, Rn. 21 ff., BAGE 153, 296[]
  5. LAG Berlin-Brandenburg 16.12.2021 – 10 Sa 871/21[]
  6. vgl. BAG 14.05.2020 – 6 AZR 235/19, Rn. 91, BAGE 170, 244[]
  7. BAG 24.05.2022 – 9 AZR 337/21, Rn. 37[]
  8. vgl. dazu BAG 9.02.2022 – 5 AZR 347/21, Rn. 23 f.[]
  9. zu den grundsätzlichen Maßstäben für Annahmeverzug im Arbeitsverhältnis vgl. zuletzt BAG 10.08.2022 – 5 AZR 154/22, Rn. 15 mwN[]
  10. vgl. BAG 22.10.2009 – 8 AZR 766/08, Rn. 17[]
  11. BAG 27.11.2008 – 8 AZR 1021/06, Rn. 49; 24.07.2008 – 8 AZR 1020/06, Rn. 49[]
  12. BAG 7.03.2001 – GS 1/00, BAGE 97, 150[]

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