Ein Richter ist in der Revisionsinstanz nicht deshalb von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen, weil er erstinstanzlich – als Richter am Arbeitsgericht – die Güteverhandlung durchgeführt und in Vorbereitung des darauf anberaumten Kammertermins prozessleitende Maßnahmen ergriffen, insbesondere einen Beweisbeschluss erlassen hat.

Gemäß § 41 Nr. 6 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes in Sachen ausgeschlossen, in denen er in einem früheren Rechtszug bei Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt. Dieser Ausschließungsgrund liegt nach Ansicht des Bundesarbeitsgericht im geschilderten Fall nicht vor. Frau Richterin am Bundesarbeitsgericht R. hat zwar in dem erstinstanzlichen Verfahren mitgewirkt, nicht aber bei dem Erlass der Entscheidung, deren Abänderung der Kläger mit seiner Revision erstrebt.
Nach seinem Wortlaut greift § 41 Nr. 6 ZPO nur ein, wenn der Richter gerade „beim Erlass der angefochtenen Entscheidung“ mitgewirkt hat. Ihrem inneren Grund entsprechend ist die Vorschrift zwar auch dann anzuwenden, wenn der Richter an einer dem angefochtenen Urteil vorausgehenden und von diesem bestätigten Entscheidung mitgewirkt hat1. Dass der Richter ohne Beteiligung an der in diesem Sinne „angefochtenen Entscheidung“ mit der Sache befasst war, reicht aber nicht aus. Das gilt insbesondere für seine Mitwirkung bei einem Beweisbeschluss2.
Das geltende Verfahrensrecht ist von dem Gedanken geprägt, dass ein Richter auch dann unvoreingenommen an die Beurteilung einer Sache herantritt, wenn er sich schon früher über denselben Sachverhalt ein Urteil gebildet hat. Dem verfassungsrechtlichen Gebot, Neutralität und Distanz des Richters auch in Fällen der Vorbefasstheit abzusichern, in denen er nicht unmittelbar an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, ist hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass bei gegebenem Anlass die Möglichkeit einer Richterablehnung nach den §§ 42 ff. ZPO besteht3. Ein dahingehendes Gesuch hat der Kläger nicht angebracht.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Dezember 2010 – 2 AZR 963/08