Der Geschäftsführer als ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht – und seine Kündigung

Während der Amtszeit als ehrenamtlicher Richter im Land Brandenburg ist eine Kündigung oder Entlassung nur zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber oder Dienstherren zur fristlosen Kündigung berechtigen, Art. 110 Abs. 1 Satz 2 BbgVerf. Eine GmbH-Geschäftsführerin, die nicht Arbeitnehmerin ist, fällt jedoch nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich der Norm. Ihre Kündigung ist daher nicht nach Art. 110 Abs. 1 Satz 2 BbgVerf iVm. § 134 BGB nichtig. 

Der Geschäftsführer als ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht – und seine Kündigung

Art. 110 Abs. 1 Satz 2 BbgVerf erfasst nicht die Kündigung eines Anstellungsverhältnisses von Geschäftsführern einer GmbH, die nicht auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags tätig werden. Dies folgt für das Bundesarbeitsgericht aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Verfassungsnorm.

Schon ihr Wortlaut spricht für die Annahme, dass der Sonderkündigungsschutz nur Arbeitnehmern und Personen, die in einem öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnis stehen, eingeräumt werden soll. Zwar beinhaltet die Wendung „Kündigung oder Entlassung“ für sich genommen keine Einschränkung auf bestimmte Formen eines Rechtsverhältnisses. Die Norm richtet sich aber an „Arbeitgeber“ und „Dienstherren“. Mit dem Begriff „Arbeitgeber“ ist der nunmehr auch in § 611a Abs. 2 BGB genannte Vertragspartner des Arbeitnehmers gemeint. Die Bezeichnung „Dienstherr“ wird regelmäßig nicht bei freien Dienstverhältnissen verwendet. In § 611 BGB ist sie nicht enthalten. Stattdessen nennt das Bürgerliche Gesetzbuch den Vertragspartner des zur Dienstleistung Verpflichteten „Dienstberechtigten“ (vgl. § 615 Satz 1, § 617 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 618 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3, § 619, § 627 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2, § 629 BGB). Die Formulierung „Dienstherr“ ist dagegen typisch für öffentlich-rechtliche Beschäftigungsverhältnisse (vgl. zB § 3 Abs. 1 BeamtStG, § 126 Abs. 2 BRRG, § 4 BBG, § 24 SG, § 3 DRiG, § 9 Abs. 2 ArbPlSchG).

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Der Verfassungsgeber des Landes Brandenburg hat sich bei Art. 110 Abs. 1 BbgVerf, der die Position der Laienrichter stärken sollte, an die Regelung in § 39 Abs. 3 Richtergesetz der DDR vom 05. Juli 19901 angelehnt, um die Kontinuität der Strukturen zu wahren, die sich in der Wendezeit entwickelt hatten2. § 39 Abs. 3 Satz 2 Richtergesetz der DDR betraf allein die Kündigung durch einen Arbeitgeber. Auch aus den Gesetzesmaterialien3 ergibt sich kein Hinweis darauf, dass eine Erweiterung des verfassungsrechtlichen Bestandsschutzes auf freie Dienstverhältnisse beabsichtigt war.

Zudem bedingt der Normzweck von Art. 110 Abs. 1 Satz 2 BbgVerf nicht, dass das Anstellungsverhältnis eines GmbH-Geschäftsführers, der nicht auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags beschäftigt wird; vom Kündigungsverbot erfasst wird. Die Vorschrift soll insbesondere die Umgehung des allgemeinen Kündigungsschutzes durch vorgeschobene Kündigungsgründe verhindern4. Soweit aber von vornherein – wie im Fall eines freien Dienstverhältnisses – kein Schutz vor ordentlichen Kündigungen besteht und deren Wirksamkeit nicht von Kündigungsgründen abhängig ist, kann der Gedanke des Umgehungsschutzes keine Rolle spielen.

Die Kündigung fällt auch  nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der § 26 Abs. 1 ArbGG bzw. § 45 Abs. 1a Satz 3 DRiG, sofern nicht ein (versteckter) Zusammenhang zwischen Richtertätigkeit und Kündigung hat das Landesarbeitsgericht besteht. Die Kündigung ist in diesem Fall auch nicht gem. § 26 Abs. 1 ArbGG bzw. § 45 Abs. 1a Satz 3 DRiG jeweils iVm. § 134 BGB nichtig.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11. Juni 2020 – 2 AZR 374/19

  1. GBl. I S. 637[]
  2. vgl. Postier/Lieber in Simon/Franke/Sachs Handbuch der Verfassung des Landes Brandenburg § 19 Rn. 19; Lieber in Lieber/Iwers/Ernst Verfassung des Landes Brandenburg Art. 110 S. 673; Eylert FS Bepler 2012 S. 145, 150[]
  3. vgl. Landtag Brandenburg, Ausschussprotokoll V 1/UA II/8 vom 13. Mai 1991 S. 10[]
  4. vgl. Postier/Lieber in Simon/Franke/Sachs Handbuch der Verfassung des Landes Brandenburg § 19 Rn. 21 f.; Lieber in Lieber/Iwers/Ernst Verfassung des Landes Brandenburg Art. 110 Anm. 2 S. 674; Eylert FS Bepler 2012 S. 145, 150[]