Der Konkurrenzverstoß des Arbeitnehmers – und die Kenntnis des Arbeitgebers

Die dreimonatige Frist für die Verjährung von Ansprüchen wegen einer Verletzung des Wettbewerbsverbots nach § 60 Abs. 1 HGB beginnt über den Wortlaut des § 61 Abs. 2 HGB hinaus auch mit der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Arbeitgebers davon, dass der Arbeitnehmer ein konkurrierendes Handelsgewerbe betreibt.

Der Konkurrenzverstoß des Arbeitnehmers – und die Kenntnis des Arbeitgebers

Nach § 60 Abs. 1 HGB darf ein Handlungsgehilfe ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweig des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. Der Prinzipal kann bei einer Verletzung dieser Verpflichtung nach § 61 Abs. 1 HGB Schadensersatz fordern. Stattdessen kann er verlangen, dass der Handlungsgehilfe die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgibt oder den Vergütungsanspruch abtritt. Die Vorschriften der §§ 60, 61 HGB gelten während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses in gleicher Weise für andere Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers ohne dessen Einwilligung Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen. Allerdings darf der Arbeitnehmer, wenn kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten. Verboten ist es jedoch, eine werbende Tätigkeit aufzunehmen, zB durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden oder Arbeitnehmern. Bloße Vorbereitungshandlungen, die in die Interessen des Arbeitgebers nicht unmittelbar eingreifen, erfüllen diese Voraussetzungen nicht1.

Derjenige, der einem anderen gegenüber vertraglich verpflichtet ist, Wettbewerb zu unterlassen, schuldet ihm Auskunft, sobald er in ausreichendem Umfang Anlass gegeben hat zu vermuten, er habe seine Vertragspflicht verletzt2.

Es ist anerkannt, dass nach Treu und Glauben Auskunftsansprüche bestehen können. Dafür müssen es die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über den bestehenden Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die Auskunft unschwer geben kann, die erforderlich ist, um die Ungewissheit zu beseitigen. Zudem darf die Darlegungs- und Beweissituation im Prozess durch materiell-rechtliche Auskunftsansprüche nicht unzulässig verändert werden3. Ein billigenswertes Interesse an einer Auskunft kann zB bestehen, wenn sie erforderlich ist, um einen Leistungsanspruch, wie zB einen Anspruch auf Schadensersatz, geltend zu machen.

Die für einen Auskunftsanspruch erforderliche Sonderrechtsbeziehung kann ua. auf einer vertraglichen Beziehung der Beteiligten beruhen4.

Die unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben begründete Auskunftspflicht setzt im Regelfall außerdem voraus, dass ein Leistungsanspruch dem Grund nach feststeht.

Gemeint ist damit, dass derjenige, der Auskunft fordert, durch das Verhalten desjenigen, von dem er Auskunft verlangt, bereits in seinem bestehenden Recht so betroffen sein muss, dass für ihn nachteilige Folgen eintreten können, wenn die Auskunft nicht erteilt wird. Soll die begehrte Auskunft einen vertraglichen Anspruch belegen, muss er allerdings nicht bereits dem Grund nach feststehen. Vielmehr genügt der begründete Verdacht einer Vertragspflichtverletzung. Ist ein Vertragspartner auf die Information durch den anderen angewiesen, um Einwendungen zu begründen, genügt die Wahrscheinlichkeit, dass die Einwendung begründet ist5.

Im Bereich des Wettbewerbsrechts ist umstritten, welcher Grad der Überzeugung gegeben sein muss, dass sich die in Anspruch genommene Person wettbewerbswidrig verhalten hat.

Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat es für einen Auskunftsanspruch genügen lassen, wenn ein Arbeitnehmer Anlass oder erheblichen Anlass zu der Vermutung gegeben hat, er habe entgegen seiner Vertragspflicht Wettbewerb betrieben6. Aufgrund der Sonderbeziehung genüge eine recht geringe Wahrscheinlichkeit für die Wettbewerbsverletzung7.

Ein Teil der Literatur verlangt ebenfalls einen begründeten Anlass8. Manche Autoren sprechen sich für einen erheblichen Anlass aus9. Andere Stimmen befürworten eine geringe Wahrscheinlichkeit10. Nach anderer Auffassung setzt der Auskunftsanspruch voraus, dass der Arbeitgeber eine hohe Wahrscheinlichkeit der Konkurrenztätigkeit darlegt11. Noch weiter geht die Ansicht, die verlangt, der Richter müsse überzeugt sein, dass die Voraussetzungen des haftungsbegründenden Tatbestands erfüllt seien12.

Der Auskunftsanspruch erfordert zudem, dass der Auskunftsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und sich die notwendigen Informationen nicht selbst auf zumutbare Weise beschaffen kann. Das bedeutet, dass er zunächst alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternehmen muss, die Auskunft auf andere Weise zu erlangen. Für den Berechtigten darf kein anderer, näherliegender und leichterer Weg bestehen, um sein Informationsdefizit zu beseitigen. Verschuldet handelt etwa, wer eine zuvor bestehende Informationsmöglichkeit nicht genutzt hat, obwohl sie sich aufgedrängt hat13.

Dem Anspruchsgegner muss es zumutbar sein, die Auskunft zu erteilen. Er muss sie unschwer erteilen können. Davon ist auszugehen, wenn die mit der Vorbereitung und Erteilung der Auskunft verbundenen Belastungen entweder nicht ins Gewicht fallen oder aber, obwohl sie beträchtlich sind, dem Schuldner in Anbetracht der Darlegungs- und Beweisnot des Gläubigers und der Bedeutung zumutbar sind und er hierdurch nicht unbillig belastet wird. Erforderlich ist eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls14.

Schließlich ist die gesetzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Prozess zu berücksichtigen. Die Darlegungs- und Beweissituation darf nicht unzulässig verändert werden, indem angenommen wird, materiell-rechtliche Auskunftsansprüche seien gegeben15.

Nach den dargestellten Maßstäben ist im hier entschiedenen Fall ein Auskunftsanspruch der Arbeitgeberin entstanden.

Die besondere persönliche Bindung der Vertragspartner im Arbeitsverhältnis stellt eine besondere Rechtsbeziehung dar. Aus dem Arbeitsverhältnis ergeben sich nach § 241 Abs. 2 BGB spezifische Pflichten, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils Rücksicht zu nehmen16.

Dahinstehen kann, welcher Grad der Überzeugung gegeben sein muss, um einen Auskunftsanspruch im Wettbewerbsrecht bejahen zu können. Das Landesarbeitsgericht hat in nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass der Arbeitnehmer während des bestehenden Arbeitsverhältnisses ohne Einwilligung seines Arbeitgebers in dessen Handelszweig ein Handelsgewerbe betrieben hat (§ 60 Abs. 1 Alt. 1 HGB). Es war davon überzeugt, dass sich der Arbeitnehmer wettbewerbswidrig verhalten hat. Damit sind selbst nach der strengsten Auffassung die Voraussetzungen einer Auskunftspflicht erfüllt.

Ein Handelsgewerbe ist nach § 1 Abs. 2 HGB jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert. § 60 Abs. 1 HGB verbietet seinem Wortlaut nach den Betrieb eines Handelsgewerbes schlechthin, dh. unabhängig davon, in welchem Handelszweig der Arbeitgeber tätig ist. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es nicht darauf an, ob das Handelsgewerbe des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber Konkurrenz macht. Vor dem Hintergrund von Art. 12 Abs. 1 GG wird § 60 Abs. 1 Alt. 1 HGB nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verfassungskonform dahin eingeengt, dass dem Arbeitnehmer der Betrieb eines Handelsgewerbes nur verwehrt ist, wenn der Arbeitnehmer ein Handelsgewerbe im Handelszweig des Arbeitgebers betreibt mit der Folge, dass es für den Arbeitgeber in wettbewerblicher Hinsicht eine Gefahr bedeutet17.

Die Stellung als Gesellschafter einer GmbH führt nicht stets dazu, dass der Gesellschafter das Gewerbe der GmbH betreibt. Abweichendes kommt nach dem Zweck des § 60 Abs. 1 HGB erst in Betracht, wenn die gesellschaftsrechtliche Beteiligung einen maßgeblichen Einfluss auf den Geschäftsbetrieb eröffnet. Das ist bei der Bestellung zum Gesellschafter-Geschäftsführer regelmäßig der Fall18.

Das Landesarbeitsgericht Hamm19 hat in der Vorinstanz zu Recht angenommen, dass in der Lieferung von Bandagen eine Konkurrenztätigkeit im Handelszweig der Arbeitgeberin des Arbeitnehmers liegt. Der Arbeitnehmer rechnete während des bestehenden Arbeitsverhältnisses über die B GmbH, deren Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer er ist, die Lieferung von Bandagen ab. Dabei handelte es sich um Aufträge für die K KG. Die Produkte waren auf deren Kosten produziert worden.

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Auch den Verkauf von Transportbändern über die B GmbH an eine ehemalige Kundin der K KG entsprechend der Rechnung vom 14.12.2011 hat das Landesarbeitsgericht zutreffend als Konkurrenztätigkeit gewertet und die Einlassung des Arbeitnehmers nicht für erheblich gehalten, die Transportbänder seien solche zweiter oder dritter Wahl gewesen.

 Dem Arbeitgeber soll sein Marktbereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen20. Bei dem Vertrieb gleicher oder gleichartiger Produkte handelt es sich grundsätzlich um eine Konkurrenztätigkeit. Gleiches gilt, wenn verschiedene Produkte am Markt ersetzbar sind. Eine Konkurrenztätigkeit wird regelmäßig auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die fraglichen Unternehmen in unterschiedlichen Preissegmenten tätig sind21.

Demnach unterfällt der Handel mit Transportbändern zweiter und dritter Wahl dem Wettbewerbsverbot. Die K KG war im Handel mit Riemen und Bändern für Antriebs- und Förderbänder tätig. Ob ein Transportband als Produkt der ersten, zweiten oder dritten Wahl einzustufen ist, betrifft die Qualität und damit das Preissegment des gleichen, wenn auch nicht desselben Produkts. Zumindest handelt es sich um ein entsprechendes Produkt. Der Handel mit Artikeln zweiter oder dritter Wahl gefährdete damit den Marktbereich der K KG, deren höherwertige Produkte in demselben Bereich eingesetzt werden konnten.

Die Arbeitgeberin ist in entschuldbarer Weise über die vom Arbeitnehmer mithilfe der B GmbH abgewickelten Geschäfte und die geflossenen Zahlungen im Ungewissen. Sie kann sich die notwendigen Informationen nicht selbst auf zumutbare rechtmäßige Weise beschaffen.

Sie hat keinen Überblick, wer Geschäftspartner des Arbeitnehmers und der B GmbH war, welche Geschäfte der Arbeitnehmer über die B GmbH im Geschäftssegment der K KG abschloss und welche Zahlungen er dafür erhielt.

Die Arbeitgeberin kann nicht darauf verwiesen werden, an ihre Kunden heranzutreten, um sich die erforderlichen Informationen zu beschaffen. Damit erhielte sie keinen vollständigen Überblick über die geschäftlichen Aktivitäten des Arbeitnehmers und der B GmbH. Es ist nicht auszuschließen, dass der Arbeitnehmer erfolgreich neue Kunden im wettbewerbsrechtlich geschützten Geschäftsbereich der Arbeitgeberin anwarb.

Auch der Überwachung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber oder einen Dritten sind rechtliche Grenzen gesetzt. Dabei handelt es sich um Datenverarbeitung, die nur in den Grenzen des § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig ist. Erforderlich ist der konkrete Verdacht einer schweren Pflichtverletzung. Zudem muss die Überwachung einer Überprüfung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes standhalten. Diese Voraussetzungen sind bei einer weitgehend „ins Blaue hinein“ durchgeführten Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht erfüllt22.

Der Arbeitnehmer kann die Auskunft unschwer geben, die erforderlich ist, um die Ungewissheit zu beseitigen. Als geschäftsführender Gesellschafter kennt er die von der B GmbH abgewickelten Geschäfte sowie die an sie und an ihn selbst geflossenen Zahlungen. Der Arbeitnehmer hat keine schützenswerten eigenen Interessen oder solche der B GmbH vorgetragen, diese Informationen gegenüber der Arbeitgeberin nicht offenlegen zu müssen.

Ein Auskunftsanspruch führt nicht dazu, dass die Darlegungs- und Beweissituation im Prozess unzulässig verändert wird. Die Anforderungen an den Arbeitgeber, einen Wettbewerbsverstoß schlüssig darzulegen, sind schon im Ausgangspunkt nicht hoch. Es reicht bereits aus, wenn der Arbeitgeber vorträgt, der Arbeitnehmer habe vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses Verträge mit Kunden des Arbeitgebers geschlossen. Der Arbeitgeber muss nicht vortragen, unter welchen näheren Umständen die Vertragsschlüsse zustande kamen. Er hat auch nicht darzulegen, dass er Aussichten hatte, die vom Arbeitnehmer an sich gezogenen Verträge selbst zu schließen. Ebenso wenig muss er vortragen, mit der Konkurrenztätigkeit nicht einverstanden gewesen zu sein23. Andererseits lassen sich Ansprüche auf Schadensersatz aus § 61 Abs. 1 Halbs. 1 HGB mit den Informationen über abgeschlossene Geschäfte und zugeflossene Zahlungen allein nicht begründen. Der Geschädigte muss mit Blick auf den eingetretenen Schaden die Umstände darlegen und in den Grenzen des § 287 ZPO beweisen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls ergibt, dass ein Gewinn wahrscheinlich ist. Greifbare Anknüpfungstatsachen, die für eine Schadensschätzung unabdingbar sind, muss der Geschädigte im Regelfall vortragen und beweisen24.

Die Auskunftsansprüche der Arbeitgeberin sind jedoch nach § 61 Abs. 2 Halbs. 1 HGB verjährt. Die Arbeitgeberin hatte spätestens Ende Juni 2013 grob fahrlässig keine Kenntnis vom Betrieb eines konkurrierenden Handelsgewerbes durch den Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer ist daher nach § 214 Abs. 1 BGB berechtigt, die Leistung zu verweigern.

Nach § 61 Abs. 2 Halbs. 1 HGB verjähren die Ansprüche aus § 61 Abs. 1 HGB in drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in welchem der Prinzipal Kenntnis von dem Abschluss des Geschäfts erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Sie verjähren ohne Rücksicht auf diese Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis nach § 61 Abs. 2 Halbs. 2 HGB in fünf Jahren von dem Abschluss des Geschäfts an. § 61 Abs. 1 Halbs. 1 HGB regelt, dass der Prinzipal Schadensersatz fordern kann, wenn der Handlungsgehilfe die ihm nach § 60 HGB obliegende Verpflichtung verletzt. Er kann nach § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB stattdessen verlangen, dass der Handlungsgehilfe die für eigene Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung des Prinzipals eingegangen gelten lasse und die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgebe oder seinen Anspruch auf die Vergütung abtrete. Auch Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung unterfallen der kurzen Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 Halbs. 1 HGB25.

Die Verjährungsfrist von drei Monaten nach § 61 Abs. 2 Halbs. 1 HGB wird auch ausgelöst, wenn der Prinzipal Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis davon hat, dass der Handlungsgehilfe ein Handelsgewerbe betreibt. Für den Fristbeginn ist nicht allein auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis eines konkreten Einzelgeschäfts abzustellen. Das ergibt die Auslegung von § 61 Abs. 2 Halbs. 1 HGB.

Die Frage, wann die Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 Halbs. 1 HGB zu laufen beginnt, ist im Schrifttum umstritten.

Ein Teil der Literatur ist der Ansicht, dass die Verjährungsfrist in den Fällen, in denen der Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot in dem Betreiben eines Handelsgeschäfts besteht, mit der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Arbeitgebers von diesem Betreiben zu laufen beginnt. Der Arbeitgeber muss nicht erst Kenntnis oder – seit 2004 – grob fahrlässige Unkenntnis von den einzelnen getätigten Geschäften haben26. Das rechtfertige sich daraus, dass der Arbeitgeber eine Stufenklage mit Auskunftsbegehren erheben und dadurch die Verjährung hemmen könne27. Der Arbeitgeber müsse auch bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis eines konkurrierenden Handelsgewerbes nach dem Willen des Gesetzgebers schnell reagieren28.

Nach anderer Auffassung beginnt die dreimonatige Verjährungsfrist erst mit der Kenntnis oder – seit 2004 – mit der grob fahrlässigen Unkenntnis von den einzelnen getätigten Geschäften zu laufen29. Dafür sprächen der Wortlaut und der Gesichtspunkt, dass die nach § 61 Abs. 1 HGB in Betracht kommenden Ansprüche idR erst mit der unerlaubten Geschäftstätigkeit im Rahmen des betriebenen Handelsgewerbes entstehen könnten und bezifferbar würden. Davon gehe auch der Gesetzgeber aus, wie das Eintrittsrecht deutlich mache30. Sofern § 60 Abs. 1 Alt. 2 HGB im Vergleich zu § 60 Abs. 1 Alt. 1 HGB als Auffangtatbestand anzusehen sei, könne nur die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von dem jeweils abgeschlossenen Geschäft maßgebend sein31. Die gegenteilige Auffassung sei auch deshalb abzulehnen, weil sie im Ergebnis zu einer Fiktion der Einwilligung des Arbeitgebers zum Betrieb eines Handelsgewerbes durch den Arbeitnehmer führe. Immer dann, wenn der Prinzipal drei Monate lang wisse – oder seit 2004 grob fahrlässig nicht wisse, dass der Arbeitnehmer entgegen dem Verbot von § 60 Abs. 1 HGB ein Handelsgewerbe betreibe und dagegen gerichtlich nicht vorgehe, werde er im Hinblick auf seine Rechte aus § 61 Abs. 1 HGB so gestellt, als hätte er in das Betreiben des Handelsgewerbes des Arbeitnehmers eingewilligt. Das gelte ohne Rücksicht darauf, welche Geschäfte der Arbeitnehmer in Zukunft in diesem Zusammenhang noch abschließen werde32.

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Die Rechtsprechung hat die durch den Streitfall aufgeworfene Rechtsfrage bislang nicht tragend beantwortet.

Bereits das Reichsgericht hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die dreimonatige Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB auch für den Anspruch des Prinzipals gegen den Handlungsgehilfen auf Unterlassung eines eigenen Gewerbebetriebs oder eigener Geschäftsabschlüsse im Handelszweig des Prinzipals anzuwenden ist. Diese Frage, die nicht völlig deckungsgleich mit der hier zu beantwortenden Frage ist, hat das Reichsgericht bejaht. Hinsichtlich des Beginns der Frist hat es zunächst § 198 BGB aF angesprochen, wonach die Frist ungeachtet einer Kenntnis bereits ab der Zuwiderhandlung zu laufen beginne. Mit Rücksicht auf § 61 Abs. 2 HGB sei es aber „geboten, diese Frist, wie bei den Schadensersatzansprüchen, so auch im vorliegenden Falle erst von dem Zeitpunkte ab zu berechnen, wo der Prinzipal von der Beteiligung des Gehilfen an der von demselben gegründeten Gesellschaft und an deren Betrieb Kenntnis erhalten hat“. Dafür spreche auch die Vorschrift des § 113 Abs. 3 HGB „bei dem gleichartigen Verhältnis des rechtswidrigen Eintritts eines Gesellschafters in eine andere Handelsgesellschaft“. Unbegründet sei der Einwand, dass es für den Beginn der Verjährung lediglich auf den Abschluss bestimmter Einzelgeschäfte ankomme und sich die Verjährungsfrist mit deren Vornahme fortwährend erneuere. Mit der Verjährung des Unterlassungsanspruchs, der seiner Natur nach bei eingetretener Verjährung nicht nochmals erhoben werden könne, sei eine weitere Klage auf Unterlassung dieses Handelsgeschäfts und der damit zusammenhängenden Geschäfte ausgeschlossen33.

Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Frage im Jahr 1970 offengelassen, sich jedoch deutlich zugunsten der Auffassung ausgesprochen, dass es für den Beginn der Verjährung auf den Betrieb des Handelsgewerbes ankomme. Er hat ausgeführt, eine Beschränkung der kurzen Verjährungsfrist auf die zweite Alternative des § 60 Abs. 1 HGB sei unverständlich. Auch das Reichsgericht behandle die beiden Tatbestände des § 60 Abs. 1 HGB in der Verjährungsfrage – wie selbstverständlich – gleich. Deshalb sei anzunehmen, dass es sich um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers handle34.

Die vom Landesarbeitsgericht zitierte Entscheidung des Zehnten Bundesarbeitsgerichts des Bundesarbeitsgerichts behandelt die umstrittene Frage nicht tragend. Der Entscheidung lässt sich nicht abschließend entnehmen, dass der Beginn der Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 Halbs. 1 HGB bereits mit der Kenntnis des Betreibens eines Handelsgewerbes im Handelszweig des Arbeitgebers beginnt und nicht erst mit der Kenntnis konkreter einzelner Geschäfte35.

Die am gesetzgeberischen Willen und Gesetzeszweck orientierte Auslegung von § 61 Abs. 2 HGB spricht dafür, dass die dort geregelte Dreimonatsfrist unabhängig von der Kenntnis oder der grob fahrlässigen Unkenntnis konkreter Geschäfte schon mit der Kenntnis oder der grob fahrlässigen Unkenntnis vom Betreiben eines Handelsgewerbes zu laufen beginnt.

Der Wortlaut von § 61 Abs. 2 Halbs. 1 HGB spricht zunächst für die gegenteilige Auffassung36. Die Formulierung „von dem Abschluss des Geschäfts“ deutet auf das Eingehen eines konkreten Vertrags hin, der „abgeschlossen“ wird. Das Betreiben eines Handelsgewerbes als solches wird nicht erwähnt. Es ist auch nicht angedeutet. Eine allgemeinere Formulierung wie „Kenntnis von dem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot“ ist nicht gewählt.

Ein solches Auslegungsergebnis wird durch die Systematik des Gesetzes zumindest gestützt.

§ 113 Abs. 3 HGB enthält eine entsprechend ausgestaltete Regelung wie § 61 Abs. 2 HGB im Hinblick auf die Verjährung von Ansprüchen der OHG gegen einen Gesellschafter, der gegen das Wettbewerbsverbot aus § 112 HGB verstößt. Nach dieser Vorschrift darf ein Gesellschafter ohne Einwilligung der anderen Gesellschafter weder in dem Handelszweig der Gesellschaft Geschäfte machen noch an einer anderen gleichartigen Handelsgesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter teilnehmen. § 113 Abs. 3 Halbs. 1 HGB bestimmt, dass die aus dem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot folgenden Ansprüche in drei Monaten von dem Zeitpunkt an verjähren, in welchem die übrigen Gesellschafter von dem Abschluss des Geschäfts oder von der Teilnahme des Gesellschafters an der anderen Gesellschaft Kenntnis erlangen oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssten. Der Gesetzgeber hat die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis beider Arten des Wettbewerbsverstoßes hier ausdrücklich dem kurzen Verjährungsregime unterstellt. Der Umkehrschluss für § 61 Abs. 2 HGB, dass die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Betreibens eines Handelsgewerbes, anders als das Geschäftemachen, nicht die dreimonatige Verjährungsfrist auslöst, liegt nahe.

Dagegen ist es nicht zwingend, aus der Eigenschaft von § 60 Abs. 1 Alt. 2 HGB als Auffangtatbestand zu § 60 Abs. 1 Alt. 1 HGB zu schließen, dass nur die Kenntnis oder die grob fahrlässige Unkenntnis von dem jeweils abgeschlossenen Geschäft maßgebend sein könne. Es ist schon streitig, ob es sich bei § 60 Abs. 1 Alt. 2 HGB tatsächlich um einen Auffangtatbestand handelt37. Selbst wenn das zuträfe, spräche nichts dagegen, auf den „genuinen“ Tatbestand des Wettbewerbsverstoßes dasselbe Verjährungsregime anzuwenden wie auf den Auffangtatbestand.

Wird die Gesetzesgeschichte berücksichtigt, spricht der im Gesetz ausgedrückte Wille des jetzigen Gesetzgebers dafür, dass die Verjährungsfrist auch dann beginnt, wenn der Prinzipal Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Betrieb eines Handelsgewerbes durch den Handlungsgehilfen hat.

Bei Schaffung des Handelsgesetzbuchs orientierte sich der Gesetzgeber an den Regelungen im ADHGB38. Die Verjährungsvorschrift für Ansprüche des Prinzipals bei Wettbewerbsverstößen des Handlungsgehilfen beruhte auf der Regelung des Verjährungsrechts bei Wettbewerbsverstößen des OHG-Gesellschafters nach Art. 97 Abs. 2 ADHGB. Sie knüpfte den Beginn der Verjährung an die Kenntnis vom Abschluss des Geschäfts39.

Der Gesetzgeber des jetzigen Handelsgesetzbuchs knüpft den Verjährungsbeginn demgegenüber an den Wettbewerbsverstoß.

Mit dem Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 09.12.2004 wurde ua. § 61 Abs. 2 HGB geändert und um die grob fahrlässige Unkenntnis des Prinzipals neben dessen Kenntnis ergänzt40. In der Entwurfsbegründung ist ausgeführt, dass Wettbewerbsverbote einer im Übrigen marktwirtschaftlich orientierten Rechtsordnung widersprächen. Sie seien mit Blick auf § 1 GWB daher nur zu akzeptieren, soweit sie für den Bestand des vor Wettbewerb zu schützenden Rechtsinstituts (Handelsgewerbe, Handelsgesellschaften) erforderlich seien. Habe der Berechtigte innerhalb von drei Monaten ab Kenntnis des Wettbewerbsverstoßes bzw. innerhalb von fünf Jahren ab Begehung des Wettbewerbsverstoßes nichts unternommen, spreche vieles dafür, dass der Berechtigte des Schutzes vor Wettbewerb nicht länger bedürfe. Die kürzeren Fristen des § 61 Abs. 2 HGB seien daher beizubehalten41. Der Rechtsausschuss hat in seiner Beschlussempfehlung vom 27.10.2004 in diesem Zusammenhang keine Änderungen angemahnt42.

Bereits das Betreiben eines Handelsgewerbes stellt einen Wettbewerbsverstoß dar. Deshalb ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber – seinem ordnungspolitisch ausgerichteten Ansatz entsprechend – für die Kenntnis oder die grob fahrlässige Unkenntnis des Berechtigten auch auf das Betreiben des Handelsgewerbes und nicht allein auf das konkrete Einzelgeschäft abstellen wollte. Der im Wortlaut und in der Gesetzesgeschichte ausgedrückte Wille des Gesetzgebers zeigt, dass er davon ausgegangen ist, der Wettbewerbsschutz könne entfallen, wenn der Berechtigte den Wettbewerbsverstoß bewusst oder grob fahrlässig unbewusst hingenommen habe. Dem liegt die Erwartung zugrunde, dass Kaufleute in kaufmännischer Art und Weise handeln.

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Gestützt wird dieser Auslegungsansatz durch die Entwurfsbegründung zu der Parallelvorschrift des § 113 Abs. 3 HGB. Auch dort ist vorgesehen, dass Ansprüche aufgrund des Wettbewerbsverstoßes eines OHG-Gesellschafters einer dreimonatigen Verjährung unterliegen. Allerdings stellt der Wortlaut des § 113 Abs. 3 HGB für den Beginn der Verjährung neben dem Abschluss eines Geschäfts auch auf die Teilnahme des Gesellschafters an der anderen Gesellschaft ab. In den Materialien wird jedoch auf die Begründung zu § 61 Abs. 2 HGB verwiesen, um zu erläutern, weshalb die Verjährungsfristen in § 113 Abs. 3 HGB beibehalten werden43. Darin kommt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber von einem einheitlichen Verständnis für den Beginn der Verjährung – den Wettbewerbsverstoß – ausgegangen ist. Sachgründe, den Handlungsgehilfen oder den Arbeitnehmer schlechter zu behandeln als den OHG-Gesellschafter, sind nicht ersichtlich44. Vielmehr spricht die strukturelle Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers dafür, ihn mindestens genauso zu behandeln wie den Gesellschafter einer OHG. Daher ist von einem Redaktionsversehen auszugehen, wenn § 61 Abs. 2 HGB für den Verjährungsbeginn nicht ausdrücklich an das Betreiben eines Handelsgewerbes anknüpft.

Vor allem der Zweck des § 61 Abs. 2 HGB verlangt, für den Beginn der Verjährung auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Betreiben eines Handelsgewerbes abzustellen. Die in § 61 Abs. 2 HGB geregelte kurze Verjährungsfrist soll sicherstellen, dass Ansprüche, die aus einem Verstoß gegen die Pflicht folgen, Wettbewerb zu unterlassen, rasch bereinigt werden45. Das spricht dafür, den Fristbeginn möglichst frühzeitig, also schon mit der Kenntnis vom Betreiben eines Handelsgewerbes festzulegen. Ein Schaden lässt sich zwar oft erst aufgrund der einzelnen Geschäftsabschlüsse beziffern. Der Prinzipal muss nach dem Willen des Gesetzgebers bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis eines konkurrierenden Handelsgewerbes aber schnell reagieren. Durch Ansprüche auf Unterlassung und Auskunft sowie die mögliche Stufenklage ist er hinreichend geschützt46. Damit geht eine Einwilligungsfiktion einher. Sie entspricht jedoch dem gesetzgeberischen Ziel47.

Dem mithilfe des gesetzgeberischen Willens und des Zwecks der Vorschrift ermittelten Inhalt steht der Wortlaut des § 61 Abs. 2 HGB nicht entgegen. Von ihm kann ausnahmsweise abgewichen werden, wenn der erkennbare Wille des Gesetzgebers und der Gesetzeszweck eine abweichende Auslegung nicht nur nahelegen, sondern verlangen48. Aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts liegt darin entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin keine richterliche Rechtsfortbildung, die mit Art. 2 Abs. 1 iVm. Art.20 Abs. 3 GG unvereinbar ist.

Die Anwendung und Auslegung der Gesetze durch die Gerichte steht mit dem Rechtsstaatsprinzip in Einklang, wenn sie sich in den Grenzen vertretbarer Auslegung und zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung bewegt. Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet iVm. Art.20 Abs. 3 GG den einzelnen Grundrechtsträgern, dass ihnen gegenüber ergehende Entscheidungen diesen Anforderungen genügen49.

Zu den Aufgaben der Rechtsprechung gehört die Rechtsfortbildung. Sie darf jedoch nicht dazu führen, dass die Gerichte ihre eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen. Die Gerichte dürfen sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen, sondern müssen die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren. Um zu bestimmen, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt neben Wortlaut und Systematik den Gesetzesmaterialien, insbesondere der Begründung eines Gesetzentwurfs, der unverändert verabschiedet worden ist, eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu. Die Beachtung des klar erkennbaren Willens des Gesetzgebers ist Ausdruck demokratischer Verfassungsstaatlichkeit. Dies trägt dem Grundsatz der Gewaltenteilung nach Art.20 Abs. 2 Satz 2 GG Rechnung. Eine Interpretation, die sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein50.

Deshalb kommt es für die Auslegung einer Norm entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht allein auf den Wortlaut an. Eine Bestimmung muss vielmehr in ihrem Gesamtzusammenhang unter Berücksichtigung auch der Entstehungsgeschichte, der Systematik und des Zwecks verständig gewürdigt werden51. Die Auffassung, ein Richter verletze seine Gesetzesbindung nach Art.20 Abs. 3 GG durch jede Auslegung, die nicht im Wortlaut des Gesetzes vorgegeben ist, umreißt die Aufgabe der Rechtsprechung zu eng. Art.20 Abs. 3 GG verpflichtet die Gerichte, „nach Gesetz und Recht“ zu entscheiden. Eine bestimmte Auslegungsmethode oder eine reine Wortinterpretation schreibt die Verfassung nicht vor. Der Wortlaut des Gesetzes zieht im Regelfall keine starre Auslegungsgrenze52. Gerade bei einem Redaktionsversehen kann eine berichtigende Auslegung erforderlich sein53.

Aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts entspricht die vorgenommene Auslegung diesen Anforderungen. Sie orientiert sich – wie ausgeführt – an dem in der Entwurfsbegründung zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers, dem Zweck der Vorschrift und ihrer Einbettung in das Gesamtgefüge der im Handelsgesetzbuch geregelten Wettbewerbsverbote.

Die Arbeitgeberin hatte spätestens Ende Juni 2013 grob fahrlässig keine Kenntnis von dem Betreiben eines Handelsgewerbes des Arbeitnehmers in ihrem Handelszweig. Die am 28.11.2013 beim Arbeitsgericht eingegangene und dem Arbeitnehmer am 4.12.2013 demnächst iSv. § 167 ZPO zugestellte Auskunftsklage konnte die dreimonatige Verjährungsfrist nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 BGB nicht mehr hemmen.

Das werbende Auftreten des Arbeitnehmers mittels der Homepage der B GmbH ist als Betreiben eines Handelsgewerbes iSv. § 60 Abs. 1 Alt. 1 HGB zu werten und stellt einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot dar. Insbesondere ist es nicht als bloße – wettbewerbsneutrale – Vorbereitungshandlung einzuordnen.

Ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart, darf der Arbeitnehmer schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten. Verboten ist jedoch, eine werbende Tätigkeit aufzunehmen, zB durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden oder Arbeitnehmern. Bloße Vorbereitungshandlungen, die in die Interessen des Arbeitgebers nicht unmittelbar eingreifen, erfüllen diese Voraussetzungen nicht54. Unzulässig sind Vorbereitungshandlungen, die schon als Teil der werbenden Tätigkeit aufzufassen sind, weil die Interessen des Unternehmens des Prinzipals bereits durch sie gefährdet werden55. Nach außen gerichtetes „Werben“ ist integraler Bestandteil des Gewerbebegriffs56.

Der Internetauftritt der B GmbH stellt schon eine werbende Tätigkeit in diesem Sinn dar.

Die Internetpräsenz war jedenfalls im Juni 2013 öffentlich zugänglich, so dass sie der Wirtschaftsprüfer der K KG bei Recherchen auffinden konnte. Auf ihr bewarb die B GmbH Produkte, die zum Portfolio der K KG gehörten.

Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin kommt es nicht darauf an, dass Angebote im Rechtssinn (§ 145 BGB) abgegeben werden. Werbendes Tätigwerden stellt regelmäßig kein Angebot im Rechtssinn dar, bei dem ein Vertragsschluss bereits durch bloße Annahmeerklärung eines Vertragspartners zustande kommen soll (§ 147 BGB). Da meistens der Wille fehlt, sich vertraglich zu binden, handelt es sich nur um eine Aufforderung, Vertragsanträge abzugeben (sog. invitatio ad offerendum). Ihr Sinn es ist, den potenziellen Vertragspartner über das eigene Waren- oder Leistungsangebot zu informieren und die grundsätzliche Vertragsbereitschaft zum Ausdruck zu bringen57.

Unerheblich ist ferner, ob die angepriesenen Waren oder Dienstleistungen „bereits tatsächlich verfügbar sind oder auch nur für die Zukunft Bestellungen aufgegeben werden können“. Das ist dem Internetauftritt der B GmbH nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts schon nicht zu entnehmen. Jedenfalls werden die Interessen des Unternehmens des Prinzipals unabhängig davon beeinträchtigt, ob der werbende Konkurrent leistungsfähig ist oder nicht. Selbst ein nur zum Schein betriebenes Gewerbe könnte das Gewerbe des Prinzipals beeinflussen58. Entgegen der von der Arbeitgeberin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht geäußerten Auffassung kommt es daher nicht darauf an, ob der Handlungsgehilfe mit seinem Handelsbetrieb tatsächlich Aufträge oder Bestellungen entgegengenommen hat. Ebenso wenig ist eine gewisse Basis an Betriebsmitteln zu verlangen. Gerade mit Blick auf betriebsmittelarme Unternehmen, die – wie der Arbeitnehmer mit der B GmbH – allein Handel betreiben und nicht selbst produzieren, ist eine solche Voraussetzung nicht zu rechtfertigen.

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Soweit die Arbeitgeberin anführt, der Erwerb einer Internetdomain und der Aufbau einer Homepage für eine künftige Geschäftstätigkeit seien Vorbereitungshandlungen, weil sie dem Vorgehen eines verständigen Existenzgründers entsprächen, übersieht sie, dass der Arbeitnehmer für die B GmbH über diese Akte deutlich hinausgegangen ist. Während der Erwerb einer Internetdomain und die Gestaltung einer Internetpräsenz, die noch nicht öffentlich zugänglich ist, regelmäßig zulässige Vorbereitungshandlungen darstellen, handelt es sich bei einer in das Internet eingestellten Seite, die von jedermann besucht werden kann und auf der ein Leistungsspektrum angepriesen wird, um eine nach außen wirkende, werbende Tätigkeit. Durch sie können die geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt werden59.

Die Arbeitgeberin kann sich für ihre gegenläufige Auffassung nicht auf die Erläuterungen im Erfurter Kommentar berufen60. Danach sei die „Werbung von Kunden“ als bloße Vorbereitungshandlung zu werten. Diese Annahme lässt sich jedenfalls nicht auf die dort zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stützen.

In einer der zitierten Entscheidungen führt der Zweite Bundesarbeitsgericht des Bundesarbeitsgerichts aus, das wirkliche Betreiben eines eigenen Handelsgewerbes als Handelsvertreter könne nicht angenommen werden, solange keine Tätigkeit entfaltet werde, die unmittelbar auf die Vermittlung von sofort oder später abzuwickelnden Geschäften oder auf den Abschluss derartiger Geschäfte im Namen des anderen Unternehmers gerichtet sei. Das Betreiben eines Handelsgewerbes durch den Handlungsgehilfen hat der Zweite Bundesarbeitsgericht abgelehnt, weil dessen Verhalten lediglich darauf ausgerichtet gewesen sei, einen Kunden „in einer allgemeinen Weise geneigt [zu] machen, auf derartige Angebote demnächst einzugehen“61. Davon zu unterscheiden ist das unzulässige Herantreten an Kunden des Prinzipals mit dem Ziel, sie für sich zu gewinnen.

In diesem Sinn ist die weitere zitierte Entscheidung ergangen. In ihr führt der Dritte Bundesarbeitsgericht des Bundesarbeitsgerichts aus, einem Angestellten, dem die Pflege des Kundenkreises seines Arbeitgebers als Vertragspflicht obliege, sei jede Gefährdung dieses Kundenkreises verwehrt. Die Gefährdung beginne aber schon dann, wenn durch vorbereitende Gespräche die Werbung um den Kunden eingeleitet werde. Verboten, weil über das Stadium der zulässigen Vorbereitungshandlung hinausgehend, seien demnach bereits solche Geschäfte, die wenigstens in abstrakter Weise geeignet seien, die Geschäftsinteressen des Prinzipals unmittelbar zu berühren. Solange er arbeitsvertraglich gebunden sei, müsse ein solcher Angestellter deshalb vermeiden, mit den Kunden seines Arbeitgebers im Interesse eines eigenen konkurrierenden Geschäfts Verbindung aufzunehmen62. Daraus lässt sich allerdings nicht in einer Art Umkehrschluss folgern, dass Arbeitnehmern, die nicht mit der Pflege des Kundenkreises betraut sind, Kundenwerbung in eigener Sache erlaubt ist.

Vielmehr ist die Schwelle von der zulässigen Vorbereitungshandlung zum unzulässigen Betrieb eines konkurrierenden Handelsgewerbes – unabhängig von der im Arbeitsverhältnis verrichteten Tätigkeit – jedenfalls dann überschritten, wenn der Arbeitnehmer an Kunden seines Arbeitgebers mit dem Ziel herantritt, den Kunden – auch zu einem späteren Zeitpunkt – für sich zu gewinnen. Ihre Grenze finden vorbereitende Maßnahmen dort, wo die geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt werden können. Das ist regelmäßig bei einer nach außen wirkenden werbenden Tätigkeit der Fall63. Damit sind auch Vorgespräche, die geführt werden, um Kunden anzuwerben, nicht mehr als Vorbereitungshandlung zulässig.

Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass sich die Arbeitgeberin grob fahrlässige Unkenntnis vom Betrieb des Handelsgewerbes durch den Arbeitnehmer vorwerfen lassen muss. Ihr ist zuzurechnen, dass die Geschäftsführerin grob fahrlässig keine Kenntnis hatte64.

Grob fahrlässige Unkenntnis ist gegeben, wenn die Unkenntnis auf einer besonders schweren Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt beruht. Das ist anzunehmen, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste. Das ist etwa dann anzunehmen, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat. Dem Gläubiger muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung, eine schwere Form von „Verschulden gegen sich selbst“, vorgeworfen werden können65. Die grob fahrlässige Unkenntnis bezieht sich ebenso wie die Kenntnis auf Tatsachen, auf alle Merkmale der Anspruchsgrundlage und bei der Verschuldenshaftung auf das Vertretenmüssen des Schuldners, wobei es auf eine zutreffende rechtliche Würdigung nicht ankommt. Es genügt, wenn dem Gläubiger aufgrund der ihm grob fahrlässig unbekannt gebliebenen Tatsachen zugemutet werden kann, zur Durchsetzung seiner Ansprüche gegen eine bestimmte Person aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos Klage – sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage, zu erheben66.

Das Verschulden und die einzelnen Arten des Verschuldens, insbesondere auch der Begriff der (groben) Fahrlässigkeit, sind Rechtsbegriffe, bei denen dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zukommt. Er ist vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist67. Um das Urteil eines Landesarbeitsgerichts aufzuheben, genügt es nicht, wenn im Streitfall eine andere Beurteilung als die des Landesarbeitsgerichts möglich wäre. Das gilt auch dann, wenn das Revisionsgericht, hätte es die Beurteilung des Verschuldensgrads selbst vorzunehmen, zu dem Ergebnis gekommen wäre, es sei von einem anderen Verschuldensgrad als dem vom Berufungsgericht angenommenen auszugehen68.

Nach diesen Grundsätzen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts Hamm69, die Arbeitgeberin habe spätestens seit Ende Juni 2013 grob fahrlässig keine Kenntnis von dem Betreiben eines Handelsgewerbes in ihrem Handelszweig durch den Arbeitnehmer gehabt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das Landesarbeitsgericht ist von dem zutreffenden Rechtsbegriff der grob fahrlässigen Unkenntnis ausgegangen.

Die wesentlichen Umstände des Falls hat es berücksichtigt. Es hat darauf abgestellt, dass der Geschäftsführerin spätestens am 20.06.2013 der Handelsregisterauszug der B GmbH vorlag, aus dem sich der Unternehmensgegenstand „Handel mit technischen Lederartikeln“ und die Geschäftsführerstellung des Arbeitnehmers ergaben. Ferner hat sich das Landesarbeitsgericht darauf gestützt, dass die Geschäftsführerin im Juni 2013 durch die Mitteilung des Wirtschaftsprüfers über die Existenz der Homepage der B GmbH unterrichtet war. Es hat in diesem Zusammenhang angenommen, bereits aus diesem Internetauftritt habe sich ergeben, dass die B GmbH im Schwerpunkt das gleiche Programm angeboten habe wie die K KG und der Schmuckvertrieb dazu lediglich ein „Anhängsel“ gewesen sei. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, es wäre einfach gewesen, den Internetauftritt der B GmbH und die Stellung des Arbeitnehmers als Geschäftsführer zur Kenntnis zu nehmen. Es hat zudem berücksichtigt, dass es der Geschäftsführerin zunächst nur darum gegangen sei, ihre persönliche Haftung für die Verbindlichkeiten der K KG zu begrenzen oder auszuschließen. Das Berufungsgericht hat die angeblichen Erklärungen des Arbeitnehmers gegenüber dem Wirtschaftsprüfer zu dem Zweck der B GmbH und zu deren Jahresergebnis 2011 einbezogen. Ebenso ist es darauf eingegangen, dass die Geschäftsführerin Recherchen auf dem benachbarten Betriebsgrundstück der B GmbH durchführen ließ, die ergaben, dass eine Produktionstätigkeit noch nicht aufgenommen worden war.

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Dem Landesarbeitsgericht sind bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm keine revisionsrechtlich erheblichen Fehler unterlaufen. Das Urteil ist nicht in sich widersprüchlich.

Mit Blick auf den Handelsregisterauszug und den Inhalt der Homepage, die für die Geschäftsführerin jeweils einfach zur Kenntnis zu nehmen gewesen wären, durfte das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise annehmen, der Geschäftsführerin hätte sich aufdrängen müssen, dass der Arbeitnehmer ein Konkurrenzunternehmen betrieb. Ausweislich des Internetauftritts der B GmbH bot sie die gleichen Produkte an wie die K KG und wurde somit werbend auf deren Markt tätig. Die zu den Akten gereichten Auszüge ließen auf ein gegenwärtig betriebenes Handelsgewerbe schließen. Einen Schluss darauf, dass es sich dabei lediglich um den Aufbau einer Internetpräsenz für ein noch nicht betriebenes Handelsgewerbe oder nur um ein Schmuckgewerbe handeln könnte, erlaubte die Homepage nicht. Umgekehrt hatte ihre Geschäftsführerin nach dem eigenen Vorbringen der Arbeitgeberin erkannt, dass in ihrem Unternehmen „etwas schiefläuft“. Daraufhin stellte der Wirtschaftsprüfer Recherchen über den Arbeitnehmer im Internet an und stieß auf die Verbindung zu der B GmbH. Das Landesarbeitsgericht durfte annehmen, dass die gedankliche Verbindung beider Umstände – der eigenen wirtschaftlichen „Schieflage“ und der Werbung über die B GmbH mit der gleichen Produktpalette im Internet – den Schluss auf eine Konkurrenztätigkeit letztlich aufdrängen musste. Da die beschwichtigenden Äußerungen des Arbeitnehmers gegenüber dem Wirtschaftsprüfer und dem Rechtsanwalt sowie die eigenen Schlussfolgerungen der Geschäftsführerin aufgrund der Recherchen auf dem Nachbargrundstück in deutlichem Widerspruch dazu standen, hat das Landesarbeitsgericht diesen Umständen keine ausschlaggebende Bedeutung bei der Beurteilung der grob fahrlässigen Unkenntnis beigemessen. Das hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.

Die Rüge der Arbeitgeberin, das Landesarbeitsgericht habe falsche Schlüsse gezogen, greift nicht durch. Sie verweist darauf, aus den Vorjahresbilanzen sei nicht zu folgern gewesen, dass ein Unternehmen seinen tatsächlichen Geschäftsgegenstand geändert habe, nun Konkurrenztätigkeit betreibe und Gewinne erziele. Diesen Schluss hat das Landesarbeitsgericht nicht gezogen. Es hat nur darauf abgestellt, dass die recherchierten Zahlen nicht aktuell gewesen seien. Der deutliche Widerspruch zum Handelsregisterauszug und zum aktuellen Internetauftritt sei damit nicht zu entkräften gewesen. Ein revisionsrechtlich erheblicher Fehler liegt darin nicht.

Das Berufungsgericht musste nicht deshalb keine grob fahrlässige Unkenntnis der Arbeitgeberin annehmen, weil die Ausführungen des Arbeitnehmers zu der Vorratsgesellschaft und dem Schmuckhandel der Geschäftsführerin plausibel erschienen. Die Arbeitgeberin stützt sich hierfür darauf, dass zum damaligen Zeitpunkt Verhandlungen über eine Übernahme der sog. Assets der K KG stattfanden und die Geschäftsräume der B GmbH noch leer waren. Das Landesarbeitsgericht hat diese Umstände gewichtet, sie jedoch nicht für derart schwerwiegend gehalten, dass sie den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit entfallen ließen.

Aufgrund des Umstands, dass die Geschäftsräume der B GmbH noch leer standen, wäre es für die Geschäftsführerin naheliegend gewesen anzunehmen, dass die Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers operativ aus ihren Geschäftsräumen heraus erfolgte. Eine zusätzliche Verschleierung der Konkurrenztätigkeit, die die Arbeitgeberin geltend macht und die den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit entfallen lassen soll, kann darin nicht gesehen werden.

Das Vorbringen, dass die Geschäftsführerin in geschäftlichen Dingen bis dato völlig unerfahren war, ist ein neuer Tatsachenvortrag in der Revisionsinstanz, der nach § 72 Abs. 5 ArbGG, § 559 Abs. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen ist. Unabhängig davon rechtfertigt er nicht, den Sorgfaltsmaßstab zu verringern. Als Alleinerbin der K KG war die Geschäftsführerin ab dem 18.05.2013 deren alleinige Inhaberin und damit Einzelkauffrau, von der eine entsprechende unternehmerische Sorgfalt verlangt werden konnte.

Der Arbeitgeberin war es auch zumutbar, Klage zu erheben, um ihre Ansprüche durchzusetzen.

Eine Stufenklage war nicht deshalb unzumutbar, weil die Arbeitgeberin aus ihrer Sicht mit einer wahrheitsgemäßen „Null-Auskunft“ rechnen musste, wenn sie auf der ersten Stufe die Auskunft über die mit der Homepage geworbenen Umsätze begehrt hätte. Nach dem Vortrag der Arbeitgeberin unterhielt der Arbeitnehmer seine Konkurrenztätigkeit nicht über die Homepage, sondern von seinem Arbeitsplatz bei der Arbeitgeberin aus. Mit Blick darauf wäre es für sie unschwer möglich gewesen, ihr Auskunftsbegehren nicht auf diejenigen Umsätze zu beschränken, die aufgrund der Internetpräsenz entstanden wären. Sie hätte es vielmehr – wie sie es letztlich auch getan hat – auf alle Umsätze richten können, die mit dem wettbewerbswidrigen Handel der jeweiligen Produkte erzielt wurden.

Keine andere Bewertung ergibt sich aus dem Argument der Arbeitgeberin, die Kenntnis der Internetpräsenz der B GmbH und des Handelsregisterauszugs hätten ihr keinerlei Erkenntnisse gebracht, um die Erfolgsaussichten einer Stufenklage abzuschätzen. Die Arbeitgeberin vermengt hier die Erfolgsaussichten einer möglichen Schadensersatzklage mit denen der Auskunftsklage. Eine Auskunftsklage ist auch dann erfolgreich, wenn sich aus der Auskunft ergibt, dass kein Leistungsanspruch besteht.

Dem Arbeitnehmer ist es nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf die Verjährung der Auskunftsansprüche zu berufen, weil er aus Sicht der Arbeitgeberin über seine Wettbewerbstätigkeit getäuscht hat.

Die Einrede der Verjährung zu erheben, kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn unredlich darauf hingewirkt wurde, dass Verjährung eintritt. Der Schuldner muss den Gläubiger nicht absichtlich davon abgehalten haben, Klage zu erheben. Es reicht aus, wenn der Schuldner durch sein Verhalten objektiv – sei es auch unabsichtlich – bewirkt, dass die Klage nicht rechtzeitig erhoben wird, und wenn die spätere Verjährungseinrede unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbar wäre. Insofern ist ein strenger Maßstab anzulegen70. Das Verhalten des Schuldners muss dafür ursächlich geworden sein, dass die Verjährungsfrist verstrichen ist, ohne dass der Gläubiger den Anspruch geltend gemacht hat71.

Die Darlegungs- und Beweislast für Tatumstände, aus denen sich nach Treu und Glauben die abweichende Rechtsfolge ergeben soll, trägt nach den allgemeinen Grundsätzen die begünstigte Partei72. Sie bezieht sich auch auf die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass das Verhalten des Schuldners kausal für die nicht rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung war73.

Diesen Maßstäben genügen die Behauptungen der Arbeitgeberin nicht. Sie hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergibt, eine mögliche Täuschung durch den Arbeitnehmer gegenüber dem Wirtschaftsprüfer und dem Rechtsanwalt der K KG über die Ausübung einer Konkurrenztätigkeit sei ursächlich dafür gewesen, dass die Arbeitgeberin ihre Auskunftsansprüche nicht rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht hat. Über die fehlende Darlegung hilft eine Vermutung aufklärungsgemäßen Verhaltens nicht hinweg. Beweisregeln ersetzen keinen Parteivortrag74.

Die erhobene Einrede der Verjährung führt dazu, dass auch die weiteren von der Arbeitgeberinverfolgten Ansprüche nicht durchsetzbar sind. Sie kann deswegen nicht verlangen, dass der Arbeitnehmer die Auskünfte belegt, ihre Richtigkeit und Vollständigkeit an Eides statt versichert und Schadensersatz leistet.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Februar 2021 – 10 AZR 8/19

  1. BAG 19.12.2018 – 10 AZR 233/18, Rn. 53, BAGE 165, 19[]
  2. vgl. BAG 12.05.1972 – 3 AZR 401/71, zu A I 1 a der Gründe[]
  3. vgl. BAG 27.05.2020 – 5 AZR 387/19, Rn. 31 mwN, BAGE 170, 327; 27.02.2019 – 10 AZR 340/18, Rn. 56, BAGE 166, 36[]
  4. BAG 27.05.2020 – 5 AZR 387/19, Rn. 33 mwN, BAGE 170, 327[]
  5. BAG 27.05.2020 – 5 AZR 387/19, Rn. 34 mwN, BAGE 170, 327[]
  6. BAG 11.12.1990 – 3 AZR 407/89, zu I 1 der Gründe mwN [„Anlass“]; 12.05.1972 – 3 AZR 401/71, zu A I 1 a der Gründe [„erheblicher Anlass“][]
  7. BAG 19.04.1967 – 3 AZR 347/66, zu II 4 der Gründe; bestätigt durch BAG 21.10.1970 – 3 AZR 479/69, zu 2 d der Gründe[]
  8. HWK/Diller 9. Aufl. HGB § 61 Rn. 10; BeckOK ArbR/Hagen Stand 1.12.2020 HGB § 61 Rn. 4; Schütte/Schlegel in Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath Arbeitsrecht 4. Aufl. HGB § 61 Rn. 3[]
  9. MünchKomm-HGB/Thüsing 5. Aufl. § 61 Rn. 26; Wagner/Vogt in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas HGB 5. Aufl. § 61 Rn. 21[]
  10. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 8. Aufl. Rn. 862[]
  11. ErfK/Oetker 21. Aufl. HGB § 61 Rn. 6; Schaub/Vogelsang ArbR-HdB 18. Aufl. § 54 Rn. 26; BeckOK HGB/Wetzel Stand 15.01.2021 § 61 Rn. 22[]
  12. Oetker/Kotzian-Marggraf HGB 6. Aufl. § 61 Rn. 6[]
  13. BAG 27.05.2020 – 5 AZR 387/19, Rn. 35 mwN, BAGE 170, 327[]
  14. BAG 27.05.2020 – 5 AZR 387/19, Rn. 36 mwN, BAGE 170, 327[]
  15. BAG 27.05.2020 – 5 AZR 387/19, Rn. 37 mwN, BAGE 170, 327[]
  16. vgl. BAG 4.11.2015 – 7 AZR 972/13, Rn.19[]
  17. grundlegend BAG 25.05.1970 – 3 AZR 384/69, zu I 3 der Gründe, BAGE 22, 344; EBJS/Boecken/Rudkowski 4. Aufl. HGB § 60 Rn. 18 mwN[]
  18. vgl. BAG 7.07.2015 – 10 AZR 260/14, Rn. 25, BAGE 152, 99; EBJS/Boecken/Rudkowski 4. Aufl. HGB § 60 Rn. 21 mwN; ErfK/Oetker 21. Aufl. HGB § 60 Rn. 5 mwN[]
  19. LAG Hamm 20.03.2018 – 14 Sa 778/16[]
  20. BAG 16.01.2013 – 10 AZR 560/11, Rn. 15 f. mwN[]
  21. vgl. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 8. Aufl. Rn. 241 mwN[]
  22. vgl. für einen Detektiveinsatz BAG 27.05.2020 – 5 AZR 387/19, Rn. 42 mwN, BAGE 170, 327; für eine offene und verdeckte Videoüberwachung BAG 28.03.2019 – 8 AZR 421/17, Rn. 35 ff.; für den Einsatz eines Keyloggers BAG 27.07.2017 – 2 AZR 681/16, Rn. 27 ff., BAGE 159, 380[]
  23. BAG 16.01.2013 – 10 AZR 560/11, Rn.20[]
  24. BAG 16.01.2013 – 10 AZR 560/11, Rn. 26[]
  25. BAG 12.05.1972 – 3 AZR 401/71, zu A II 2 der Gründe; HWK/Diller 9. Aufl. HGB § 61 Rn. 24; Heymann/Henssler HGB 2. Aufl. § 61 Rn. 17[]
  26. MünchKomm-HGB/Thüsing 5. Aufl. § 61 Rn. 35; HWK/Diller 9. Aufl. HGB § 61 Rn. 26; Wagner/Vogt in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas HGB 5. Aufl. § 61 Rn. 29; NK-GA/Reinhard HGB § 61 Rn. 9; Staub/Weber HGB 5. Aufl. § 61 Rn. 23; GK-HGB/Etzel 8. Aufl. § 61 Rn. 14; vgl. auch Oetker/Kotzian-Marggraf HGB 6. Aufl. § 61 Rn. 12; Baumbach/Hopt/Roth 40. Aufl. HGB § 61 Rn. 4; zu § 61 Abs. 2 HGB aF: Heymann/Henssler HGB 2. Aufl. § 61 Rn. 18; Weisemann/Schrader DB-Beil. 4/1980, 6[]
  27. MünchKomm-HGB/Thüsing aaO; HWK/Diller aaO; vgl. auch Heymann/Henssler HGB aaO Rn.19[]
  28. Staub/Weber aaO[]
  29. ErfK/Oetker 21. Aufl. HGB § 61 Rn. 7; EBJS/Boecken/Rudkowski 4. Aufl. HGB § 61 Rn. 31; Schaub/Vogelsang ArbR-HdB 18. Aufl. § 54 Rn. 27; MHdB ArbR/Reichold 4. Aufl. Bd. 1 § 54 Rn. 27; Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn. 132; zu § 61 Abs. 2 HGB aF: Röhsler/Borrmann Wettbewerbsbeschränkungen für Arbeitnehmer und Handelsvertreter 1981 S. 61[]
  30. EBJS/Boecken/Rudkowski aaO; Röhsler/Borrmann aaO[]
  31. vgl. Röhsler/Borrmann aaO[]
  32. Röhsler/Borrmann aaO[]
  33. RG 1.05.1906 – III 478/05 – RGZ 63, 252[]
  34. BAG 25.05.1970 – 3 AZR 384/69, zu II 2 der Gründe, BAGE 22, 344[]
  35. BAG 26.09.2007 – 10 AZR 511/06, Rn. 14, BAGE 124, 133[]
  36. ebenso BAG 25.05.1970 – 3 AZR 384/69, zu II 2 der Gründe, BAGE 22, 344[]
  37. bejahend Röhsler/Borrmann Wettbewerbsbeschränkungen für Arbeitnehmer und Handelsvertreter 1981 S. 33; verneinend Wank in Martinek/Semler/Flohr Handbuch des Vertriebsrechts 4. Aufl. § 17 Rn. 25 f. mwN[]
  38. BGBl. des Norddeutschen Bundes 1869 S. 404 bis 437[]
  39. Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs und eines Einführungsgesetzes RTVorl. 1897 S. 61[]
  40. BGBl. I S. 3215[]
  41. BT-Drs. 15/3653 S. 18 zu Art. 10 Nr. 1[]
  42. BT-Drs. 15/4060 S. 2[]
  43. BT-Drs. 15/3653 S. 18 zu Art. 10 Nr. 3 iVm. Nr. 1[]
  44. so schon RG 1.05.1906 – III 478/05 – RGZ 63, 252: gleichartiges Verhältnis[]
  45. BAG 11.04.2000 – 9 AZR 131/99, zu I 2 b der Gründe, BAGE 94, 199; 12.05.1972 – 3 AZR 401/71, zu A II 2 b der Gründe; Baumbach/Hopt/Roth 40. Aufl. HGB § 61 Rn. 4; EBJS/Boecken/Rudkowski 4. Aufl. HGB § 61 Rn. 29; ebenso schon RG 1.05.1906 – III 478/05 – RGZ 63, 252[]
  46. MünchKomm-HGB/Thüsing 5. Aufl. § 61 Rn. 35; HWK/Diller 9. Aufl. HGB § 61 Rn. 26; Heymann/Henssler HGB 2. Aufl. § 61 Rn.19; Staub/Weber HGB 5. Aufl. § 61 Rn. 23[]
  47. vgl. BT-Drs. 15/3653 S. 18 zu Art. 10 Nr. 1[]
  48. vgl. Palandt/Grüneberg 80. Aufl. Einleitung Rn. 41 mwN[]
  49. BVerfG 6.06.2018 – 1 BvL 7/14 ua., Rn. 72, BVerfGE 149, 126[]
  50. BVerfG 6.06.2018 – 1 BvL 7/14 ua., Rn. 73 ff., BVerfGE 149, 126[]
  51. BVerfG 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, Rn. 120, BVerfGE 135, 1[]
  52. BVerfG 26.09.2011 – 2 BvR 2216/06 ua., Rn. 57 mwN; BAG 29.09.2004 – 1 ABR 39/03, zu B III 2 b der Gründe, BAGE 112, 100[]
  53. vgl. im Zusammenhang mit den Anforderungen an eine konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG BVerfG 12.10.2010 – 2 BvL 59/06, Rn. 66, BVerfGE 127, 335[]
  54. BAG 19.12.2018 – 10 AZR 233/18, Rn. 53, BAGE 165, 19; 16.01.2013 – 10 AZR 560/11, Rn. 17; 26.06.2008 – 2 AZR 190/07, Rn. 15 mwN[]
  55. BAG 26.06.2008 – 2 AZR 190/07 – aaO mwN; Schaub/Vogelsang ArbR-HdB 18. Aufl. § 54 Rn. 11[]
  56. vgl. K. Schmidt Handelsrecht 5. Aufl. § 9 IV 2 b bb mwN[]
  57. vgl. Erman/Armbrüster BGB 16. Aufl. § 145 Rn. 4 mwN; Palandt/Ellenberger 80. Aufl. § 145 Rn. 2 mwN[]
  58. Wagner/Vogt in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas HGB 5. Aufl. § 60 Rn. 8[]
  59. vgl. BAG 30.05.2018 – 10 AZR 780/16, Rn. 38[]
  60. ErfK/Oetker 21. Aufl. HGB § 60 Rn. 6[]
  61. BAG 30.01.1963 – 2 AZR 319/62, zu I b aa der Gründe, BAGE 14, 72[]
  62. BAG 24.04.1970 – 3 AZR 324/69, zu I 1 d der Gründe[]
  63. BAG 30.05.2018 – 10 AZR 780/16, Rn. 38[]
  64. ErfK/Oetker 21. Aufl. HGB § 61 Rn. 7; HWK/Diller 9. Aufl. HGB § 61 Rn. 27[]
  65. BGH 19.11.2019 – XI ZR 575/16, Rn. 28; 2.07.2015 – III ZR 149/14, Rn. 11; 30.04.2015 – IX ZR 1/13, Rn. 10; MünchKomm-BGB/Grothe 8. Aufl. § 199 Rn. 31 mwN[]
  66. BGH 10.11.2009 – VI ZR 247/08, Rn. 14 mwN; Palandt/Ellenberger 80. Aufl. § 199 Rn. 39[]
  67. BAG 28.11.2019 – 8 AZR 35/19, Rn. 47; 11.07.2013 – 2 AZR 994/12, Rn. 24; BGH 19.11.2019 – XI ZR 575/16, Rn. 28 mwN[]
  68. BAG 20.06.2013 – 8 AZR 471/12, Rn. 25 mwN[]
  69. LAG Hamm aaO[]
  70. BGH 14.11.2013 – IX ZR 215/12, Rn. 15 mwN; MünchKomm-BGB/Schubert 8. Aufl. § 242 Rn. 292 mwN[]
  71. vgl. BGH 14.07.2005 – IX ZR 284/01, zu B III der Gründe mwN[]
  72. vgl. BVerfG 24.06.1988 – 1 BvR 736/88, zu II der Gründe; BAG 25.10.2018 – 8 AZR 562/16, Rn. 48 mwN; 17.06.2014 – 3 AZR 412/13, Rn. 46; Staudinger/Looschelders/Olzen [2019] § 242 Rn. 329 mwN; MünchKomm-BGB/Schubert 8. Aufl. § 242 Rn. 85 mwN[]
  73. vgl. BAG 20.04.2011 – 5 AZR 171/10, Rn. 27, BAGE 137, 375; 5.11.2003 – 5 AZR 676/02, zu III 3 c der Gründe[]
  74. BAG 24.05.2017 – 5 AZR 251/16, Rn. 68[]
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