Ein Arbeitnehmer muss die Zeit, für die er von seiner Arbeitgeberin (hier: einer bayerischen Verwaltungsgemeinschaft) zur Ausübung des Ehrenamts als Kreisrat des Landkreises bezahlt oder unbezahlt freizustellen ist und die in seine Kernarbeitszeit fällt, nicht nacharbeiten.

Insoweit hält das Arbeitsgericht Passau zunächst fest, dass sich die Problematik der Freistellung und des Nacharbeitens nur hinsichtlich der Kernarbeitszeit des Arbeitnehmers stellt.
Soweit die Ausübung des Ehrenamts als Kreisrat und als Mitglied des Bauausschusses des Kreistags weder in die Kernarbeitszeit noch in die Gleitzeit des Arbeitnehmers, sondern in dessen Freizeit fällt, ist eine Freistellung ohnehin nicht nötig.
Soweit die Ausübung des Ehrenamts als Kreisrat und als Mitglied des Bauausschusses des Kreistags aufgrund der geschlossenen „Dienst- bzw. Arbeitszeitvereinbarung“ in die Gleitzeit des Arbeitnehmers gelegt werden kann, hat der Arbeitnehmer für die Ausübung des Ehrenamts Gleitzeit in Anspruch zu nehmen. Das Bundesarbeitsgericht hat für die Ausübung allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten die Auffassung vertreten, § 29 Abs. 2 Satz 1 TVöD verlange von den im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmern, ihre allgemeinen staatsbürgerlichen Pflichten soweit wie möglich außerhalb der Arbeitszeit zu erfüllen. Demzufolge sei ein ehrenamtlicher Richter, soweit er selbst auf die Gestaltung seiner Arbeitszeit Einfluss nehmen könne, z. B. bei Gleitzeitregelungen, auch dazu verpflichtet, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen und für sein Ehrenamt Gleitzeit in Anspruch zu nehmen1. Diese Erwägungen können auf die Ausübung eines kommunalen Wahlmandats übertragen werden, auch wenn es sich dabei nicht um eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht handelt2.
Soweit die Ausübung des Ehrenamts als Kreisrat und als Mitglied des Bauausschusses des Kreistags in die Kernarbeitszeit des Arbeitnehmers fällt, wird die Beklagte in der Regel ihr Ermessen dahingehend auszuüben haben, dass sie dem Arbeitnehmer zumindest unbezahlte Arbeitsbefreiung gewährt.
Eine Arbeitsbefreiung nach § 616 BGB (Vorübergehende Verhinderung) ist hier nicht einschlägig, weil die im Geltungsbereich des TVöD insoweit in Betracht kommenden Fälle in § 29 Abs. 1 TVöD abschließend aufgezählt sind und der Fall der Ausübung eines Ehrenamts oder der Fall der Wahrnehmung eines kommunalen Wahlmandats dort nicht genannt sind.
Eine Arbeitsbefreiung nach § 29 Abs. 2 TVöD scheidet hier aus, weil es sich – wie bereits erwähnt – bei der Ausübung eines kommunalen Wahlmandats nicht um die Erfüllung einer allgemeinen staatsbürgerlichen Pflicht handelt3.
Eine Arbeitsbefreiung nach § 29 Abs. 3 Satz 1 TVöD scheidet ebenfalls aus, weil die Ausübung des kommunalen Wahlmandats keinen sonstigen dringenden Fall darstellt, insbesondere kein unverschuldeter in der Person des Beschäftigten liegender Grund für das Fernbleiben von der Arbeit gegeben ist.
In Betracht kommt somit allenfalls die in § 29 Abs. 3 Satz 2 TVöD vorgesehene kurzfristige Arbeitsbefreiung, welche in begründeten Fällen bei Verzicht auf das Entgelt gewährt werden kann, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es gestatten. Mit Rücksicht auf Art. 121 Satz 2 der Verfassung des Freistaates Bayern, wonach Staat und Gemeinden den ehrenamtlichen Einsatz für das Gemeinwohl fördern, wird die Beklagte dem Arbeitnehmer das ihr eingeräumte Ermessen regelmäßig dahingehend auszuüben haben, dass sie den Arbeitnehmer – wie bisher geschehen – für die Ausübung des Ehrenamts als Kreisrat und als Mitglied des Bauausschusses des Kreistags freistellt, sofern nicht im Einzelfall ausnahmsweise zwingende dienstliche oder betriebliche Gründe entgegenstehen. Der Umstand, dass die beklagte Verwaltungsgemeinschaft und ihre Mitgliedsgemeinden zum Landkreis F.-G. gehören, spricht zusätzlich dafür, dass die Beklagte dem Arbeitnehmer Arbeitsbefreiung zur Ausübung seines Ehrenamts als Kreisrat und Mitglied des Bauausschusses des Kreistags gewährt. Soweit sich die Beklagte auf die personelle Besetzung sowie den Arbeitsanfall bzw. Arbeitsumfang im Bauamt beruft, ist darauf hinzuweisen, dass sich die Kreisratstätigkeit des Arbeitnehmers nur an wenigen Tagen im Jahr für einige Stunden mit seiner Arbeitszeit überschneidet und dass etwa bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers gegebenenfalls erheblich längere Abwesenheitszeiten überbrückt werden müssten. Unberührt bleibt ohnehin die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Ableistung von Überstunden und Mehrarbeit nach Maßgabe der Nebenabrede in § 6 des Arbeitsvertrages.
Die Freistellung (in der Kernarbeitszeit des Arbeitnehmers) für die Ausübung des kommunalen Wahlmandats des Arbeitnehmers kann die Beklagte von einem Verzicht auf das Entgelt abhängig machen. Dies hat aber keine finanzielle Einbuße des Arbeitnehmers zur Folge. Nach Art. 14a Abs. 1 Satz 1 der Landkreisordnung für den Freistaat Bayern (LKrO) haben ehrenamtlich tätige Personen Anspruch auf angemessene Entschädigung. Das Nähere wird durch Satzung bestimmt (Art. 14a Abs. 1 Satz 2 LKrO). Ehrenamtlich tätige Personen erhalten ferner nach Art. 14a Abs. 2 LKrO für die nach Maßgabe näherer Bestimmung in der Satzung zur Wahrnehmung des Ehrenamts notwendige Teilnahme an Sitzungen und Besprechungen oder anderen Veranstaltungen bestimmte Ersatzleistungen. So wird Arbeitnehmern nach Art. 14a Abs. 2 Nr. 1 LKrO der ihnen entstandene nachgewiesene Verdienstausfall ersetzt. Die vom Landkreis F.-G. aufgrund der Art. 14a und 17 LKrO erlassene Satzung zur Regelung von Fragen des Kreisverfassungsrechts vom 20.05.2014 sieht in § 5 Abs. 4 Folgendes vor: „Lohn- und Gehaltsempfänger erhalten außerdem Ersatz für die durch die Teilnahme an der Kreistags- oder Ausschusssitzung entgangenen Einkünfte aus nicht selbstständiger Tätigkeit in voller Höhe.“
Unabhängig davon, ob die Beklagte dem Arbeitnehmer zur Ausübung des Ehrenamts als Kreisrat des Landkreises F.-G. bezahlte oder unbezahlte Freistellung gewährt, ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, die Zeit der Freistellung nachzuarbeiten, die in seine Kernarbeitszeit fällt.
Dies ergibt sich aus dem Fixschuldcharakter der Arbeitsleistung4. Der Arbeitnehmer schuldet dem Arbeitgeber die durch den Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 611 Abs. 1 BGB versprochenen Dienste nicht „irgendwie, irgendwo, irgendwann“, sondern in zeitlicher Hinsicht innerhalb eines bestimmten Zeitfensters, das durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers festgelegt wird, soweit es nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist (vgl. § 106 Satz 1 der Gewerbeordnung). Hier greift die geschlossene „Dienst- bzw. Arbeitszeitvereinbarung“ ein, wonach der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung innerhalb einer feststehenden Kernarbeitszeit und im Übrigen innerhalb einer von ihm zu beeinflussenden Gleitzeit zu erbringen hat.
Bei innerhalb der Kernarbeitszeit nicht erbrachter Arbeitsleistung tritt grundsätzlich Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB ein. Der Arbeitnehmer kann die innerhalb dieses Zeitfensters zu erbringende Arbeitsleistung in diesem Zeitfenster nicht mehr nachholen.
Selbst wenn der Arbeitnehmer verschuldet die Arbeitsleistung nicht erbringt oder sie sogar verweigert, ist er im Hinblick darauf, dass es sich um eine sog. Fixschuld handelt, nicht zur Nachleistung verpflichtet, sondern die Arbeitsleistung wird unmöglich (vgl. § 275 Abs, 1 BGB) und es entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung, also auf die Vergütung (vgl. § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB). Auch im Fall unverschuldeter Nichtleistung, etwa bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, braucht der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung nicht nachzuholen, wobei er innerhalb der gesetzlichen oder tariflichen Vorschriften über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für einen gewissen Zeitraum den Anspruch auf die Gegenleistung in Gestalt der Vergütung nicht verliert (vgl. § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes, § 22 TVöD). Für den Fall des Annahmeverzugs des Arbeitgebers (vgl. §§ 293ff. BGB) ist in § 615 Satz 1 BGB ausdrücklich geregelt, dass der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen kann, „ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein“.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 28.07.20115, betreffend die Freistellung eines ehrenamtlichen Richters nach § 45 Abs. 1 a Satz 2 DRiG von seiner Dienstleistungspflicht als Beamter, unter anderem ausgeführt: „Die Freistellungsregelung trifft keine Aussage zu der Frage, ob der ehrenamtliche Richter die versäumte Arbeitszeit nachzuholen hat. Vielmehr ergibt sich dies für Beamte aus dem Grundsatz, dass ausgefallener Dienst vom Beamten nicht nachzuholen ist, sondern nur besoldungs- und disziplinarrechtliche Folgen, etwa nach § 9 BBesG bei verschuldetem Fernbleiben den Verlust der Dienstbezüge, nach sich ziehen kann. Der vom Beamten geschuldete Dienst besteht in der Pflicht, die dienstlichen Aufgaben während eines bestimmten Zeitraums zu erfüllen. Für ein Nacharbeiten versäumter Arbeitszeit fehlt die rechtliche Grundlage […].“
Für die Freistellung eines Tarifbeschäftigten zur Ausübung eines kommunalen Ehrenamts gilt wegen des Fixschuldcharakters der Arbeitsleistung nichts anderes.
Nach alledem ist die Klage insoweit erfolgreich, als festgestellt wird, dass der Arbeitnehmer die Zeit, für die er von der Beklagten zur Ausübung des Ehrenamts als Kreisrat des Landkreises F.-G. bezahlt oder unbezahlt freizustellen ist und die in seine Kernarbeitszeit fällt, nicht nachzuarbeiten hat.
Hinsichtlich der über die Kernarbeitszeit hinaus gehenden Arbeitszeit haben die Feststellungsanträge keinen Erfolg. Soweit die Ausübung des Ehrenamts als Kreisrat und als Mitglied des Bauausschusses des Kreistags aufgrund der „Dienst- bzw. Arbeitszeitvereinbarung“ in die Gleitzeit des Arbeitnehmers gelegt werden kann, hat der Arbeitnehmer – wie bereits erwähnt – für die Ausübung des Ehrenamts Gleitzeit in Anspruch zu nehmen.
Arbeitsgericht Passau, Endurteil vom 24. März 2016 – 1 Ca 323/15
- vgl. BAG, Urteil vom 22.01.2009 – 6 AZR 78/08 = BAGE 129, 170ff. = NZA 2009, 735 = betreffend die Ausübung des Amtes einer ehrenamtlichen Richterin bei einem Landesarbeitsgericht; vgl. auch BAG, Urteil vom 16.12.1993-6 AZR 236/93 = BAGE 75, 231 ff. = NZA 1994, 854 =[↩]
- vgl. dazu BAG, Urteil vom 20.06.1995 – 3 AZR 857/94 = NZA 1996, 383 = betreffend das kommunale Wahlmandat eines Ratsherrn; LAG Bremen, Urteil vom 17.11.2009- 1 Sa 131/08-Juris[↩]
- vgl. BAG, Urteil vom 20.06.1995 – 3 AZR 857/94 = NZA 1996, 383 = ; LAG Bremen, Urteil vom 17.11.2009- 1 Sa 131/08[↩]
- vgl. dazu Schaub/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl.2015, Rn. 5 – mit weiteren Nachweisen[↩]
- BVerwG, Urteil vom 28.07.2011 – 2 C 45/09, BVerwGE 140, 178ff. = NVwZ-RR 2012, 35 = BayVBl 2012, 220[↩]