Ein Pfleger an einer Universitätsklinik hat nach Teil IV Abschnitt 1 Vorbemerkung Nr. 8 EntgO Anspruch auf eine monatliche Zulage nach Abschnitt IV Nr. 8 Anlage F zum TV-L.

Dabei kann für das Bundesarbeitsgericht – entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein1 – dahingestellt bleiben, ob und ggf. welche pflegerischen Tätigkeiten der Pfleger im Infusionsraum der Internistischen Ambulanz verrichtet. Dies folgt aus der Vorbemerkung Nr. 6 Satz 1 zu Teil IV Abschnitt 1 EntgO.
Abschnitt 1 des Teils IV EntgO bezieht sich auf „Beschäftigte in der Pflege“. Der Begriff der Pflege bzw. des Pflegedienstes ist tarifvertraglich nicht definiert. Zum Pflegedienst gehören ausweislich der Vorbemerkungen zu Teil IV Abschnitt 1 EntgO sowie der nachfolgenden Eingruppierungsregelungen alle Pflegerinnen und Pflegehelferinnen mit „entsprechender Tätigkeit“ sowie pflegerisch tätige Beschäftigte mit einer Qualifikation, welche Pflegehelferinnen und Pflegerinnen ausweislich der Vorbemerkungen gleichgestellt ist2.
Teil IV Abschnitt 1 EntgO erfasst damit primär die sog. „Pflege am Bett“3. Nach Teil IV Abschnitt 1 Vorbemerkung Nr. 6 Satz 1 EntgO gehört zu der „entsprechenden Tätigkeit“ von Pflegehelferinnen bzw. Pflegerinnen ua. aber auch die Tätigkeit in Ambulanzen, soweit es sich nicht überwiegend um eine Verwaltungs- oder Empfangstätigkeit handelt. Gleiches gilt für Blutzentralen, Milchküchen, Frauenmilchsammelstellen und Dialyseeinheiten. In der bis zum 31.12.2018 geltenden Fassung sah Teil IV EntgO hierfür noch spezielle bereichsbezogene Eingruppierungsmerkmale vor. Diese sind mit der zum 1.01.2019 in Kraft getretenen Neufassung des Teils IV EntgO entfallen, da es sich typischerweise nicht um pflegende Tätigkeiten im dargestellten Sinne des Teils IV EntgO handelt. Über die Vorbemerkung Nr. 6 wird die Tätigkeit in den genannten Bereichen gleichwohl den „entsprechenden Tätigkeiten“ von Beschäftigten in der Pflege zugewiesen, um eine entsprechende Eingruppierung der dort beschäftigten Pflegehelferinnen und Pflegerinnen zu ermöglichen4.
Die Vorbemerkung Nr. 6 zu Teil IV Abschnitt 1 EntgO ist keine reine Eingruppierungsregelung. Die Tarifvertragsparteien haben mit dieser für die von ihr erfassten Beschäftigten vielmehr nicht nur eine Eingruppierung nach den für die Beschäftigten im „klassischen“ Pflegedienst geltenden Eingruppierungsregelungen ermöglicht, sondern darüber hinaus für diese Pflegehelferinnen bzw. Pflegerinnen den gesamten Anwendungsbereich des Teils IV Abschnitt 1 EntgO eröffnet, soweit sie nicht überwiegend Verwaltungs- oder Empfangstätigkeiten verrichten. Durch die Vorbemerkung Nr. 6 werden sie zu „Beschäftigten in der Pflege“ bzw. zu „Beschäftigten im Pflegedienst“. Das macht bereits der Wortlaut der Regelung deutlich. Im Unterschied zur Vorbemerkung Nr. 5 haben die Tarifvertragsparteien für den von der Vorbemerkung Nr. 6 erfassten Personenkreis nicht nur angeordnet, dass diese nach den Tätigkeitsmerkmalen für Pflegerinnen „eingruppiert sind“, sondern haben deren Tätigkeiten als „entsprechende Tätigkeit“ von Pflegehelferinnen bzw. von Pflegerinnen gewertet, sofern nicht überwiegend lediglich Verwaltungs- oder Empfangstätigkeiten zu erbringen sind. Diese umfassende Geltung des Teils IV Abschnitt 1 EntgO entspricht auch dem erkennbaren Sinn der Regelung, den genannten Beschäftigtengruppen – entsprechend ihrer Qualifikation – die Einordnung als Pflegekräfte zukommen zu lassen, ohne dass ihre konkrete Tätigkeit in den angeführten Bereichen vom Vorhandensein bzw. Ausmaß einer pflegerischen Tätigkeit abhinge. Eine weitergehende Differenzierung innerhalb der „Beschäftigten in der Pflege“ nach ihrem Anteil pflegerischer Tätigkeit würde der mit Teil IV Abschnitt 1 EntgO bezweckten umfassenden Regelung der Vergütung der „Beschäftigten im Pflegedienst“, die die Vergütung gerade vereinheitlichen will, widersprechen. Die Vorbemerkungen Nr. 1 bis Nr. 6 zu Teil IV Abschnitt 1 EntgO stellen in der Gesamtschau letztlich eine Zusammenfassung des Personals dar, welches – entsprechend der Überschrift – die Gruppe der „Beschäftigten in der Pflege“ bildet. Deren Vergütung richtet sich dann nach den Entgeltregelungen des Abschnitts 1 des Teils IV EntgO, so dass sie unabhängig vom Ausmaß ihrer pflegerischen Tätigkeit auch Anspruch auf die in den Vorbemerkungen enthaltenen Zulagen haben können. Die ansonsten bestehende Ungleichbehandlung lässt sich aus den Tarifregelungen nicht ableiten.
Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, welche „Beschäftigten in der Pflege“ die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung bestimmter Zulagen nach den Vorbemerkungen Nr. 8 bis Nr. 11 zu Teil IV Abschnitt 1 EntgO erfüllen.
Diese differenzieren bezüglich der Ansprüche auf Zulagen entweder nach der Beschäftigungseinrichtung (Vorbemerkung Nr. 8 – Universitätskliniken) oder nach der Eingruppierung verbunden mit besonderen Tätigkeiten (Vorbemerkungen Nr. 9 bis Nr. 11 – Entgeltgruppen KR 5 bis KR 9). Es handelt sich um jeweils selbstständige Anspruchsvoraussetzungen. Eine einheitliche „Pflegezulage“ gibt es nicht.
Bezüglich der mit der Vorbemerkung Nr. 8 zu Teil IV Abschnitt 1 EntgO für Pflegerinnen und Pflegehelferinnen an Universitätskliniken vorgesehenen Zulage haben die Tarifvertragsparteien in Ziffer 10 der Niederschriftserklärungen zur EntgO darüber hinaus für bestimmte Beschäftigtengruppen, welche hinsichtlich ihrer Qualifikation nicht zum Kreis der „Beschäftigten in der Pflege“ gehören und nach der Vorbemerkung Nr. 5 zu Teil IV Abschnitt 1 EntgO nur entsprechend eingruppiert sind, den Erhalt der Zulage gewährt, falls diese die Tätigkeit von Gesundheits- und Krankenpflegerinnen oder von Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen auszuüben haben. Einer solchen Anordnung bedurfte es für die von der Vorbemerkung Nr. 6 zu Teil IV Abschnitt 1 EntgO erfassten Beschäftigten wegen des weitergehenden Wortlauts dieser Regelung nicht.
Damit haben die Tarifvertragsparteien bei einer Gesamtschau nicht nur die Pflegekräfte, deren Tätigkeit ihrer pflegerischen Qualifikation entspricht, mit der streitbefangenen Zulage bedacht, sondern auch Personen, welche entweder nicht im eigentlichen Pflegedienst tätig sind (Vorbemerkung Nr. 6) oder zwar Pflegearbeit verrichten, hierfür aber nicht die typischen Formalqualifikationen aufweisen (Ziffer 10 der Niederschriftserklärungen zur EntgO). Dies entspricht dem Zweck der Zulagengewährung. Mit der zum 1.01.2019 eingeführten dynamischen Pflegezulage für Pflegerinnen und Pflegehelferinnen an Universitätskliniken sollte die Attraktivität des Pflegedienstes an solchen Kliniken erhöht werden5. Die Gewährung der Zulage setzt dementsprechend nur voraus, dass es sich bei dem Beschäftigten um einen Pfleger oder Pflegehelfer iSd. Teils IV Abschnitt 1 EntgO handelt und dieser an einer Universitätsklinik beschäftigt ist. Weitere Anspruchsvoraussetzungen bestehen nicht, insbesondere sind keine bestimmten oder besonderen pflegerischen Leistungen zu erbringen6. Auch auf den Einsatzort innerhalb der Universitätsklinik kommt es nicht an7.
Hieraus ergeben sich bezogen auf den Kreis der zulagenberechtigten Beschäftigten keine Widersprüchlichkeiten. Eine Reinigungskraft, welche über eine abgeschlossene Ausbildung als Pflegefachkraft verfügt, wäre nach der Vorbemerkung Nr. 6 zu Teil IV Abschnitt 1 EntgO nicht dem Pflegedienst zuzurechnen, da sich ihre Tätigkeit nicht auf den Aufgabenbereich einer Ambulanz als solcher bezieht. Das von dem Prozessbevollmächtigten der Universitätsklinik in der Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht angeführte Beispiel eines Angehörigen der Geschäftsleitung mit pflegerischer Ausbildung verfängt ebenfalls nicht, weil die Vorbemerkung Nr. 6 zu Teil IV Abschnitt 1 EntgO schon diesen Bereich nicht erfasst und zudem eine Verwaltungstätigkeit vorliegen würde. Die Vergütung der medizinischen Fachangestellten ist entsprechend der unterschiedlichen Qualifikationen und Verwendungsmöglichkeiten in Teil II Abschnitt 10.8 EntgO eigenständig und abschließend geregelt. Zudem haben die Tarifvertragsparteien durch den Änderungstarifvertrag Nr. 12 zum TV-L vom 29.11.2021 mit Wirkung ab dem 1.01.2022 für diese Beschäftigtengruppe eine eigene Zulage für den Dienst an Universitätskliniken vorgesehen.
So kann auch im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall der in der Ambulanz einer Universitätsklinik tätige Pfleger eine Zulage nach der Vorbemerkung Nr. 8 zu Teil IV Abschnitt 1 EntgO iVm. Abschnitt IV Nr. 8 Anlage F zum TV-L beanspruchen:
Er ist Pfleger iSd. Teils IV Abschnitt 1 EntgO und über die Vorbemerkung Nr. 6 Satz 1 zu Teil IV Abschnitt 1 EntgO in das tarifliche Vergütungssystem für Beschäftigte in der Pflege eingebunden.
Als gelernter Krankenpfleger erfüllt er nach Teil IV Abschnitt 1 Vorbemerkung Nr. 1 Satz 2 EntgO die Qualifikationsanforderung für einen Beschäftigten in der Pflege. Dies steht zwischen den Parteien nicht in Streit und wird auch dadurch verdeutlicht, dass der Pfleger nach Entgeltgruppe KR 7 Fallgruppe 1 TV-L vergütet wird. Diese Eingruppierung setzt eine mindestens dreijährige Ausbildung in einem Pflegeberuf voraus8.
Der Pfleger ist in einer Ambulanz tätig. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts arbeitet er in der Internistischen Ambulanz im Exzellenzzentrum für Entzündungsmedizin der Universitätsklinik.
Der Pfleger übt nicht überwiegend eine Verwaltungs- oder Empfangstätigkeit aus. Er hat unbestritten vorgetragen, dass er mindestens zu zwei Dritteln Tätigkeiten an den Patienten verrichte. Unabhängig von der Frage, ob es sich hierbei um pflegerische Tätigkeiten handelt, steht damit außer Streit, dass der Pfleger überwiegend mit den Patienten und nicht im Verwaltungsbereich arbeitet. Ob es sich bei der Tätigkeit des Pflegers inhaltlich um Aufgaben handelt, welche typischerweise medizinischen Fachangestellten und nicht Pflegekräften übertragen werde, ist nach dem vorstehend ausgeführten Tarifverständnis ohne Belang.
Der Pfleger ist unstreitig bei der beklagten Universitätsklinik beschäftigt und erfüllt damit die Voraussetzungen für die Zulage nach der Vorbemerkung Nr. 8 zu Teil IV Abschnitt 1 EntgO, ohne dass es entsprechend der Rechtsansicht des Landesarbeitsgerichts auf die tatsächliche Ausübung pflegerischer Tätigkeiten ankäme9.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Januar 2023 – 6 AZR 62/22
- LAG Schleswig-Holstein 14.12.2021 – 1 Sa 83 öD/21[↩]
- vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Teil III Abschn. IV/1 – Beschäftigte im Pflegedienst Stand Januar 2020 Rn. 14 ff.[↩]
- vgl. Breier/Ewinger/Faber TV-L EntgO Teil D 1.04.1 Stand Juni 2020 Rn. 14[↩]
- vgl. Müller ZTR 2020, 191 unter 5.02.1[↩]
- vgl. Müller ZTR 2020, 191 unter 5.3[↩]
- Breier/Ewinger/Faber TV-L EntgO Teil D 1.04.1 Stand November 2022 Rn. 29[↩]
- BeckOK TV-L EntgO/Steuernagel TV-L-EGO T4.01.E5 Stand 1.09.2022 Rn. 7[↩]
- zur Ausbildung von Krankenpflegern vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Teil III Abschn. IV/1 – Beschäftigte im Pflegedienst Stand Januar 2020 Rn. 76 ff.[↩]
- aA mit Bezug auf die hier angegriffene Entscheidung Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Teil III Abschn. IV/1 – Beschäftigte im Pflegedienst Stand Juli 2022 Rn. 311a[↩]