Der privat genutzter Dienstwagen – und der Wert des Sachbezugs

Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur privaten Nutzung, ist dies regelmäßig eine Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung und damit ein Sachbezug im Sinne von § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO.

Der privat genutzter Dienstwagen – und der Wert des Sachbezugs

Der Wert dieses Sachbezugs ist grundsätzlich mit 1 % des Listenpreises des PKW zzgl. Sonderausstattungen und Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Erstzulassung zu bestimmen. Der nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG zu ermittelnde Zuschlag für die Nutzung des Fahrzeugs zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (sog. 0, 03 %-Regelung) ist nicht einzubeziehen.

Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung von Nettovergütungsdifferenzen kann aus § 611 Abs. 1 BGB bzw. seit dem 1.04.2017 aus § 611a Abs. 2 BGB folgen, wenn die Arbeitgeberin § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO, wonach der Wert der vereinbarten Sachbezüge auf das Arbeitsentgelt die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen darf, verletzt hat. In diesem Fall wäre die Vereinbarung des Sachbezugs nach § 134 BGB nichtig. Die Arbeitgeberin hätte den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers in Höhe des Werts des Sachbezugs nicht erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

Bei der Überlassung des betrieblichen PKW auch zur privaten Nutzung handelt es sich um einen Sachbezug, der Teil der Arbeitsvergütung des Arbeitnehmers ist.

Nach § 107 Abs. 1 GewO ist das Arbeitsentgelt grundsätzlich in Euro zu berechnen und auszuzahlen. Sachbezüge können nach § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO als Teil des Arbeitsentgelts nur dann vereinbart werden, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht (sog. Truckverbot). Des Weiteren ist hierbei § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO zu beachten. Danach darf der Wert der vereinbarten Sachbezüge die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen.

Sachbezug iSv. § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO ist jede Leistung des Arbeitgebers, die er als Gegenleistung für die Arbeitsleistung in anderer Form als in Geld erbringt. Sachleistung und Arbeitsleistung müssen im unmittelbaren Gegenseitigkeitsverhältnis stehen1. Nicht erfasst ist das Arbeitsentgelt im weiteren Sinne, welches der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis zusätzlich zum Arbeitsentgelt, aber außerhalb des Synallagmas zukommen lässt2. Maßgeblich ist damit, ob die Sachleistung die grundsätzlich in Geld zu erbringende synallagmatische Gegenleistung des Arbeitgebers ganz oder teilweise ersetzt oder nur als zusätzliche freiwillige Arbeitgeberleistung gewährt wird3. Dies richtet sich nach der – ggf. konkludent – getroffenen Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien4. Deren Inhalt ist durch Auslegung zu ermitteln. Je größer der Wert der Naturalleistung, desto mehr spricht für eine Einordnung als echtes Arbeitsentgelt5.

Die Gewährung der Sachbezüge muss den Interessen des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entsprechen. Für die Bewertung des Arbeitnehmerinteresses kommt es auf eine objektive Betrachtung an6. Ob der konkrete Arbeitnehmer tatsächlich Interesse am Sachbezug hat, spielt keine Rolle, weil dies für den Arbeitgeber kaum erkennbar ist und die Vergütung häufig generalisierend geregelt wird. Im Regelfall wird ein solches Interesse bestehen, wenn mit dem Sachbezug ein besonderer Nutzen einhergeht. Ein Interesse des Arbeitnehmers ist grundsätzlich zu bejahen, wenn er betriebliches Eigentum (etwa ein Dienstfahrzeug) für private Zwecke nutzen darf7.

Der Wert der vereinbarten Sachbezüge darf nach § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass der Arbeitnehmer innerhalb des Abrechnungszeitraums über ein bestimmtes Mindesteinkommen verfügt. Über dieses soll er in Geld verfügen können, um seinen notwendigen Lebensunterhalt bestreiten zu können8. Dem Arbeitnehmer muss damit zumindest der unpfändbare Betrag seines Entgelts in Geld ausgezahlt werden9. Durch § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO wird zudem sichergestellt, dass der Arbeitnehmer nicht gezwungen wird, aufgrund des Sachbezugs Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, um die Bedürfnisse des täglichen Lebens befriedigen zu können10. Die Regelung dient somit auch dem Schutz der Sozialkassen11 und damit einem öffentlichen Interesse.

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Die zwischen den Parteien vereinbarte private Nutzungsmöglichkeit des betrieblichen PKW durch den Arbeitnehmer ist nach diesen Grundsätzen ein Sachbezug iSv. § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO.

Die Arbeitgeberin hat sich vertraglich verpflichtet, dem Arbeitnehmer ein betriebliches Kraftfahrzeug mit privater Nutzungsberechtigung zur Verfügung zu stellen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Benutzungsvertrag). Dabei handelt es sich um eine im Synallagma stehende Gegenleistung der Arbeitgeberin für die geschuldete Arbeitsleistung. Bereits der erhebliche Wert des Sachbezugs spricht dafür, die Leistung der Arbeitgeberin als Arbeitsentgelt im engeren Sinn einzuordnen. Anhaltspunkte, die für die Gewährung einer zusätzlichen freiwilligen Arbeitgeberleistung neben dem im Synallagma stehenden Arbeitsentgelt sprechen, sind vom Landesarbeitsgericht weder ausdrücklich festgestellt noch von den Parteien in dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen schriftsätzlichen Vortrag in den Tatsacheninstanzen dargelegt worden. Der Arbeitnehmer hat dort vielmehr wiederholt vorgetragen, der PKW sei ihm von der Arbeitgeberin anstelle einer geplanten Lohnerhöhung gewährt worden. Dies hat die Arbeitgeberin zu keiner Zeit in den Tatsacheninstanzen bestritten. Sie selbst hat vielmehr sogar behauptet, der Arbeitnehmer habe durch die Rückgabe des Fahrzeugs einen Teil des Gehalts nicht mehr gewünscht und damit darauf verzichtet.

Soweit die Arbeitgeberin nunmehr in der Revision neu vorträgt, es habe keine Vereinbarung über eine bestimmte Gesamtvergütung gegeben, die teilweise durch eine PKW-Überlassung als Sachbezug erfüllt werde, vielmehr sei auf eine Erhöhung der Gesamtbezüge verzichtet und vereinbart worden, die Mobilität des damals nicht über einen PKW verfügenden Arbeitnehmers durch Gestellung eines Fahrzeugs auch zur privaten Nutzung sicherzustellen, kann dies bei der Entscheidung vom Bundesarbeitsgericht nicht berücksichtigt werden. Neuer Sachvortrag ist in der Revisionsinstanz nach § 559 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig12. Unabhängig davon ist der neue Vortrag der Arbeitgeberin unsubstantiiert. Es mangelt an konkreten Darlegungen, wer wann mit dem Arbeitnehmer eine Vereinbarung solchen Inhalts getroffen haben soll.

Die Überlassung des betrieblichen Kraftfahrzeugs zur Privatnutzung liegt objektiv betrachtet auch im Interesse des Arbeitnehmers. Sämtliche Kosten des Betriebs des Fahrzeugs trägt die Arbeitgeberin (§ 3 Benutzungsvertrag). Dem Arbeitnehmer bleiben entsprechende Aufwendungen erspart.

Die Bestimmung des pfändbaren Arbeitseinkommens iSd. § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO richtet sich nach §§ 850 ff. ZPO. Zur Ermittlung der Pfändungsgrenzen nach §§ 850c, 850e ZPO ist der Wert des Sachbezugs eines privat nutzbaren betrieblichen Kraftfahrzeugs mit 1 % des Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zu bestimmen (§ 8 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG). Der nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG zu ermittelnde Zuschlag für die Nutzung des Fahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (sog. 0, 03 %-Regelung) ist hingegen nicht zu berücksichtigen. Der im hier entschiedenen Fall in den Entgeltabrechnungen ausgewiesene; und vom Nettoentgelt abgezogene „PKW-KM gw. Vorteil“ in Höhe von monatlich 747,60 € ist kein Sachbezug als Teil des Arbeitsentgelts im engeren Sinn (§ 107 Abs. 2 Satz 1 GewO) und auch keine Naturalleistung im Sinne des § 850e Nr. 3 Satz 1 ZPO.

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Der pfändbare Teil des Arbeitseinkommens bestimmt sich gemäß § 850 Abs. 1 ZPO nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i ZPO. Erhält der Arbeitnehmer neben seinem in Geld zahlbaren Einkommen auch Naturalleistungen, wozu auch die Überlassung eines privat nutzbaren betrieblichen Kraftfahrzeugs gehört13, sind Geld- und Naturalleistungen nach § 850e Nr. 3 Satz 1 ZPO zusammenzurechnen. Hiervon sind die nach § 850a ZPO unpfändbaren Beträge mit dem Bruttobetrag abzusetzen. Im Anschluss daran sind von dem so errechneten Betrag die Steuern und die vom Arbeitnehmer zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge sowie ggf. die in § 850e Nr. 1 Satz 2 ZPO aufgeführten Beträge in Abzug zu bringen14. Das so ermittelte Nettoeinkommen ist Grundlage der in § 850c ZPO und der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung geregelten Pfändungsgrenzen15.

Zur Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit eines betrieblichen Kraftfahrzeugs des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer als vereinbarten Sachbezug nach § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO sind grundsätzlich die einkommenssteuer- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen (§ 8 Abs. 2 EStG, § 3 Abs. 1 Satz 3 Sozialversicherungsentgeltverordnung – SvEV) heranzuziehen16. Besondere steuerrechtliche Zusammenhänge dürfen hierbei allerdings nicht außer Acht geraten. Entsprechendes gilt für die Bestimmung des pfändbaren Arbeitseinkommens gemäß § 850e Nr. 3 Satz 1 ZPO, wenn der Arbeitnehmer neben seinem in Geld zahlbaren Einkommen Naturalleistungen erhält17. Deren Wert ist dann mit dem in Geld ausgezahlten Arbeitseinkommen zusammenzurechnen18.

§ 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 EStG regeln die Bewertung von Sachbezügen, die in der Nutzung betrieblicher Kraftfahrzeuge für private Fahrten bestehen. Dem liegt zugrunde, dass die private Nutzung eines betrieblichen PKW für private Fahrten als Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers zu erfassen und zu besteuern ist. § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG verweist für den Wertansatz auf § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG. Danach sind für jeden Kalendermonat 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Hiervon ausgehend ist der Wert des Sachbezugs der Privatnutzungsmöglichkeit des dem Arbeitnehmer überlassenen PKW iSv. § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO mit 1 % des Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zu bestimmen. Dies entspricht der Rechtsprechung zur Berechnung des Schadensersatzanspruchs wegen des rechtswidrigen Entzugs eines zur Privatnutzung überlassenen Dienstwagens19.

Nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG erhöht sich der Wertansatz der Privatfahrten für jeden Kalendermonat um 0, 03 % des Listenneupreises für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, wenn das zur privaten Nutzung überlassene Kraftfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte genutzt werden kann. Dieser weitere steuerrechtlich zu berücksichtigende geldwerte Vorteil ist allerdings entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kein Sachbezug iSd. § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO und keine Naturalleistung iSd. § 850e Nr. 3 Satz 1 ZPO. Auf diesem Rechtsfehler beruht das Berufungsurteil, weshalb es insoweit aufzuheben ist (§ 562 Abs. 1 ZPO).

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Mit der pauschalen Wertermittlung nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG wird der gesamte geldwerte Vorteil für die Privatnutzung des Dienstwagens erfasst20. Die Zuschlagsregelung in § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG hat dagegen nicht die Funktion, eine irgendwie geartete zusätzliche private Nutzung des Dienstwagens zu bewerten. Der Zuschlag für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bezweckt vielmehr nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs einen Ausgleich für abgezogene, aber tatsächlich nicht entstandene Erwerbsaufwendungen. § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG stellt insoweit einen notwendigen Korrekturposten für den – pauschalen – Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG dar. Denn dieser Abzug wird für jeden Arbeitstag unabhängig davon vorgenommen, ob der Arbeitnehmer tatsächlich Aufwendungen gehabt hat21. Das Entstehen der Aufwendungen wird mit der Formulierung „Zur Abgeltung der Aufwendungen“ aus Vereinfachungsgründen gesetzlich unterstellt22. Der Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG dient damit allein dazu, einen – überschießenden – Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zu kompensieren. Aus der Abgeltungswirkung der 1 %-Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG folgt, dass ein – weiterer – geldwerter Vorteil, der durch den Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG erfasst werden könnte, nicht besteht. Eine private Nutzung unterschiedlicher Intensität ist nicht vorstellbar23.

Dieses Ergebnis wird bestätigt, wenn man die praktische Auswirkung einer Einbeziehung des 0, 03 %-Werts in den Begriff des Sachbezugs iSv. § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO in den Blick nimmt. Dann könnte die Höhe der Vergütung, die sich aus Geld- und Naturalleistung zusammensetzt, durch den Arbeitnehmer einseitig bestimmt werden. Denn dieser hätte es durch schlichte Wohnsitzverlegung in der Hand, auf die Vergütungshöhe Einfluss zu nehmen. Je weiter die Fahrstrecke zwischen Arbeitsstätte und Wohnung ist, desto größer ist der nach der 0, 03 %-Regelung anzusetzende Wert für jeden Entfernungskilometer. Eine Einbeziehung des 0, 03 %-Werts in den Sachbezug würde damit das auf einer Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien beruhende synallagmatische Verhältnis von Leistung und Gegenleistung außer Kraft setzen.

Ist die Summe aus in Geld zahlbarem Einkommen und der Naturalleistung nach §§ 850c, 850e Nr. 3 Satz 1 ZPO unpfändbar, liegt bei Anrechnung des Sachbezugs auf das Arbeitsentgelt ein Verstoß gegen § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO vor24. Dieser führt zur Nichtigkeit der Vereinbarung, einen Teil des Arbeitsentgelts durch Sachbezug zu tilgen25, denn § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO ist ein Verbotsgesetz iSd. § 134 BGB. Bereits geleistete Sachbezüge haben deshalb keine Erfüllungswirkung nach § 362 Abs. 1 BGB26. Der Arbeitnehmer hat stattdessen einen Anspruch auf Auszahlung des dem Wert des Sachbezugs entsprechenden Geldbetrags27. Die in der Vergangenheit gewährten Sachleistungen hat der Arbeitnehmer nach den Regeln des Bereicherungsrechts (§§ 812 ff. BGB) an den Arbeitgeber herauszugeben28.

)) Bei Arbeitseinkommen bestimmt sich der pfändbare Teil gemäß § 850 Abs. 1 ZPO nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i ZPO. Das Nettoeinkommen wird nach § 850e ZPO errechnet. Zur Sicherung des Existenzminimums des Arbeitnehmers und seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen regelt § 850c Abs. 1 ZPO einen unpfändbaren Grundbetrag. Dieser ist entsprechend den Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers gestaffelt und nach oben begrenzt. Für den Teil des Arbeitseinkommens, der diesen Grundbetrag übersteigt, gelten die weiteren Pfändungsbeschränkungen des § 850c Abs. 2 ZPO bei Unterhaltspflichten29. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund gesetzlicher Verpflichtung seinem (früheren) Ehegatten, (früheren) Lebenspartner, Verwandten in gerader Linie, wozu unter anderem (nichteheliche) Kinder, Eltern, Großeltern, Enkelkinder zählen, Unterhalt schuldet und gewährt, d.h. tatsächlich leistet30.

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Nach Feststellung des pfändbaren Einkommens hat das Landesarbeitsgericht nach § 850c ZPO die Pfändungsgrenzen zu ermitteln. Dabei sind die jeweiligen Pfändungsfreigrenzenbekanntmachungen  zu beachten. Unterhaltsberechtigte Personen mit eigenem Einkommen sind bei der Bemessung des Freibetrags nach § 850c ZPO nicht zu berücksichtigen. Eine abweichende Berücksichtigung der Unterhaltspflichten könne gemäß § 850c Abs. 4 ZPO aF (= Abs. 6 nF) nur durch das Vollstreckungsgericht und nicht durch das Prozessgericht bestimmt werden.

Das Prozessgericht hat nach § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO zu prüfen, ob der Wert der vereinbarten Sachbezüge die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts übersteigt. § 850c Abs. 4 ZPO aF ist in diesem Fall analog anzuwenden, weil kein Vollstreckungsverfahren vorliegt, das Gesetz aber das Prozessgericht verpflichtet, das pfändbare Einkommen festzustellen. Dem entspricht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach eine Entscheidung des Prozessgerichts über die Anwendung des § 850?c Abs. 4 ZPO aF dann zulässig ist, wenn mangels Vorliegens eines Vollstreckungsverfahrens eine Entscheidung über auf diese Bestimmung gestützte Anträge ausscheidet. Dies betrifft etwa den Fall der Abtretung einer Forderung, wenn der betreffende Betrag nicht abgetreten werden konnte, weil er nicht der Pfändung unterworfen war (§ 400 BGB), und hierbei zu prüfen ist, ob dies der Billigkeit entspricht31. Wollte man dem Prozessgericht eine Prüfung des § 850c Abs. 4 ZPO aF (= Abs. 6 nF) verwehren, könnte es nicht nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften prüfen, ob der Arbeitgeber nach § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO berechtigterweise einen Teil der Vergütung des Arbeitnehmers in Form eines Sachbezugs entrichtet hat. Soweit der Dritte Xenat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 11.12.201832 für den Fall einer Aufrechnung mit Betriebsrentenüberzahlungen gegen Ansprüche auf Witwenrente eine analoge Anwendbarkeit des § 850c Abs. 4 ZPO abgelehnt hat, beruhte dies ersichtlich auf besonderen betriebsrentenrechtlichen Erwägungen. Andernfalls hätte sich das Bundesarbeitsgericht mit der zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auseinandersetzen müssen.

Der Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO aF im gerichtlichen Verfahren stehen datenschutzrechtliche Belange nicht entgegen.

Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO rechtmäßig, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Die Rechtsgrundlage für entsprechende Verarbeitungen kann gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b DSGVO durch das Recht des Mitgliedstaats festgelegt werden, dem der Verantwortliche unterliegt. Die entsprechende Regelung muss ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck stehen, Art. 6 Abs. 3 Satz 4 DSGVO. Den Vorgaben von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO iVm. Art. 6 Abs. 3 DSGVO wird daher entsprochen, wenn insbesondere eine nationale Rechtsgrundlage besteht, die als Grundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten dient. Die Verarbeitung hat durch Verantwortliche zu erfolgen, die in Wahrnehmung einer Aufgabe tätig werden, die im öffentlichen Interesse liegt, oder einer Aufgabe, die in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt. Hierzu zählen etwa die Aufgaben, die Gerichte im Rahmen ihrer Rechtsprechungsbefugnisse wahrnehmen. Dies im Einzelnen zu beurteilen ist Aufgabe der nationalen Gerichte33. Darüber hinaus stellt nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ebenfalls ein Ziel dar, das eine Verarbeitung personenbezogener Daten sogar zu einem anderen Zweck als demjenigen rechtfertigen kann, zu dem sie erhoben wurden34.

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Hiervon ausgehend bestehen gegen die Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO aF im vorliegenden Verfahren keine Bedenken. Diese Bestimmung stellt eine Grundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Gerichte als Verantwortliche iSd. Datenschutz-Grundverordnung dar. Die Parteien eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens sind nach § 138 ZPO im Rahmen des zivilprozessualen Beibringungsgrundsatzes verpflichtet, zur Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO aF (= Abs. 6 nF) Vortrag zu halten. Dass hierbei die Einkommensverhältnisse einer unterhaltsberechtigten Person offengelegt werden müssen, ist erforderlich und angemessen, denn § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO iVm. §§ 850 ff. ZPO soll sicherstellen, dass der Arbeitnehmer innerhalb des Abrechnungszeitraums über ein bestimmtes Mindesteinkommen verfügt, um seinen notwendigen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Hierdurch wird zudem gewährleistet, dass der Arbeitnehmer nicht gezwungen wird, aufgrund des Sachbezugs Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, um die Bedürfnisse des täglichen Lebens befriedigen zu können. Die Regelung dient damit auch einem öffentlichen Interesse.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31. Mai 2023 – 5 AZR 273/22

  1. vgl. BAG 24.03.2009 – 9 AZR 733/07, Rn. 12, BAGE 130, 101; 17.02.2009 – 9 AZR 676/07, Rn. 14, BAGE 129, 335[]
  2. vgl. NK-ArbR/Boecken/Pils 2. Aufl. GewO § 107 Rn. 18; Landmann/Rohmer GewO/Wiebauer Stand Dezember 2022 GewO § 107 Rn. 7; vgl. zu § 115 GewO aF BAG 23.09.1992 – 5 AZR 569/91, zu I der Gründe[]
  3. vgl. BAG 14.11.2012 – 5 AZR 815/11, Rn.19[]
  4. vgl. NK-ArbR/Boecken/Pils 2. Aufl. GewO § 107 Rn. 17; BeckOGK/Maschmann Stand 1.03.2023 GewO § 107 Rn. 18; BeckOK ArbR/Tillmanns Stand 1.12.2022 GewO § 107 Rn. 6; Schaub ArbR-HdB/Linck 19. Aufl. § 68 Rn. 8[]
  5. vgl. BeckOGK/Maschmann aaO; Landmann/Rohmer GewO/Wiebauer Stand Dezember 2022 GewO § 107 Rn. 34[]
  6. vgl. BAG 24.03.2009 – 9 AZR 733/07, Rn. 15, BAGE 130, 101; MHdB ArbR/Krause 5. Aufl. § 67 Rn. 1; HWK/Lembke 10. Aufl. § 107 GewO Rn. 29; BeckOK ArbR/Tillmanns Stand 1.12.2022 GewO § 107 Rn. 7; BeckOGK/Maschmann Stand 1.03.2023 GewO § 107 Rn. 22[]
  7. BeckOGK/Maschmann aaO[]
  8. vgl. BAG 24.03.2009 – 9 AZR 733/07, Rn. 21, BAGE 130, 101; HWK/Lembke 10. Aufl. § 107 GewO Rn. 69; ErfK/Preis 23. Aufl. GewO § 107 Rn. 7[]
  9. MHdB ArbR/Krause 5. Aufl. § 67 Rn. 1[]
  10. vgl. Reifelsberger/Kopp NZA 2013, 641, 645[]
  11. BeckOGK/Maschmann Stand 1.03.2023 GewO § 107 Rn. 44[]
  12. vgl. BAG 16.12.2020 – 5 AZR 22/19, Rn. 22 mwN[]
  13. BAG 24.03.2009 – 9 AZR 733/07, Rn. 23, BAGE 130, 101; BGH 18.10.2012 – IX ZB 61/10, Rn. 3; PG/Ahrens ZPO 14. Aufl. § 850e Rn. 35; Musielak/Voit/Flockenhaus 20. Aufl. ZPO § 850e Rn. 14[]
  14. vgl. zur Auslegung des § 850e Nr. 1 Satz 1 ZPO BAG 17.04.2013 – 10 AZR 59/12, Rn.19 ff., BAGE 145, 18[]
  15. vgl. Musielak/Voit/Flockenhaus 20. Aufl. ZPO § 850c Rn. 2a[]
  16. vgl. Landmann/Rohmer GewO/Wiebauer Stand Dezember 2022 GewO § 107 Rn. 45[]
  17. Meller-Hannich in Kindl/Meller-Hannich Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung 4. Aufl. ZPO § 850e Rn. 24; Musielak/Voit/Flockenhaus 20. Aufl. ZPO § 850e Rn. 14; BeckOK ZPO/Riedel Stand 1.03.2023 § 850e Rn. 51; MünchKomm-ZPO/Smid 6. Aufl. ZPO § 850e Rn. 40; aA PG/Ahrens ZPO 14. Aufl. § 850e Rn. 38[]
  18. BAG 24.03.2009 – 9 AZR 733/07, Rn. 23, BAGE 130, 101[]
  19. vgl. BAG 12.10.2022 – 5 AZR 30/22, Rn. 38 mwN[]
  20. vgl. BFH 4.04.2008 – VI R 68/05, Rn. 15, BFHE 221, 17; 14.09.2005 – VI R 37/03, zu II 1 b der Gründe, BFHE 211, 215[]
  21. BFH 22.09.2010 – VI R 57/09, Rn. 11, BFHE 231, 139; 4.04.2008 – VI R 68/05, Rn. 14, BFHE 221, 17; NK-ArbR/Hummel/Nöcker 2. Aufl. EStG § 8 Rn.20[]
  22. BFH 18.04.2013 – VI R 29/12, Rn. 11, BFHE 240, 570[]
  23. BFH 4.04.2008 – VI R 68/05, Rn. 15, BFHE 221, 17[]
  24. Schaub ArbR-HdB/Linck 19. Aufl. § 68 Rn. 2; BeckOGK/Maschmann Stand 1.03.2023 GewO § 107 Rn. 45; ErfK/Preis 23. Aufl. GewO § 107 Rn. 7[]
  25. HWK/Lembke 10. Aufl. § 107 GewO Rn. 33[]
  26. vgl. BeckOGK/Maschmann Stand 1.03.2023 GewO § 107 Rn. 26[]
  27. NK-ArbR/Boecken/Pils 2. Aufl. GewO § 107 Rn. 37; Boemke/Boemke GewO § 107 Rn. 40; AR/Kolbe 10. Aufl. § 107 GewO Rn. 40; HWK/Lembke 10. Aufl. § 107 GewO Rn. 33; BeckOGK/Maschmann Stand 1.03.2023 GewO § 107 Rn. 46[]
  28. vgl. NK-ArbR/Boecken/Pils 2. Aufl. GewO § 107 Rn. 24; HWK/Lembke 10. Aufl. § 107 GewO Rn. 34; Ennuschat/Wank/Winkler/Wank 9. Aufl. GewO § 107 Rn. 17; Landmann/Rohmer GewO/Wiebauer Stand Dezember 2022 GewO § 107 Rn. 46[]
  29. vgl. BAG 22.09.2015 – 9 AZR 143/14, Rn. 10[]
  30. vgl. BAG 28.08.2013 – 10 AZR 323/12, Rn. 14 mwN[]
  31. vgl. BGH 19.05.2009 – IX ZR 37/06, Rn. 16, 18; bestätigend BGH 3.11.2011 – IX ZR 45/11, Rn. 14 f.; Musielak/Voit/Flockenhaus 20. Aufl. ZPO § 850c Rn. 10; BeckOK ZPO/Riedel Stand 1.03.2023 § 850c Rn. 45[]
  32. BAG 11.12.2018 – 3 AZR 400/17, Rn. 46 ff.[]
  33. EuGH 2.03.2023 – C-268/21 – [Norra Stockholm Bygg] Rn. 32, 39[]
  34. vgl. EuGH 2.03.2023 – C-268/21 – [Norra Stockholm Bygg] Rn. 38[]
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