Der Schiffsführer auf einem Peilschiff – und seine Eingruppierung

Der Schiffsführer auf einem Peilschiff erfüllt das Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe 8 Fallgr. 1 Unterabschnitt 2.1. Teil V der Anlage 1 zum TV EntgO Bund.

Der Schiffsführer auf einem Peilschiff – und seine Eingruppierung

Für die Eingruppierung sind die §§ 12 und 13 TVöD/Bund iVm. dem TV EntgO Bund maßgebend. Zwar erfolgt die Überleitung der Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis zum Bund über den 31.12.2013 hinaus fortbesteht und die am 1.01.2014 unter den Geltungsbereich des TVöD fallen, in den TVöD gemäß § 25 Abs. 1 TVÜ-Bund grundsätzlich unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit. Der Schiffsführer hat jedoch mit Schreiben vom 20.06.2014 einen Antrag nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund gestellt1.

Die danach für die vom Schiffsführer begehrte Eingruppierung maßgebenden Vorschriften des Teils V der Anlage 1 zum TV EntgO Bund lauten:

Vorbemerkungen zu den Abschnitten 1 bis 4

  1. Für die Gültigkeit, die Gleichwertigkeit und den Umfang der nautischen und schiffsmaschinentechnischen Befähigungszeugnisse wird zwischen folgenden Bereichen und Berufsgruppen unterschieden:

    (1) …

    (2) Beschäftigte auf Schiffen und schwimmenden Geräten sowie an Land im Bereich der Binnenschifffahrtsstraßen (Bundeswasserstraßen Rhein, Mosel und Donau sowie diejenigen Bundeswasserstraßen, auf denen die Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung gilt):

    Die Zuordnung der entsprechenden nautischen Befähigungszeugnisse richtet sich für die Beschäftigten auf Schiffen und schwimmenden Geräten sowie an Land im Bereich der Binnenschifffahrtsstraßen nach der Verordnung über Befähigungszeugnisse in der Binnenschifffahrt (Binnenschifferpatentverordnung – BinSchPatentV) in der jeweils geltenden Fassung und im Bereich des Rheins nach der Verordnung über das Schiffspersonal auf dem Rhein (Schiffspersonalverordnung-Rhein – RheinSchPersV) in der jeweils geltenden Fassung.

    Hierbei wird zwischen einem Befähigungszeugnis ohne Einschränkungen (Großes Patent nach RheinSchPersV und Schifferpatent A oder B nach BinSchPatentV) und einem Befähigungszeugnis mit Einschränkungen entsprechend der RheinSchPersV und der BinSchPatentV unterschieden. …

  2. Die Zuordnung der Wasserfahrzeugtypen richtet sich nach der Verwaltungsvorschrift der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes – Objektkatalog (ObKat) VV-WSV 1102 in der Fassung vom 31.01.2005.

2. Beschäftigte bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung – Binnenbereich

2.1. Besatzungen von Schiffen und schwimmenden Geräten

Vorbemerkungen

  1. Dieser Unterabschnitt gilt für Besatzungen von Schiffen und schwimmenden Geräten auf Binnenschifffahrtsstraßen (Bundeswasserstraßen Rhein, Mosel und Donau sowie diejenigen Bundeswasserstraßen, auf denen die Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung gilt).
  2. Der Begriff Schiffsführerinnen und Schiffsführer umfasst auch Bootsführerinnen und Bootsführer.

Entgeltgruppe 8

  1. Schiffsführerinnen und Schiffsführer mit nautischem Befähigungszeugnis mit Einschränkungen auf einem Peilschiff, hydrologischen Messschiff oder Eisbrecher.

Entgeltgruppe 7

  1. Schiffsführerinnen und Schiffsführer sowie Geräteführerinnen und Geräteführer mit nautischem Befähigungszeugnis mit Einschränkungen.

Die Verwaltungsvorschrift der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes – Objektkatalog (ObKat) VV-WSV 11 02 idF vom 31.01.2005 lautet auszugsweise:

TEIL II – BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

8.3.6. Peilschiff/Peilboot/Vermessungsschiff

Spezialschiff mit elektronischen Einrichtungen für Tiefenmessungen auf Wasserstraßen (0.4.1)

Peilschiff mit < 15 m3 Verdrängung = Peilboot. Peiljollen sind Tochterboote von Peilschiffen.

Die entsprechenden Schiffe des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) für Vermessungsarbeiten in den Küstengewässern (0.3.6) und auf dem übrigen Meer (0.3.5) heißen Vermessungsschiffe.

Grundlage für die Bewertung der auszuübenden Tätigkeit ist der Arbeitsvorgang (§ 12 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TVöD/Bund). Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass die Tätigkeit des Schiffsführers als Schiffsführer der „G“ auf der Elbe einen einheitlichen Arbeitsvorgang darstellt. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von keiner der Parteien angegriffen. Diese auszuübende Tätigkeit erfüllt die tariflichen Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe 8 Fallgr. 1 Unterabschnitt 2.1. Teil V der Anlage 1 zum TV EntgO Bund.

Gemäß der Vorbemerkung Nr. 1 zu den Abschnitten 1 bis 4 Teil V der Anlage 1 zum TV EntgO Bund ist danach der Unterabschnitt 2.1. maßgebend. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts verrichtet der Schiffsführer seine Tätigkeit auf der Elbe. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 iVm. Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 WaStrG handelt es sich bei dieser in ihrem gesamten Verlauf um eine Bundeswasserstraße, auf der die Bestimmungen der Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung (BinSchStrO) vom 16.12.2011 gelten. Der Schiffsführer ist damit Teil der Besatzung eines Schiffes auf einer Binnenschifffahrtsstraße.

Er verfügt auch über ein nautisches Befähigungszeugnis mit Einschränkungen im Tarifsinn. Nach der Vorbemerkung Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 zu den Abschnitten 1 bis 4 Teil V der Anlage 1 zum TV EntgO Bund richtet sich die Zuordnung der nautischen Befähigungszeugnisse für die Beschäftigten auf Schiffen und schwimmenden Geräten sowie an Land im Bereich der Binnenschifffahrtsstraßen nach der Verordnung über Befähigungszeugnisse in der Binnenschifffahrt (Binnenschifferpatentverordnung – BinSchPatentV) in der jeweils geltenden Fassung. § 7 BinSchPatentV regelt die Einteilung der allgemeinen Fahrerlaubnisse. Danach handelt es sich bei der vom Schiffsführer erworbenen Fahrerlaubnis für Sportboote um ein nautisches Befähigungszeugnis mit Einschränkungen. Dass dieses zum Führen der „G“ berechtigt, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Der Schiffsführer ist zudem Schiffsführer auf einem „Peilschiff“ iSd. Entgeltgruppe 8 Fallgr. 1 Unterabschnitt 2.1. Teil V der Anlage 1 zum TV EntgO Bund. Maßgebend für die Zuordnung der Wasserfahrzeugtypen ist insoweit nach der Vorbemerkung Nr. 3 zu den Abschnitten 1 bis 4 Teil V der Anlage 1 zum TV EntgO Bund der Objektkatalog der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Teil II 8.3.6 ObKat definiert die Begriffe „Peilschiff/Peilboot/Vermessungsschiff“ als Spezialschiff mit elektronischen Einrichtungen für Tiefenmessungen auf Wasserstraßen.

Der Umstand, dass es sich bei der „G“ lediglich um ein Motorboot handelt, steht dessen Qualifizierung als „Peilschiff“ im tariflichen Sinne nicht entgegen. Auch ein Peilboot ist nach dem Objektkatalog ein Peilschiff im Tarifsinn2.

Das Motorboot „G“ verfügt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts über die erforderlichen „elektronischen Einrichtungen für Tiefenmessungen auf Wasserstraßen“.

Notwendig ist insoweit das Vorhandensein von Einrichtungen, dh. von unselbständigen Objekten iSv. Teil II 0.1.3 ObKat, die aus elektronischen Komponenten bestehen. Nicht erforderlich ist hingegen, dass zwei selbständige elektronische Einrichtungen für (verschiedenartige) Tiefenmessungen vorhanden sind. Das ergibt die Auslegung der Tarifnorm3.

Die Verwendung des Plurals („Einrichtungen“) im Wortlaut von Teil II 8.3.6 ObKat deutet zunächst darauf hin, dass für die Qualifikation eines Wasserfahrzeugs als Peilschiff mindestens zwei elektronische Einrichtungen zur Tiefenmessung verlangt werden4. Allerdings wird der Plural durchgängig in der Norm verwendet, insbesondere auch hinsichtlich der „Tiefenmessungen“ und der „Wasserstraßen“. Dies spricht eher für seine Verwendung als bloßes Mittel zur Verallgemeinerung. Unabhängig hiervon enthält der Wortlaut jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Mehrzahl von Einrichtungen überdies für verschiedenartige Tiefenmessungen vorgesehen sein muss und nicht ebenso mehrere elektronische Einrichtungen ein einheitliches Messsystem für eine Art von Tiefenmessungen bilden können. Insbesondere spricht die Verwendung des Plurals bei den Begriffen „Tiefenmessungen“ und „Wasserstraßen“ nicht für ein solches Verständnis. Auch mit einem einheitlichen Messsystem kann eine Mehrzahl von – gleichartigen – Tiefenmessungen auf verschiedenen Wasserstraßen durchgeführt werden.

Die Systematik des Objektkatalogs stützt die Annahme, dass das Vorhandensein elektronischer Komponenten, die dem Zweck des Peilens dienen, genügt. Nach der Erläuterung zu Teil II 0.1.3 ObKat sind Einrichtungen eine Form von unselbständigen Objekten. Teil IV Blatt 22 ObKat sieht eine Objekt-Teilegliederung für Wasserfahrzeuge vor, die in Objektteile der Stufen 1 bis 3 untergliedert ist. Der Begriff der Einrichtungen wird in allen drei Stufen verwendet. Das zeigt, dass die Einrichtung im Sinne des Objektkatalogs nicht zwingend einem bestimmten Zweck zugeordnet ist, sondern unter Einrichtungen auch einzelne Komponenten eines Objekts zu verstehen sind, die nicht jeweils eigenständig, wohl aber in ihrer Gesamtheit einem einheitlichen Zweck dienen.

Auch Sinn und Zweck sprechen für ein solches Verständnis. Der Objektkatalog ist ein klassifizierendes Ordnungssystem, der das Ziel hat, alle Objekte, an denen die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Verrichtungen zu erledigen hat, zu erfassen (Teil I 1). Maßgeblich für die Einteilung der Objekte nach Arten ist deren Gleichartigkeit im Rahmen der Zweckbestimmung (Teil I 11). Die Zwecke eines Peilschiffs hängen aber nicht davon ab, ob mehrere selbständige elektronische Einrichtungen verwendet werden. Ein anderes Verständnis würde – worauf die Revision zu Recht hinweist – dazu führen, dass die „G“ nicht ihrer Zweckbestimmung entsprechend im Objektkatalog eingeordnet werden könnte. Dies korrespondiert damit, dass das Tätigkeitsmerkmal „Schiffsführer … auf einem Peilschiff, hydrologischen Messschiff oder Eisbrecher“ an die Tätigkeit als Schiffsführer auf einer bestimmten, durch den Objektkatalog definierten Schiffsart anknüpft.

In dem so verstandenen Sinne verfügt das Motorboot „G“ über elektronische Einrichtungen für Tiefenmessungen. Nicht nur das Echolotsystem selbst, sondern auch die dieses ergänzenden bzw. unterstützenden Ortungs- und Speicherinstrumente dienen der Tiefenmessung. Auf der „G“ ist unstreitig das Echolotsystem Kongsberg Simrad EA 400 vorhanden. Darüber hinaus ist dort nach dem Vortrag des Schiffsführers das Gerät LEICA VIVA GS 25 verbaut, mit welchem die eigene wellenbedingt variierende Höhenposition des Schiffs bestimmt wird. Auf dem Dach befindet sich schließlich ein elektronischer Kompass, der der exakten Navigation, also der genauen örtlichen Bestimmung des Schiffs dient. Auch nach dem Vortrag der Beklagten ist die „G“ neben dem Einzelecholot mit einem DGPS-Server zur 3-D-Ortung und einem Peilrechner zur Erfassung, Speicherung und Darstellung der Peildaten ausgestattet. Damit verfügt sie – unabhängig davon, ob die Beklagte dem präzisen Vortrag des Schiffsführers zur Ausstattung der „G“ überhaupt entgegentreten wollte – jedenfalls auch unter Zugrundelegung deren Sachvortrags über elektronische Einrichtungen, die der Durchführung von Tiefenmessungen dienen. Unerheblich ist, dass die Peiltechnik nachgerüstet wurde. Tarifliche Anforderung ist lediglich, dass elektronische Einrichtungen für Tiefenmessungen auf Wasserstraßen auf dem Schiff vorhanden sind5.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. September 2019 – 4 AZR 42/19

  1. BAG 28.02.2018 – 4 AZR 678/16, Rn. 18 ff.[]
  2. ausf. BAG 28.02.2018 – 4 AZR 678/16, Rn. 41 ff.[]
  3. zu den Maßstäben der Tarifauslegung zB BAG 20.06.2018 – 4 AZR 339/17, Rn.19[]
  4. vgl. den Hinweis in BAG 28.02.2018 – 4 AZR 678/16, Rn. 34[]
  5. so bereits BAG 28.02.2018 – 4 AZR 678/16, Rn. 44[]

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