Geht dem öffentlichen Arbeitgeber die Bewerbung einer fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten schwerbehinderten oder dieser gleichgestellten Person zu, muss er diese nach § 82 Satz 2 SGB IX aF zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Unterlässt er dies, ist er dem erfolglosen Bewerber allerdings nicht bereits aus diesem Grund zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verpflichtet. Das Unterlassen einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch ist lediglich ein Indiz im Sinne von § 22 AGG, das die Vermutung begründet, dass der/die Bewerber/in wegen seiner/ihrer Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung nicht eingestellt wurde. Diese Vermutung kann der Arbeitgeber nach § 22 AGG widerlegen.

In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall bewarb sich der Stellenbewerber Anfang August 2015 mit einer E-Mail auf eine für den Oberlandesgerichtsbezirk Köln ausgeschriebene Stelle als Quereinsteiger für den Gerichtsvollzieherdienst. Die Bewerbung war mit dem deutlichen Hinweis auf seinen Grad der Behinderung von 30 und seine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen versehen. Der Stellenbewerber wurde, obwohl er fachlich für die Stelle nicht offensichtlich ungeeignet war, nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.
Der Stellenbewerber hat mit seiner Klage vom beklagten Land eine Entschädigung in Höhe von 7.434,39 € verlangt. Das beklagte Land hat demgegenüber geltend gemacht, die Bewerbung des Stellenbewerbers sei aufgrund eines schnell überlaufenden Outlook-Postfachs und wegen ungenauer Absprachen unter den befassten Mitarbeitern nicht in den Geschäftsgang gelangt. Schon aus diesem Grund sei der Stellenbewerber nicht wegen der (Schwer-)Behinderung bzw. Gleichstellung benachteiligt worden.
Das Arbeitsgericht Köln hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht Köln ihr teilweise stattgegeben und dem Stellenbewerber eine Entschädigung in Höhe von 3.717,30 € zugesprochen1. Die hiergegen gerichtete Revision des beklagten Landes NRW blieb vor dem Bundesarbeitsgericht im Ergebnis ohne Erfolg:
Der Stellenbewerber hat Anspruch auf eine Entschädigung aus § 15 Abs. 2 AGG in der zugesprochenen Höhe. Das beklagte Land hätte den Stellenbewerber, dessen Bewerbung ihm zugegangen war, nach § 82 Satz 2 SGB IX aF zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen.
Die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch begründete die Vermutung, dass der Stellenbewerber wegen seiner Gleichstellung mit einer schwerbehinderten Person benachteiligt wurde. Das beklagte Land hat diese Vermutung nicht widerlegt. Insoweit konnte das beklagte Land sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Bewerbung sei nicht in den Geschäftsgang gelangt. Dass ihm trotz Zugangs der Bewerbung ausnahmsweise eine tatsächliche Kenntnisnahme nicht möglich war, hat das beklagte Land nicht vorgetragen.
Auch die Höhe der Entschädigung war für das Bundesarbeitsgericht im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Januar 2020 – 8 AZR 484/18
- LAG Köln, Urteil vom 23.08.2018 – 6 Sa 147/18[↩]