Der Stimmabgabevermerk bei der Betriebsratswahl

Der Nachweis der Stimmabgabe kann nicht auf andere Weise als durch den nach § 12 Abs. 3 WO in Anwesenheit des Wählers oder in Fällen schriftlicher Stimmabgabe nach § 26 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WO in öffentlicher Sitzung anzubringenden Stimmabgabevermerke geführt werden.

Der Stimmabgabevermerk bei der Betriebsratswahl

Die Wahl eines Betriebsrats ist anfechtbar, wenn die Zahl der in den Wahlurnen befindlichen Stimmen mit der Zahl der Stimmabgabevermerke in der Wählerliste nicht übereinstimmt und die Differenz so groß ist, dass sie das Wahlergebnis beeinflussen konnte.

Nach § 19 BetrVG kann die Wahl eines Betriebsrats beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist. Das gilt nicht, wenn durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren ist § 12 Abs. 3 der Wahlordnung zum BetrVG (WO). Danach wirft der Wähler bei der Wahl den Wahlumschlag, in den der Stimmzettel eingelegt ist, in die Wahlurne ein, nachdem die Stimmabgabe in der Wählerliste vermerkt worden ist. Durch den in der Wählerliste anzubringenden Stimmabgabevermerk wird verhindert, dass nicht zur Wahl berechtigte Personen eine Stimme abgeben oder Wahlberechtigte mehrfach wählen. Bei elektronisch geführten Wählerlisten kann die Stimmabgabe auch elektronisch vermerkt werden. Eine spätere Ergänzung oder Berichtigung der Stimmabgabevermerke ist nicht zulässig. Die Stimmabgabe der Wähler kann auch nicht auf andere Weise als durch die Vermerke in der Wählerliste festgestellt oder bewiesen werden. Ergibt sich nach Abschluss der Wahl, dass sich in den Wahlurnen mehr Stimmzettel befinden, als die Wählerliste an abgegebenen Stimmen ausweist, lässt sich der hieraus folgende Verstoß gegen § 12 Abs. 3 WO nicht nachträglich heilen. Insbesondere kann nicht auf andere Weise – etwa durch nachträgliche Auswertung von Protokollierungsdateien oder durch Befragung von Zeugen – der Nachweis geführt werden, dass weitere Wähler als diejenigen, deren Stimmabgabe in der Wählerliste vermerkt ist, ihre Stimme abgegeben haben.

Das Bundesarbeitsgericht erklärte daher – anders als zuvor das Landesarbeitsgericht Niedersachsen1 – auf Antrag von neun wahlberechtigten Arbeitnehmern die im Frühjahr 2010 durchgeführte Betriebsratswahl im Volkswagen-Werk Hannover für unwirksam. Bei der Wahl befanden sich 105 mehr Stimmzettel in den Wahlurnen als Stimmabgabevermerke in der elektronischen Wählerliste. Hierdurch konnte das Wahlergebnis beeinflusst werden. Der später unternommene Versuch, durch Auswertung von Protokollierungsdateien und Befragung von Arbeitnehmern die Differenz zu erklären, war nicht zulässig.

Die Betriebsratswahl ist nach § 19 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Nach dieser Bestimmung kann die Betriebsratswahl angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Diese Voraussetzungen für eine erfolgreiche Anfechtung der Betriebsratswahl liegen vor. Die nach Auszählung der Stimmen festgestellte Differenz von mindestens 105 nicht vermerkten Stimmen beruht auf einem Verstoß des Wahlvorstands bzw. der Wahlhelfer gegen § 12 Abs. 3 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung – WO)2, der eine wesentliche Vorschrift über das Wahlrecht nach § 19 Abs. 1 BetrVG ist. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war der von den Betriebsparteien unternommene Versuch unzulässig, die Differenz nachträglich durch Auswertung von Protokollierungsdateien und Befragung von Arbeitnehmern zu erklären. Nach Maßgabe von § 19 Abs. 1 letzter Halbsatz BetrVG kann es nicht ausgeschlossen werden, dass das Wahlergebnis ohne die Berücksichtigung von 105 doppelt oder zu Unrecht abgegebenen Stimmen anders ausgefallen wäre.

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Nach § 12 Abs. 3 WO gibt die Wählerin oder der Wähler bei der Wahl ihren oder seinen Namen an und wirft den Wahlumschlag, in den der Stimmzettel eingelegt ist, in die Wahlurne ein, nachdem die Stimmabgabe in der Wählerliste vermerkt worden ist.

Befinden sich bei der Stimmauszählung mehr Stimmzettel in der Wahlurne als Stimmabgaben in der Wählerliste vermerkt waren, ist dies entweder darauf zurückzuführen, dass Wahlvorstand bzw. Wahlhelfer es unterlassen haben, von Wahlberechtigten abgegebene Stimmen zu vermerken, oder darauf, dass die Stimmabgaben nicht Wahlberechtigter zugelassen wurden. In beiden Fällen ist § 12 Abs. 3 WO verletzt.

Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass § 12 Abs. 3 WO eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren iSd. § 19 Abs. 1 BetrVG ist. Durch den Stimmabgabevermerk in der Wählerliste, der auch durch den Wahlhelfer angebracht werden kann, wird verhindert, dass nicht zur Wahl berechtigte Personen eine Stimme abgeben oder Wahlberechtigte mehrfach wählen, etwa – wie nach den Feststellungen des Wahlvorstands hier in zehn Fällen geschehen – durch Briefwahl und zusätzlich an der Urne. Ein Abgleich der Anzahl abgegebener Stimmen mit der Zahl der Stimmabgabevermerke ermöglicht außerdem die Kontrolle, ob über die von Wahlberechtigten abgegebenen Stimmen hinaus weitere Wahlumschläge in die Wahlurne geworfen wurden. Die Stimmabgabe kann auch in einer elektronisch geführten Wählerliste vermerkt werden3. Zur Vermeidung einer mehrfachen Stimmabgabe in verschiedenen Wahllokalen muss dabei aber sichergestellt sein, dass der Eintrag in der elektronisch geführten Wählerliste zugleich in den anderen Wahllokalen sichtbar ist4.

Ergibt sich nach Abschluss der Wahl, dass sich in den Wahlurnen mehr Stimmzettel befinden, als die Wählerliste an abgegebenen Stimmen ausweist, lässt sich der hieraus folgende Verstoß gegen § 12 Abs. 3 WO nicht nachträglich heilen. Eine spätere Ergänzung oder Berichtigung der Stimmabgabevermerke ist von der Wahlordnung nicht vorgesehen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann der Nachweis der Stimmabgabe nicht auf andere Weise als durch die nach § 12 Abs. 3 WO in Anwesenheit des Wählers oder in Fällen schriftlicher Stimmabgabe nach § 26 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WO in öffentlicher Sitzung anzubringenden Stimmabgabevermerke geführt werden, insbesondere nicht durch die Auswertung von Protokollierungsdateien und Befragung von Zeugen. Dagegen spricht das durch § 14 Abs. 1 BetrVG auch für die Betriebsratswahl gewährleistete Wahlgeheimnis, das lediglich durch die Stimmabgabevermerke nach § 12 Abs. 3 WO sowie durch die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Wahlakten nach § 19 WO durchbrochen ist.

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Nach dem Grundsatz der geheimen Wahl darf die Stimmabgabe des Wählers keinem anderen bekannt werden. Dies dient dem Zweck, den Wähler vor jeglichem sozialen Druck zu schützen. Der Grundsatz der geheimen Wahl gilt nicht nur für den eigentlichen Wahlakt, sondern auch für die Wahlvorbereitung sowie nach Beendigung der Wahl gegenüber Auskunftsverlangen über die Stimmabgabe. Einschränkungen des Grundsatzes der geheimen Wahl nach § 14 Abs. 1 BetrVG sind nur zulässig, wenn diese zur Durchführung einer ordnungsgemäßen Wahl erforderlich sind5. Diese Grundsätze sind insbesondere durch das Verfahren über die Stimmabgabe, den Wahlvorgang und die Stimmauszählung in §§ 11 ff. WO formalisiert und unabdingbar ausgestaltet.

Eine Einschränkung der geheimen Wahl sieht danach § 12 Abs. 3 WO vor. Diese Vorschrift bestimmt, dass der Wähler den Wahlumschlag in die Wahlurne wirft, „nachdem“ die Stimmabgabe in der Wählerliste vermerkt worden ist. Danach ist es zwingend vorgeschrieben, die Stimmabgabe zu vermerken, bevor der Wähler den Wahlumschlag in die Urne einwerfen kann6. Der Wähler hat damit zum Zeitpunkt des Stimmabgabevermerks, der vor Einwurf des Wahlumschlags in die Urne stattfindet, anwesend zu sein. Eine spätere Anfertigung, Korrektur oder Ergänzung des Stimmabgabevermerks sieht die Bestimmung nicht vor.

Die Stimmabgabe der Wähler kann in zulässiger Weise nicht auf andere Weise als durch die Vermerke in der Wählerliste festgestellt oder bewiesen werden. Eine nachträgliche Aufklärung der Stimmabgabe ist insbesondere nicht durch § 19 WO legitimiert. Zwar ergibt sich aus der in § 19 WO normierten Pflicht des Betriebsrats, die Wahlakten mindestens bis zur Beendigung seiner Amtszeit aufzubewahren, ein Recht zur Einsichtnahme in die Wählerliste mit den Stimmabgabevermerken. Dieses Recht bedarf eines berechtigten Interesses, soweit die Aufzeichnungen zB zu Stimmabgaben Schlüsse auf das Wahlverhalten der Arbeitnehmer zulassen. Jedoch legitimiert das Einsichtsrecht auch unter diesen Voraussetzungen keine weitergehenden Maßnahmen zur Aufklärung von Stimmendifferenzen. Unzulässig ist bereits die Auswertung von Protokollierungsdateien einer elektronischen Wählerliste.

Die Aufbewahrungspflicht nach § 19 WO soll es ermöglichen, auch nach Abschluss der Betriebsratswahl vom Inhalt der Wahlakten Kenntnis zu nehmen, um die Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratswahl überprüfen zu können7. Diese Befugnis steht nicht nur dem Betriebsrat zu, der die Wahlakten aufzubewahren hat und dessen Mitglieder deshalb jederzeit ohne Weiteres über die Möglichkeit verfügen, Einsicht zu nehmen. Vielmehr ergibt sich aus dem Zweck der Aufbewahrungspflicht grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme in die Wahlakten zumindest für diejenigen, die nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG berechtigt sind, die Betriebsratswahl anzufechten, also für Arbeitnehmer, Arbeitgeber und jede im Betrieb vertretene Gewerkschaft8.

Das Recht auf Einsichtnahme erfährt jedoch eine Einschränkung für Bestandteile von Wahlakten der Betriebsratswahl, aus denen Rückschlüsse auf das Wahlverhalten einzelner Arbeitnehmer gezogen werden können. Die Wahlakten einer Betriebsratswahl enthalten nicht nur Unterlagen, die bereits während der Wahl und deren Vorbereitung im Betrieb ohnehin öffentlich zugänglich waren, zB die Wählerlisten, das Wahlausschreiben oder die Wahlvorschläge. Zu den Wahlakten gehören auch Schriftstücke, die nicht durch Aushang oder Auslegung im Betrieb veröffentlicht wurden und die Rückschlüsse auf die Stimmabgabe der Wahlberechtigten zulassen, zB die mit Stimmabgabevermerken des Wahlvorstands versehenen Wählerlisten, ggf. auch von Briefwählern zurückgesandte Briefwahlunterlagen oder an den Wahlvorstand gerichtete Schreiben einzelner Wahlberechtigter. Durch die Einsichtnahme des Arbeitgebers in diese Unterlagen werden schützenswerte Belange der wahlberechtigten Arbeitnehmer berührt9.

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Die Wahlakten der Betriebsratswahl geben zwar idR keinen Aufschluss darüber, wem einzelne Wahlberechtigte ihre Stimme gegeben haben. Aus den mit Stimmabgabevermerken des Wahlvorstands versehenen Wählerlisten kann aber geschlossen werden, wer sich nicht an der Wahl beteiligt hat. Auch dies ist ein Umstand, der durch das Wahlgeheimnis geschützt wird, weil in der Unterlassung der Stimmabgabe eine Wahlentscheidung liegen kann. Ggf. kann auch aus Briefwahlunterlagen oder aus persönlichen Schreiben einzelner Wahlberechtigter an den Wahlvorstand, die dieser zu den Wahlakten genommen hat, auf deren Wahlverhalten geschlossen werden. Die wahlberechtigten Arbeitnehmer besitzen ein berechtigtes Interesse an der möglichst vertraulichen Behandlung derartiger Unterlagen. Die Einsichtnahme in solche Bestandteile der Wahlakten ist deshalb nur zulässig, wenn sie gerade in diese Schriftstücke zur Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit der Wahl notwendig ist. Das ist jeweils darzulegen10.

Ein Anspruch auf Einsichtnahme und Überprüfung von Wahlunterlagen nach § 19 WO dient allein der Dokumentation und Prüfbarkeit des Wahlergebnisses. Er rechtfertigt keine weitergehenden Recherchen zur Aufklärung von Differenzen, die sich bei der Stimmauszählung zwischen vorhandenen Stimmabgabevermerken und vorhandenen Wahlumschlägen ergeben. Sowohl die Vorlage von Fragebögen über die Teilnahme an der Wahl als auch eine Vernehmung von Arbeitnehmern, die sich dazu verhält, stellen einen unzulässigen Eingriff in den Grundsatz der geheimen Wahl nach § 14 Abs. 1 BetrVG dar. Angesichts des damit gesetzlich verbürgten Wahlgeheimnisses darf auch niemand durch eine „freiwillige Befragung“ zur Auskunft angehalten werden, ob und ggf. wann er an der Wahl teilgenommen hat. Ein derart wesentlicher Eingriff in das Wahlgeheimnis bedürfte jedenfalls eines formal ausgestalteten und rechtssicher handhabbaren Verfahrens insbesondere dazu, wer auf welcher Grundlage Beweis erheben kann, welche Beweismittel zulässig sein sollen und wie bei einem „non liquet“ zu entscheiden ist. Ein solches Verfahren sieht die Wahlordnung aber nicht vor.

Danach ist auch die nachträgliche Auswertung von im System vorhandenen Protokollierungsdateien nicht statthaft. Über den Anspruch auf Einsichtnahme in Wahlunterlagen nach § 19 WO zum Zwecke der Prüfung hinaus besteht keine Möglichkeit zur Ermittlung der Stimmabgabe durch eine Auswertung von Protokollierungsdateien, die bei Verwendung von elektronischen Wählerlisten erstellt wurden.

Das Bundesarbeitsgericht hat bisher noch nicht entschieden, ob und wie die Grundsätze zur Einsichtnahme in „Wahlakten“ bei elektronischen Wählerlisten gelten. Unklar ist insoweit, ob und inwieweit Dateien Teil der vom Betriebsrat nach § 19 WO aufzubewahrenden Wahlakten sind und wie ggf. ein Recht auf Einsichtnahme zu verwirklichen ist. Eine Aufbewahrung elektronischer Dateien durch den Betriebsrat ist jedenfalls vom Wortlaut des § 19 WO nicht vorgesehen. Logdateien sind keine „Wahlakten“, zu denen ua. Sitzungsniederschriften, Stimmzettel, der Berechnungszettel und die Niederschrift über das Wahlergebnis sowie dessen Bekanntmachung gehören11. Die Dateien der elektronischen Wählerliste werden dagegen im EDV-System gespeichert und nicht in „Wahlakten“ in Form von schriftlichen Unterlagen. Dies schließt die Einsichtnahme in eine elektronische Wählerliste und mithin in eine entsprechende Logdatei zunächst begrifflich aus. Zu einem anderen Ergebnis könnte allerdings eine insbesondere Sinn und Zweck des Rechts zur Einsicht berücksichtigende Auslegung führen. Es erscheint zumindest nicht ausgeschlossen, dass Logdateien in der Konsequenz einer zulässigen Verwendung elektronischer Wählerlisten zu den aufzubewahrenden Wahlakten zu zählen sind. Dann bestünde ein Anspruch für alle nach § 19 WO zur Einsichtnahme berechtigten Personen und Stellen. Ließe man ein Einblicksrecht in der Konsequenz einer erlaubten elektronischen Wählerliste zu, wären dafür Sicherungen nach § 9 BDSG erforderlich.

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Diese Fragen bedurften hier indes letztlich keiner Entscheidung. Jedenfalls sind zusätzliche Recherchen nach Abschluss der Wahl, die über einen Einblick in Wahlunterlagen in Form von Dateien hinausgehen, weder durch § 12 Abs. 3 WO noch durch § 19 WO legitimiert. Ebenso wenig wie im Fall von Unstimmigkeiten aufgrund schriftlich erstellter Stimmabgabevermerke weitere Untersuchungen angestellt werden dürfen, kommt eine Datenauswertung aufgrund anderer elektronischer Unterlagen in Betracht. Folglich darf niemand – auch nicht der Systemadministrator – damit beauftragt werden, Logdateien darauf zu überprüfen, welche Wähler ihren Werksausweis einscannen ließen, ohne dass die Stimmabgabe registriert wurde.

Auch konnte das Bundesarbeitsgericht dahinstehen lassen, ob einem – nachträglichen – Zugriff des Betriebsrats oder des Arbeitgebers auf die elektronische Wählerliste nicht § 2 Abs. 4 Satz 4 WO entgegensteht. Danach müssen im Falle der aus-schließlich in elektronischer Form bekannt gemachten Wählerliste Vorkehrungen getroffen werden, dass Änderungen nur vom Wahlvorstand vorgenommen werden können. Das dürfte auch und erst recht gelten, wenn die elektronische Wählerliste für die Stimmabgabevermerke verwendet wird. Das Amt des Wahlvorstands endet jedoch spätestens, wenn der nun gewählte Betriebsrat in seiner konstituierenden Sitzung einen Wahlleiter gewählt hat (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Regelungen darüber, was danach mit der nach § 2 Abs. 4 Satz 4 WO technisch zu sichernden ausschließlichen Zugriffskompetenz des Wahlvorstands geschehen soll, enthält das Gesetz nicht. Die Frage bedarf vorliegend keiner abschließenden Beurteilung. Bestenfalls ist die Verwendung einer Wählerliste in elektronischer Form ohnehin nur zulässig, wenn die technischen oder organisatorischen Rahmenbedingungen so beschaffen sind, dass Änderungen der Wählerliste nach § 2 Abs. 4 Satz 4 WO nur vom Berechtigten und betriebsöffentlich nachvollziehbar vorgenommen werden können.

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Sind Mitglieder des Wahlvorstands – bzw. die an dessen Stelle ggf. Berechtigten – aufgrund ihrer Fachkenntnisse nicht in der Lage, die für die Veränderung des elektronischen Dokuments erforderlichen Verarbeitungsschritte durchzuführen, können sie sich der Hilfe von Dritten bedienen. Die Hinzuziehung Dritter setzt aber zusätzliche Sicherungsmaßnahmen voraus, um die elektronische Bekanntmachung vor einer unbefugten Veränderung zu schützen. Sind Dritte in der Lage, ohne Mitwirkung des Wahlvorstands das in elektronischer Form bekannt gemachte Wahlausschreiben tatsächlich zu verändern, genügt dies den Anforderungen des § 2 Abs. 4 Satz 4 WO nicht. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 4 Satz 4 WO, der auf das „Können“ und nicht auf das „Dürfen“, dh. die Befugnis zur Vornahme von Änderungen abstellt. Änderungen der Wählerliste dürfen nur von den Mitgliedern des Wahlvorstands vorgenommen werden. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 Satz 4 WO liegen daher nicht mehr vor, wenn andere Mitarbeiter des Arbeitgebers, wie zB die Systemadministratoren, oder entsprechend beauftragte Externe ohne Mitwirkung und Kontrolle des Wahlvorstands auf das elektronische Dokument tatsächlich zugreifen können12.

Die Bearbeitung einer elektronischen Wählerliste darf auch deshalb nicht unkontrolliert in die Hände des Systemadministrators gelegt werden, weil diese dann nicht betriebsöffentlich überprüfbar wäre. Bei allgemeinen Wahlen gebietet der Grundsatz der Öffentlichkeit, dass alle wesentlichen Schritte der Wahl grundsätzlich öffentlicher Überprüfbarkeit unterliegen. Beim Einsatz elektronischer Wahlgeräte müssen die wesentlichen Schritte der Wahlhandlung und Ergebnisermittlung vom Bürger zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können13. Dieser Grundsatz gilt entsprechend für die betriebsöffentlichen Wahlen nach dem BetrVG.

Der vom Betriebsrat, der Arbeitgeberin und Mitgliedern des ehemaligen Wahlvorstands unternommene Versuch einer nachträglichen Aufklärung der Stimmabgaben verstieß danach gegen § 12 Abs. 3 WO.

Bei der Stimmauszählung lagen mindestens 105 Stimmzettel mehr in der Wahlurne als Stimmabgaben in der Wählerliste vermerkt waren. Diese Differenz basiert auf einem Fehler, der entweder darin liegt, dass der Wahlvorstand bzw. Wahlhelfer es – möglicherweise durch eine fehlerhafte Bedienung des Programms der elektronischen Wählerliste – unterlassen hat, von den Wahlberechtigten abgegebene Stimmen zu vermerken, oder darauf, dass Stimmabgaben nicht Wahlberechtigter zugelassen wurden.

Die Ursache für diese Differenz, die der Wahlvorstand bei der Stimmauszählung festgestellt hat, ließ sich nicht im Nachhinein zulässig aufklären.

Der externe Systemadministrator C durfte nicht damit beauftragt werden, Protokollierungsdateien der sogenannten Logdateien auszuwerten, um festzustellen, welche Wähler zwar ihren Werksausweis einscannen ließen, deren Stimmabgabe aber vom Programm nicht automatisch registriert wurde, weil der Wahlhelfer das Programm zuvor nicht von dem manuellen auf den automatischen Modus umgestellt hat. Abgesehen davon, dass diese Recherche durch eine unzulässige Auswertung der Logdateien geschah, bestehen insoweit beträchtliche Zweifel, ob die Anforderungen erfüllt waren, die an die zulässige Verwendung einer elektronischen Wählerliste zu stellen sind. Die Aussage des Zeugen C vor dem Landesarbeitsgericht, auf die im angefochtenen Beschluss Bezug genommen ist, lässt nicht erkennen, ob und ggf. welche Sicherungen dafür vorhanden waren, dass keine Änderungen an der Wählerliste ohne Mitwirkung des Wahlvorstands – respektive des Betriebsrats – vorgenommen werden konnten. Vielmehr hatte der Zeuge nach seinem Bekunden ständig Zugriff auf den Server der Arbeitgeberin, auf dem die Wählerliste abgelegt war. Auf diese Weise fertigte er ua. für den Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin bearbeitete Ausdrucke.

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In ebenfalls unzulässiger Weise hat die Arbeitgeberin 70 der vom Systemadministrator ermittelten Wähler danach befragt, ob sie ihre Stimme abgegeben haben. Dies hat das Arbeitsgericht anders als das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

Der Verstoß ist geeignet, das Wahlergebnis zu beeinflussen.

Nach § 19 Abs. 1 letzter Halbsatz BetrVG berechtigt ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn er das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnte. Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte. Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl14.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass 105 Stimmen von nicht wahlberechtigten Personen abgegeben wurden. Damit hätte das Wahlergebnis ohne die unter Verstoß gegen § 12 Abs. 3 WO nachträglich korrigierten Stimmabgaben anders ausfallen können. Die Berechnung der den einzelnen Vorschlagslisten zufallenden Betriebsratssitze erfolgte gemäß § 15 WO nach dem d`Hondtschen Höchstzahlensystem. Danach konnte sich das Wahlergebnis im vorliegenden Fall ändern, wenn der Wahlvorschlag 3 „M“ 62 oder mehr unzulässige Doppelstimmen erhalten hätte. Nur die Abgabe von bis zu 61 Doppelstimmen hätte sich auf das Wahlergebnis nicht auswirken können.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 12. Juni 2013 – 7 ABR 77/11

  1. LAG Niedersachsen, 12.09.2011 – 13 TaBV 16/11[]
  2. vom 11.12.2001, BGBl. I S. 3494[]
  3. vgl. BR-Drucks. 838/01 S. 28 zu § 2[]
  4. Fitting 26. Aufl. § 12 WO 2001 Rn. 9[]
  5. vgl. BAG 27.07.2005 – 7 ABR 54/04, zu B II 2 d der Gründe mwN, BAGE 115, 257[]
  6. Fitting 26. Aufl. § 12 WO 2001 Rn. 8[]
  7. dazu BAG 27.07.2005 – 7 ABR 54/04, zu B II 2 der Gründe, BAGE 115, 257[]
  8. vgl. BAG 27.07.2005 – 7 ABR 54/04, zu B II 2 c der Gründe, aaO[]
  9. BAG 27.07.2005 – 7 ABR 54/04, zu B II 2 d der Gründe mwN, BAGE 115, 257[]
  10. BAG 27.07.2005 – 7 ABR 54/04, zu B II 2 d der Gründe, BAGE 115, 257[]
  11. vgl. Fitting 26. Aufl. § 19 WO 2001 Rn. 1[]
  12. vgl. zur elektronischen Bekanntmachung von Wahlausschreiben BAG 21.01.2009 – 7 ABR 65/07, Rn. 21[]
  13. vgl. BVerfG 3.03.2009 – 2 BvC 3/07 ua., Leitsätze und Rn. 126, BVerfGE 123, 39[]
  14. st. Rspr. BAG 18.07.2012 – 7 ABR 21/11, Rn. 30 mwN[]