Verpflichtet sich der Arbeitgeber in einem gerichtlichen Vergleich, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen, wird hierdurch im Zweifel nur die ohnehin bestehende Rechtslage bestätigt1.

Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge – auch Prozessvergleiche – so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist zunächst vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen2.
Verpflichtet sich der Arbeitgeber in einem gerichtlichen Vergleich, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen, wird hierdurch im Zweifel nur die ohnehin bestehende Rechtslage bestätigt1. Die vorzunehmende Abrechnung betrifft idR die tatsächlich bestehenden Ansprüche. Eine Verwendung des Worts „ordnungsgemäß“ soll die vorzunehmende Abrechnung näher beschreiben. Sie zielt auf eine Berechnung nach den außerhalb des Vergleichs aufzufindenden, von ihm unabhängig anzuwendenden Rechtsnormen3. Ein Anerkenntnis einer Zahlungspflicht liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die Ansprüche, auf die sich die Abrechnungspflicht beziehen soll, nicht benannt sind4.
Danach haben die Parteien auch in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall durch den Prozessvergleich vor dem Arbeitsgericht keine von der objektiven Rechtslage unabhängigen Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers begründet:
Hierfür spricht bereits der Wortlaut des Vergleichs. In dessen Ziff. 3 hat sich der Arbeitgeber verpflichtet, den Zeitraum vom 18.09.2017 bis zum 31.10.2017 ordnungsgemäß auf der Basis eines Monatsgrundgehalts iHv.01.900, 00 Euro abzurechnen und die sich daraus ergebenden Nettobeträge an den Arbeitnehmer zu zahlen. Die Regelung enthält keine Bezeichnung der abzurechnenden Ansprüche. Zudem lässt sie offen, wie die bereits abgerechneten und ausgezahlten Beträge in der (neu) zu erteilenden Abrechnung behandelt werden sollen. Nach den oben dargestellten Auslegungsgrundsätzen ergibt sich aus dem Vergleichswortlaut somit kein Rechtsbindungswille des Arbeitgebers, der darauf gerichtet ist, einen (Annahmeverzugs-)Anspruch zu begründen, der der objektiven Rechtslage nach nicht besteht. Auch die Formulierung, dass die Abrechnung „auf der Basis eines Monatsgrundgehalts in Höhe von 1.900, 00 Euro“ vorzunehmen ist, erlaubt keinen Rückschluss auf die Vereinbarung eines bestimmten Anspruchsgrunds. Hierdurch wird lediglich die Bemessungsgrundlage des abzurechnenden Anspruchs festgelegt. Anhand ihrer lässt sich nicht nur eine Annahmeverzugsvergütung, sondern gleichermaßen das Urlaubsentgelt berechnen. Eine – auch nur implizite – von der bestehenden Rechtslage abweichende Festlegung der rechtlichen Grundlage für die Zahlungspflicht lässt sich daraus nicht ableiten.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. August 2020 – 9 AZR 612/19
- BAG 22.10.2019 – 9 AZR 532/18, Rn. 49; 19.05.2004 – 5 AZR 434/03, zu I der Gründe; vgl. zu einer sonstigen Erklärung im Prozess: BAG 17.10.2017 – 9 AZR 80/17, Rn. 44[↩][↩]
- st. Rspr., vgl. nur BAG 20.11.2019 – 5 AZR 578/18, Rn. 22; 25.01.2017 – 4 AZR 522/15, Rn. 25; 24.09.2015 – 2 AZR 716/14, Rn. 35, BAGE 153, 20, jeweils mwN[↩]
- vgl. BAG 19.05.2004 – 5 AZR 434/03, zu I der Gründe[↩]
- vgl. BAG 22.10.2019 – 9 AZR 532/18, Rn. 49; 18.09.2018 – 9 AZR 162/18, Rn. 24, BAGE 163, 282[↩]
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