Der vermeintlich freie Mitarbeit als Arbeitnehmer – und der Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers

Stellt sich ein vermeintlich freies Dienstverhältnis im Nachhinein als Arbeitsverhältnis dar, kann in der Regel nicht davon ausgegangen werden, die für freie Mitarbeit vereinbarte Vergütung sei der Höhe nach auch für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer verabredet.

Der vermeintlich freie Mitarbeit als Arbeitnehmer – und der Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitgeber aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die Rückzahlung überzahlter Honorare verlangen, wenn der Arbeitnehmerstatus eines vermeintlich freien Mitarbeiters rückwirkend festgestellt wird.

Mit einer solchen Feststellung steht zugleich fest, dass der Dienstverpflichtete als Arbeitnehmer zu vergüten war und ein Rechtsgrund für die Honorarzahlungen nicht bestand, soweit die im Arbeitsverhältnis geschuldete Vergütung niedriger ist als das für das freie Dienstverhältnis vereinbarte Honorar.

War anstelle eines Honorars für die Tätigkeit im Arbeitsverhältnis eine niedrigere Vergütung zu zahlen, umfasst der Bereicherungsanspruch des Arbeitgebers nicht sämtliche Honorarzahlungen, sondern nur die Differenz zwischen den beiden Vergütungen. Im Übrigen ist der Arbeitnehmer nicht ohne Rechtsgrund bereichert1.

Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung trägt grundsätzlich der Anspruchsteller, hier also die Arbeitgeberin. Dies gilt auch für eine negative Tatsache wie das Fehlen des rechtlichen Grundes gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Den Leistungsempfänger, dh. den Arbeitnehmer, trifft allerdings eine sekundäre Darlegungslast2. Der Arbeitgeber muss daher nur denjenigen Rechtsgrund ausräumen, der sich aus dem Vortrag des Leistungsempfängers -des Arbeitnehmers- ergibt3.

Feststellung des Arbeitnehmerstatus[↑]

Ob zwischen den Parteien im Streitzeitraum kein freies Dienstverhältnis, sondern ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, ergibt sich nicht aus einem entsprechenden (rechtskräftigen) sozialgerichtlichen Urteil. Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens ist das Bestehen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung iSv. § 7 Abs. 1 SGB IV. Das ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Der hiernach legal definierte sozialversicherungsrechtliche Begriff der Beschäftigung umfasst zwar das Arbeitsverhältnis, ist mit diesem jedoch nicht vollkommen deckungsgleich4. Entsprechend kann die sozialversicherungsrechtliche Bewertung einer bestimmten Tätigkeit für deren arbeitsrechtliche Beurteilung keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen5.

Im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall haben beide Parteien jedoch – nach rechtskräftigem Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens – übereinstimmend vorgetragen, der Arbeitnehmer sei im Rahmen seiner Beschäftigung bei der Arbeitgeberin Arbeitnehmer gewesen. Daran anknüpfend hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass es sich bei dem Rechtsverhältnis der Parteien um ein Arbeitsverhältnis handelte.

Das Berufungsgericht hat allerdings konkrete Tatsachen, die seine Bewertung stützen, nicht explizit festgestellt. Für den Eintritt der Bindungswirkung des § 559 Abs. 2 ZPO ist es jedoch nicht stets erforderlich, dass die einem Rechtsbegriff zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände konkret vorgetragen und festgestellt worden sind. Die Parteien können bestimmte Tatsachen auch durch allgemein geläufige, einfache rechtliche Ausdrücke in den Rechtsstreit einführen, wenn diese den Teilnehmern des Rechtsverkehrs geläufig sind und mit ihnen das Vorliegen entsprechender tatsächlicher Umstände verbunden wird. Die Parteien lösen auf diese Weise eine Erklärungspflicht der Gegenseite gemäß § 138 Abs. 2 ZPO aus6. Maßgebend ist allein, ob der Begriff eine solche Einfachheit für sich beanspruchen kann. Darauf, ob die Feststellung seiner Voraussetzungen rechtlich und tatsächlich schwierig ist, kommt es nicht an7. Bei Rechtstatsachen, dh. rechtlichen Gegebenheiten, die durch allgemein geläufige Begriffe umschrieben werden, bewirkt das Nichtbestreiten, dass das Gericht von ihrem Vorliegen ausgehen, dh. den Vortrag als schlüssig und nicht beweisbedürftig ansehen kann8.

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Nach diesen Grundsätzen ist der Begriff „Arbeitsverhältnis“ prozessrechtlich ein einfacher Rechtsbegriff, der den Teilnehmern am Arbeitsleben geläufig ist. Zwar können die Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses im Einzelfall schwierig festzustellen sein. Darauf kommt es jedoch in dem vorliegenden prozessualen Zusammenhang nicht an. Maßgebend ist allein, ob der Begriff selbst eine solche Einfachheit für sich beanspruchen kann. Hinzu kommt hier, dass die Arbeitgeberin unter Bezug auf eine zwischen den Prozessparteien in einem vorangegangenen Verfahren ergangene rechtskräftige Entscheidung des Landessozialgerichts zum Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses iSv. § 7 Abs. 1 SGB IV behauptet hat, zwischen den Parteien habe ein Arbeitsverhältnis bestanden. Jedenfalls unter diesen Voraussetzungen hätte der Arbeitnehmer, der zuvor das sozialrechtliche Statusfeststellungsverfahren eingeleitet hatte, gemäß § 138 Abs. 2 ZPO die Behauptung der Klägerseite anhand von Tatsachen konkret bestreiten und darlegen müssen, aus welchen Gründen zwischen den Parteien zwar ein sozialrechtliches Beschäftigungsverhältnis, jedoch kein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Da dies nicht erfolgt ist, gilt der Vortrag der Arbeitgeberin zum Bestehen eines Arbeitsverhältnisses nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

Keine separate vorherige Feststellung

Der Begründetheit der Klage steht nicht entgegen, dass vor Klageerhebung der Arbeitnehmerstatus vom Arbeitsgericht nicht ausdrücklich festgestellt worden ist.

Eine gerichtliche Feststellung des Arbeitnehmerstatus auf Antrag des Mitarbeiters ist zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Rückzahlung überzahlter Honorare nicht per se erforderlich9. Das Fehlen eines entsprechenden Antrags des Arbeitnehmers führt im Streitfall nicht dazu, dass ihm gegenüber dem Rückzahlungsverlangen der Arbeitgeberin Vertrauensschutz zuzubilligen wäre10. Dem steht entgegen, dass der Arbeitnehmer selbst nach der Kündigung des Rechtsverhältnisses mit der Arbeitgeberin ein sozialrechtliches Statusfeststellungsverfahren gemäß § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV eingeleitet hat. An dem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren, mit dem sich die Arbeitgeberin gegen eine Einordnung des Rechtsverhältnisses als sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis gewandt hat, hat er sich aktiv beteiligt und seinen Status als freier Mitarbeiter für die Zeit der gesamten Beschäftigungsdauer ausdrücklich in Abrede gestellt. Jedenfalls bei dieser Sachlage musste der Arbeitnehmer damit rechnen, dass die Arbeitgeberin sich im Anschluss an die sozialgerichtliche Feststellung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses dortige Feststellungen, welche die Annahme eines Arbeitsverhältnisses stützen, zu eigen macht und in vergütungsrechtlicher Hinsicht die Rückabwicklung des Rechtsverhältnisses als Arbeitsverhältnis betreibt.

Die vereinbarte Honorar- bzw. Gehaltshöhe[↑]

Ein Rechtsgrund für die Honorarzahlungen ergibt sich entgegen der in der Vorinstanz vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vertretenen Auffassung11 nicht aus den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Ohne das Vorliegen besonderer Anhaltspunkte, an denen es im Streitfall fehlt, durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, das zwischen den Parteien für das vermeintlich freie Dienstverhältnis vereinbarte Stundenhonorar sei auch in dem tatsächlich bestehenden Arbeitsverhältnis der Parteien als Bruttoarbeitsentgelt maßgeblich.

Legen die Parteien ihrer Vergütungsvereinbarung eine unrichtige rechtliche Beurteilung darüber zugrunde, ob die Dienste abhängig oder selbständig erbracht werden, bedarf es der Auslegung, ob die Vergütung unabhängig von der rechtlichen Einordnung des bestehenden Vertrags geschuldet oder gerade an diese geknüpft ist12. Maßgebend ist der erklärte Parteiwille, wie er nach den Umständen des konkreten Falls aus der Sicht des Erklärungsempfängers zum Ausdruck kommt (§§ 133, 157 BGB). Für die Beurteilung, was die Parteien redlicherweise vereinbart hätten, ist ebenso wie für die Feststellung des gewöhnlich nicht ausdrücklich geäußerten Willens die spezifische Fallgestaltung entscheidend13. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt. Seine Annahme, Voraussetzung eines Rückforderungsanspruchs sei, dass bei dem Dienstberechtigten unterschiedliche Vergütungsordnungen für freie Mitarbeiter und Arbeitnehmer bestehen, greift zu kurz und verliert die gebotene Auslegung der getroffenen Vereinbarungen aus dem Blick.

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Richtig ist zwar, dass dann, wenn wie etwa bei Rundfunkanstalten, beim Dienstberechtigten unterschiedliche Vergütungsordnungen für Arbeitnehmer und freie Mitarbeiter bestehen, regelmäßig anzunehmen ist, dass die Parteien die Vergütung des Dienstverpflichteten der ihrer Auffassung nach zutreffenden Vergütungsordnung entnehmen wollen. Es fehlt dann an einer Vergütungsvereinbarung für das in Wahrheit vorliegende Rechtsverhältnis13.

Aber auch dann, wenn es an solchen unterschiedlichen Vergütungsordnungen fehlt, kann eine für freie Mitarbeiter ausdrücklich getroffene Vergütungsvereinbarung nicht ohne Weiteres auch im Arbeitsverhältnis als maßgeblich angesehen werden. Andernfalls bliebe außer Acht, dass die Vergütung von Personen, die im Rahmen eines Dienstvertrags selbständige Tätigkeiten erbringen, typischerweise zugleich Risiken abdecken soll, die der freie Mitarbeiter anders als ein Arbeitnehmer selbst trägt. Das betrifft nicht nur Risiken, gegen die Arbeitnehmer durch die gesetzliche Sozialversicherung abgesichert sind. Freie Mitarbeiter müssen zudem in Rechnung stellen, dass sie von Gesetzes wegen gegen den Verlust des Vergütungsanspruchs bei Arbeitsausfällen deutlich weniger geschützt sind als Arbeitnehmer. So haben sie bspw. keinen Anspruch auf bezahlten Mindesturlaub, sofern nicht die Voraussetzungen des § 2 Satz 2 BUrlG vorliegen, Feiertagsvergütung sowie – außerhalb von § 616 BGB – auf Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfall und Vergütung in den Fällen des § 615 Satz 3 BGB. Außerdem finden auf freie Mitarbeiter eine Vielzahl von Arbeitnehmerschutzbestimmungen, etwa das Kündigungsschutzgesetz, keine Anwendung und kommen ihnen die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung mit den damit verbundenen Privilegierungen nicht zugute14. Es kommt hinzu, dass bei freien Dienstverträgen die Vergütung meist – wie im Streitfall – als „Honorar“ oder ähnlich bezeichnet wird und der Vertrag häufig Regelungen über die Abführung der Umsatzsteuer enthält.

Vor diesem Hintergrund muss dem Mitarbeiter regelmäßig klar sein, dass er die für ein freies Dienstverhältnis vereinbarte Vergütung nicht als Bruttoarbeitsentgelt beanspruchen kann, falls sich das Rechtsverhältnis in Wahrheit als Arbeitsverhältnis darstellt. Nur in Ausnahmefällen, für deren Eingreifen es besonderer; vom Arbeitnehmer darzulegender Anhaltspunkte bedarf, wird deshalb eine konstitutive, auf die Zahlung eines Stundenhonorars gerichtete Vergütungsvereinbarung für freie Mitarbeit dahin auszulegen sein, dass sie unabhängig von der Rechtsnatur des vereinbarten Rechtsverhältnis Gültigkeit haben soll15. Fehlt es an solchen Umständen und lässt sich durch ergänzende Vertragsauslegung die Höhe der Vergütung nicht zweifelsfrei bestimmen, führt dies zur Anwendung von § 612 Abs. 2 BGB und damit zu einem Anspruch auf die übliche Vergütung16.

Dem BAG-Urteil vom 21.11.200117 ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Die Entscheidung bezieht sich auf Beschäftigte im öffentlichen Dienst, konkret eine Lehrerin an einer städtischen Volkshochschule. Für diesen Personenkreis hat das Bundesarbeitsgericht bereits aus der Unüblichkeit einer Pauschalvergütung bei Bestehen eines Arbeitsverhältnisses abgeleitet, die Vereinbarung eines Stundenhonorars könne bei irrtümlicher Behandlung des Rechtsverhältnisses als freies Dienstverhältnis nicht auch für das in Wahrheit bestehende Arbeitsverhältnis als verbindlich angesehen werden. Soweit es in der Entscheidung obiter heißt, „… insofern mag es außerhalb des öffentlichen Dienstes anders liegen und wird sich vielfach die vereinbarte Vergütung unabhängig von der rechtlichen Qualifizierung des Vertragsverhältnisses als für die Vergangenheit und sogar für die Zukunft maßgeblich erweisen“, ist damit nicht gesagt, dass es für eine solche Schlussfolgerung besonderer Anhaltspunkte nicht bedürfte. Sollten die Ausführungen anders zu verstehen sein, hält das Bundesarbeitsgericht daran nicht fest.

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Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers[↑]

Danach hat die Arbeitgeberin dem Grunde nach einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Herausgabe der überzahlten Vergütung, wenn sie -wie hier- schlüssig dargelegt hat, dass sie dem Arbeitnehmer ohne rechtlichen Grund Honorare gezahlt hat, ohne hierzu verpflichtet gewesen zu sein.

Der Arbeitnehmer hat nach objektiver Rechtslage seine Dienste nicht als Selbständiger gegen Zahlung der vereinbarten Honorare geleistet, sondern im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Die von der Arbeitgeberin erbrachten Honorarzahlungen konnte der Arbeitnehmer nach den Darlegungen der Arbeitgeberin in einem Arbeitsverhältnis nicht beanspruchen. Hiervon ausgehend war es Sache des Arbeitnehmers im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast Umstände vorzutragen, aus denen sich ergibt, dass die für die selbständige Tätigkeit vereinbarte Vergütung nach dem Willen der Parteien auch in einem Arbeitsverhältnis gelten sollte. Er hätte deshalb zumindest Indiztatsachen darlegen müssen, die seine Behauptung stützen.

Dieser Anforderung genügt das Vorbringen des Arbeitnehmers nicht. Er hat keinen Vortrag dazu geleistet, nach welchen Kriterien die vereinbarte Vergütung der Höhe nach bemessen wurde oder aufgrund welcher sonstigen Umstände die Annahme berechtigt sein soll, die individuell getroffenen Vergütungsvereinbarungen seien von seinem Status als vermeintlich freier Mitarbeiter unabhängig. Vielmehr liegen mit der Vereinbarung eines pauschalen Stundenhonorars zzgl. Mehrwertsteuer Umstände vor, die in die gegenteilige Richtung weisen. Diese Annahme wird noch verstärkt durch die Höhe des zuletzt vereinbarten Honorars von 60, 00 Euro „je angefallener Stunde“, das nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Arbeitgeberin mehr als das Doppelte über dem Satz der Vergütung lag, die Arbeitnehmer nach der höchsten Entgeltgruppe des für ihr Unternehmen abgeschlossenen Haustarifvertrags beanspruchen konnten. Die Indizwirkung dieser Tatsachen wird auch nicht durch die Behauptung des Arbeitnehmers entkräftet, die Arbeitgeberin habe Softwareunternehmen, die sie ua. im Fall seiner Abwesenheit beauftragt habe, noch weitaus höhere Stundensätze gezahlt. Das ist lediglich Ausdruck des von diesen Unternehmen kalkulierten Aufwands der beauftragten selbständigen Tätigkeiten.

Keine Störung der Geschäftsgrundlage[↑]

Der Bereicherungsanspruch der Arbeitgeberin ist nicht wegen eines etwaigen Vorrangs der Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ausgeschlossen. Die (ergänzende) Vertragsauslegung geht insoweit vor18. Maßgeblich sind dann die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen19.

Kenntnis des Arbeitgebers?[↑]

Der Bereicherungsanspruch der Arbeitgeberin aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ist ebenso wenig nach § 814 BGB ausgeschlossen.

Nach § 814 BGB kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Erforderlich ist die positive Kenntnis der Rechtslage im Zeitpunkt der Leistung20. Nicht ausreichend ist die Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich das Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung ergibt. Der Leistende muss wissen, dass er nach der Rechtslage nichts schuldet. Er hat aus den ihm bekannten Tatsachen auch eine im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung zu ziehen, wobei allerdings eine entsprechende „Parallelwertung in der Laiensphäre“ genügt21. Für die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 814 BGB ist der Leistungsempfänger darlegungs- und beweispflichtig22.

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Dafür, dass die Arbeitgeberin die Honorarzahlungen in diesem Sinne in Kenntnis der Nichtschuld vorgenommen hätte, ergaben sich im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall aus dem bisherigen Vorbringen des darlegungs- und beweispflichtigen Arbeitnehmer keine Anhaltspunkte. Seine Ausführungen lassen allenfalls den Schluss zu, dass die Arbeitgeberin hinsichtlich der Einordnung des Rechtsverhältnisses als freies Dienstverhältnis Zweifel hegte. Dies führt aber nicht zur Anwendung von § 814 BGB. Selbst wenn die Unkenntnis der Arbeitgeberin von der zutreffenden Rechtslage auf grober Fahrlässigkeit beruht hätte, schlösse das den Rückforderungsanspruch nicht aus23.

Höhe der Arbeitsvergütung[↑]

Die Parteien haben über die Höhe der von der Arbeitgeberin geschuldeten Arbeitsvergütung keine Vereinbarung getroffen. Da die Arbeit des Arbeitnehmers nach § 612 Abs. 1 BGB jedoch von der Arbeitgeberin nur gegen Vergütung zu erwarten war, ist nach § 612 Abs. 2 BGB die übliche Bruttoarbeitsvergütung in Ansatz zu bringen. Die dafür erforderlichen Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht im vorliegenden Fall bisher nicht getroffen und wird es nachzuholen haben. Das ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil das bisherige Vorbringen der Arbeitgeberin zum Umfang des im Rahmen eines Bereicherungsausgleichs in Ansatz zu bringenden Saldos unschlüssig ist und die Vorinstanzen sie hierauf nicht hingewiesen haben.

Die Arbeitgeberin hat in den Vorinstanzen lediglich vorgetragen, welche Bruttoarbeitsvergütung dem Arbeitnehmer ihrer Auffassung nach gemäß § 612 Abs. 2 BGB zustünde. Dabei hat sie einen von dem Arbeitnehmer bestrittenen Arbeitsentgeltanspruch zugrunde gelegt, der sich aus einer Auskunft aus dem Portal der Bundesagentur für Arbeit „Lohnspiegel“ ergibt. Das reicht zur Darlegung ihres Rückzahlungsverlangens nicht aus. Auch wenn der Arbeitnehmer lediglich die im Arbeitsverhältnis übliche Vergütung beanspruchen kann, muss sich der Arbeitgeber im Rahmen von § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht nur diese Vergütung, sondern auch die hierauf entfallenden Arbeitgeberanteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag anrechnen lassen24. Die Arbeitgeberin hat die von ihr zu tragenden und an die Einzugsstelle abgeführten Anteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag auf der Basis der aufgezeigten Berechnung des Bruttoarbeitsverdienstes in den Vorinstanzen mit 6.007, 25 Euro beziffert. Ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kommt von vorneherein nur in dem Umfang in Betracht, wie die Summe beider Positionen – Bruttoarbeitsverdienst zzgl. Arbeitgeberanteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag – gegenüber den geleisteten Honoraren einen Saldo zugunsten des Arbeitgebers ergibt. Ein Anspruch auf Erstattung geleisteter Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung steht der Arbeitgeberin nicht zu. Diesen muss der Arbeitgeber kraft Gesetzes selbst tragen25. Ein Sachverhalt, der zivilrechtliche Schadensersatzansprüche, insbesondere aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung iSv. § 826 BGB, begründen könnte, liegt ausgehend von dem eigenen Vorbringen der Arbeitgeberin offensichtlich nicht vor.

Da die Arbeitgeberin erkennbar die Unschlüssigkeit ihres Begehrens in der Höhe übersehen hat und ihr in den Vorinstanzen kein entsprechender Hinweis nach § 139 Abs. 2 ZPO erteilt wurde, muss ihr nach Zurückverweisung Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag gegeben werden. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb zunächst herauszuarbeiten haben, welches Vorbringen der Parteien zur Bemessung der üblichen Vergütung streitig oder unstreitig ist. Gegebenenfalls wird es auf geeigneten Sachvortrag der Parteien, insbesondere zu den konkreten Arbeitsaufgaben des Arbeitnehmers im Rahmen der jeweils vereinbarten Tätigkeiten hinzuwirken haben. Sollte sich danach die übliche Vergütung nicht auf der Grundlage der von der Arbeitgeberin bezeichneten allgemein zugänglichen Quellen feststellen lassen, wird es ein Sachverständigengutachten einzuholen haben. Im Anschluss und ggf. nach weiterem Sachvortrag der Parteien wird es diese darauf hinzuweisen haben, von welcher üblichen Vergütung es ausgeht. Soweit die sich daraus für den Streitzeitraum berechnende Gesamtvergütung niedriger ist als die geleisteten Honorare, wird es der Arbeitgeberin die Möglichkeit zu geben haben, ihr Rückzahlungsverlangen hinsichtlich einzurechnender Arbeitgeberanteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu substantiieren, insbesondere vorzutragen, nach welchen Prozentsätzen diese für welche Zeiträume zu bemessen sind. Sollte sich aus der Bestimmung der üblichen Vergütung ein geringerer Gesamtsozialversicherungsbeitrag ergeben als bislang von der Arbeitgeberin für den Zeitraum Dezember 2004 bis März 2009 (12.183,33 €) errechnet, könnten in Bezug auf überzahlte Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung Rückforderungsansprüche der Arbeitgeberin gegen den Arbeitnehmer in Betracht kommen. Dabei müsste die Arbeitgeberin die hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze in den Blick nehmen26.

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Entreicherung des Arbeitnehmers[↑]

Im vorliegenden Streitfall ist zwischen den Parteien des Weiteren umstritten, ob der Arbeitnehmer iSv. § 818 Abs. 3 BGB entreichert ist. Feststellungen dazu hat das Landesarbeitsgericht bisher nicht getroffen und wird es ggf. nachzuholen haben. Auf der Grundlage des bisherigen Parteivorbringens kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um gleichbleibend geringe Überzahlungen gehandelt hätte und deshalb die Möglichkeit eines Beweises des ersten Anscheins für den Wegfall der Bereicherung bestünde27.

Verjährung[↑]

Der Anspruch ist im vorliegenden Fall nicht verjährt. Die streitgegenständlichen Ansprüche aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB.

Für den Beginn der regelmäßigen Verjährung kommt es nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zwar grundsätzlich darauf an, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Etwas anderes gilt jedoch, wenn und solange dem Gläubiger die Erhebung einer die Verjährung hemmenden Klage (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) unzumutbar war28.

In Fällen der vorliegenden Art kann der Arbeitgeber die Überzahlung in der Regel erst im Zeitpunkt der rechtsbeständigen gerichtlichen Feststellung oder außergerichtlichen Klärung des Arbeitnehmerstatus erkennen. Erst ab diesem Zeitpunkt kann von ihm erwartet werden, dass er seine Ansprüche wegen Überzahlung geltend macht. Eine frühere Inanspruchnahme des Mitarbeiters ist nicht zumutbar, weil vom Arbeitgeber ein widersprüchliches Verhalten verlangt würde29.

Daran gemessen war der Arbeitgeberin die Klageerhebung zur Hemmung der Verjährung ihrer Rückzahlungsansprüche jedenfalls bis zur Rechtskraft der Entscheidung des Landessozialgerichts über das Bestehen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses unzumutbar. Im dortigen Verfahren hat die Arbeitgeberin geltend gemacht, der Arbeitnehmer habe zu ihr in einem freien, seine Selbständigkeit begründenden Dienstverhältnis gestanden. Zu diesem Vorbringen brauchte sie sich nicht durch eine gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen in Widerspruch zu setzen, die ihr nach ihrem Dafürhalten bei Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zustehen.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. Juni 2019 – 5 AZR 178/18

  1. BAG 9.02.2005 – 5 AZR 175/04, zu III 1 a der Gründe; 29.05.2002 – 5 AZR 680/00, zu I 1 a der Gründe, BAGE 101, 247[]
  2. BAG 8.11.2017 – 5 AZR 11/17, Rn. 16, BAGE 161, 33[]
  3. BGH 28.07.2015 – XI ZR 434/14, Rn. 21 mwN, BGHZ 206, 305[]
  4. BSG 17.10.1990 – 11 BAr 39/90; vgl. statt vieler auch: Stäbler in Krauskopf Stand Juni 2019 SGB IV § 7 Rn. 6; Segebrecht in Schlegel/Voelzke jurisPK-SGB IV 3. Aufl. § 7 Abs. 1 SGB IV Rn. 58, jeweils mwN[]
  5. BSG 17.10.1990 – 11 BAr 39/90[]
  6. BAG 6.11.2007 – 1 AZR 862/06, Rn. 13, BAGE 124, 323, zum Begriff „Betriebsübergang“[]
  7. BAG 14.11.2007 – 4 AZR 861/06, Rn. 28 f., zum Begriff „Betriebsübergang“; BGH 14.03.1997 – V ZR 9/96 – BGHZ 135, 92, zum Begriff „Rechtsnachfolge“; mit Blick auf den Begriff „Betriebsübergang“ zweifelnd jüngst jedoch BAG 28.02.2019 – 8 AZR 201/18, Rn. 35 ff.[]
  8. Zöller/Greger ZPO 32. Aufl. § 138 Rn. 11a[]
  9. BAG 8.11.2006 – 5 AZR 706/05, Rn. 40, BAGE 120, 104[]
  10. zu den Voraussetzungen vgl. BAG 8.11.2006 – 5 AZR 706/05, Rn. 37, aaO[]
  11. LAG Baden-Württemberg 30.10.2017 – 11 Sa 66/16[]
  12. Reinecke RdA 2001, 357, 363[]
  13. BAG 12.01.2005 – 5 AZR 144/04, Rn. 26 mwN[][]
  14. BGH 7.10.1969 – VI ZR 223/67, zu II 2 b aa der Gründe; Schaub ArbR-HdB/Linck 17. Aufl. § 59 Rn. 31; Staudinger/Richardi/Fischinger BGB (2019) § 619a Rn. 69; ErfK/Preis 19. Aufl. BGB § 619a Rn.19[]
  15. vgl. Reinecke RdA 2001, 357, 363[]
  16. vgl. BAG 5.07.2000 – 5 AZR 888/98, zu B III der Gründe mwN; Reinecke RdA 2001, 357, 363[]
  17. BAG 21.11.2001 – 5 AZR 87/00, zu II 1 b aa der Gründe, BAGE 100, 1[]
  18. BGH 24.01.2008 – III ZR 79/07, Rn. 12[]
  19. BeckOK BGB/Lorenz 50. Ed. BGB § 313 Rn. 15[]
  20. MünchKomm-BGB/Schwab 7. Aufl. BGB § 814 Rn. 16[]
  21. BAG 13.10.2010 – 5 AZR 648/09, Rn. 14 mwN, BAGE 136, 54[]
  22. BAG 9.02.2005 – 5 AZR 175/04, zu III 2 a der Gründe; MünchKomm-BGB/Schwab 7. Aufl. BGB § 814 Rn. 23[]
  23. BAG 8.11.2006 – 5 AZR 706/05, Rn. 34, BAGE 120, 104[]
  24. BAG 9.02.2005 – 5 AZR 175/04, zu III 3 d der Gründe[]
  25. vgl. BAG 27.04.1995 – 8 AZR 382/94, zu B 1 der Gründe; 14.01.1988 – 8 AZR 238/85, zu II 1 der Gründe, BAGE 57, 192[]
  26. dazu BAG 8.11.2017 – 5 AZR 11/17, Rn. 12 mwN, BAGE 161, 33[]
  27. zu den Voraussetzungen vgl. BAG 9.02.2005 – 5 AZR 175/04, zu III 4 a bb der Gründe mwN[]
  28. st. Rspr., zB BAG 24.09.2014 – 5 AZR 593/12, Rn. 36, BAGE 149, 169; 13.03.2013 – 5 AZR 424/12, Rn. 25 mwN, BAGE 144, 322[]
  29. vgl. BAG 29.05.2002 – 5 AZR 680/00, zu I 2 d der Gründe, BAGE 101, 247, insoweit zur Geltendmachung im Sinne einer tariflichen Ausschlussfristenregelung[]