Macht ein Arbeitnehmer geltend, der Arbeitgeber habe eine zunächst besprochene Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes aus dem Entwurf des Arbeitsvertrag vor dessen Unterzeichnung herausgestrichen, ohne hierauf hinzuweisen, kann diese Abfindung als Erfüllungsschaden nach den §§ 311 Abs.2, 249 Abs. 1 BGB nur verlangt werden, wenn der Arbeitnehmer nachweist, dass der Vertrag bei einem Hinweis des Arbeitgebers nur mit der Abfindungsregelung geschlossen worden wäre.

Ein vertraglicher Anspruch auf die begehrte Abfindung stand dem Arbeitnehmer in dem hier vom Landesarbeitsgericht Hamburg entschiedenen Fall nicht aufgrund einer telefonischen Einigung zwischen dem Arbeitnehmer und der Steuerberaterin B. zu.
Zu einer entsprechenden abschließenden, die Arbeitgeberin verpflichtenden Einigung hat der Arbeitnehmer nicht schlüssig vorgetragen. Er hat selbst vorgetragen und auch in der Berufung nicht in Abrede gestellt, dass Frau B. ihm gegenüber in dem Telefonat erklärt habe, sie werde die besprochenen Änderungen des vom Arbeitnehmer übersandten Vertragsentwurfs in diesen einarbeiten und dem Geschäftsführer unterschriftsreif vorlegen. Ob hieraus mit dem Arbeitsgericht auf die konkludente Vereinbarung der Schriftform im Sinne von § 154 Abs. 2 BGB zu schließen ist, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Jedenfalls ergab sich aus dieser Erklärung für den Arbeitnehmer objektiv erkennbar, dass Frau B. nicht zum Vertragsschluss bevollmächtigt war, mag er selbst dies auch nicht so verstanden haben. Das Erfordernis einer unterschriftsreifen Vorlage an den Geschäftsführer bedeutet gerade, dass dieser und nicht Frau B. als Vertreterin der Arbeitgeberin über den Inhalt des Arbeitsvertrags entscheiden sollte. Ansonsten hätte es weder dieser Vorlage noch der nachfolgenden Übersendung des Arbeitsvertragsentwurfs an den Arbeitnehmer, noch seiner Fahrt zum Unternehmenssitz der Arbeitgeberin bedurft, um den Vertrag zu unterzeichnen. Die unterschriftsreife Vorlage ist letztlich die Bitte um Genehmigung der vollmachtlos vereinbarten Bedingungen im Sinne von § 177 Abs. 1 BGB.
Selbst wenn aber zugunsten des Arbeitnehmers davon ausgegangen wird, er habe sich mit Frau B. abschließend geeinigt und diese sei auch bevollmächtigt gewesen, so wäre die Abfindungsregelung aus diesem mündlich geschlossenen Vertrag durch die Vereinbarung im Arbeitsvertrag wieder abbedungen worden. Zwischen zwei nacheinander geschlossenen Verträgen zum selben Vertragsgegenstand gilt, dass die zeitlich nachfolgend geschlossene Vereinbarung die vorherige ablöst. Damit hätte § 11 Ziff. 5 Abs. 2 des schriftlichen Vertrags der Parteien der, wie noch auszuführen sein wird, keine Abfindungszahlung vorsieht, die entgegenstehende mündliche Vereinbarung der Parteien abgelöst. Der Arbeitnehmer könnte auch nicht damit gehört werden, eine entsprechende Erklärung habe er nicht abgeben wollen. Das könnte ihn allenfalls zur Anfechtung des Arbeitsvertrags berechtigen. Eine entsprechende Erklärung hat er aber nicht abgegeben.
Aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien folgt auch im Wege der Auslegung oder unter Berücksichtigung von Grundsätzen des AGB-Rechts kein Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers in Höhe eines halben Bruttojahresgehalts.
Die Parteien haben im Arbeitsvertrag keine Abfindung für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im ersten Beschäftigungsjahr vereinbart. In § 11 Ziff. 5 Abs. 2 fehlt hinter dem Wort „Abfindung“ der Faktor, mit dem das Jahresgehalt des Arbeitnehmers zu multiplizieren ist. Damit ist ein entsprechender Faktor nicht vereinbart.
Ein anderes Ergebnis ist auch durch Auslegung des Arbeitsvertrags, die jeder weiteren AGB-Kontrolle vorgeht, nicht zu erzielen. Für die Annahme des Arbeitnehmers, es sei ein Faktor von „1“ oder von „1/2“ einzusetzen gibt es keine Anhaltspunkte. Das Gegenteil ist vielmehr richtig. Die Entstehungsgeschichte des Vertrags lässt eindeutig erkennen, dass eine Abfindung nicht vereinbart werden sollte.
Ursprünglich stand im Vertragsentwurf des Arbeitnehmers eine „1“ als Faktor, mit dem das Jahresgehalt des Arbeitnehmers multipliziert werden sollte. Auf Drängen der Steuerberaterin, die ausweislich des Vortrags des Arbeitnehmers ausführte, die Arbeitgeberin könne keine so hohe Abfindung zahlen, wurde dieser Faktor im dem Arbeitnehmer übersandten Entwurf auf „1/2“ reduziert. Wenn sich nunmehr in der endgültigen und abschließenden Fassung des Vertrags überhaupt kein Faktor findet, dann lässt sich dies nur dahin verstehen, dass eine Abfindung nicht vereinbart ist. Das wird bestätigt durch den übereinstimmenden Vortrag der Parteien, wonach der Komplementärgeschäftsführer der Arbeitgeberin bewusst die Zahl „1/2“ aus dem Vertrag entfernt hat. Dem hat der Arbeitnehmer mit Unterzeichnung des Vertrags zugestimmt.
Für eine andere Auslegung unter Berücksichtigung der Unklarheitenregelung in § 305 c Abs. 2 BGB bleibt angesichts des eindeutigen Auslegungsergebnisses kein Raum, so dass die Frage, ob der Arbeitsvertrag oder aber § 11 Ziff.5 von der Arbeitgeberin gestellt worden sind, nicht entschieden werden muss.
Schließlich kann ein vertraglicher Anspruch auch nicht unter Heranziehung des § 242 BGB in der Fallgruppe des unredlichen Erwerbs der eigenen Rechtsposition begründet werden.
Grundsätzlich ist die Ausübung eines Rechts in der Regel missbräuchlich, wenn der Berechtigte es gerade durch ein gesetz, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erworben hat1.
Ob der Komplementärgeschäftsführer der Arbeitgeberin sich in diesem Sinne verhalten hat, bedarf hier aber keiner weiteren Aufklärung und Entscheidung. Vorliegend geht es nicht um die Ausübung eines Rechts der Arbeitgeberin, sondern darum, ob ein Recht des Arbeitnehmers vertraglich begründet worden ist. Hierfür hilft dem Arbeitnehmer die rechtshindernde oder rechtsvernichtende Einwendung2 des § 242 BGB nicht.
Der geltend gemachte Abfindungsanspruch folgt auch nicht aus einer Pflichtverletzung des Komplementärgeschäftsführers anlässlich der Verhandlungen bei Abschluss des Arbeitsvertrags gemäß den §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB.
Zwar spricht aus Sicht der Berufungskammer viel dafür, dass der Komplementärgeschäftsführer im Hinblick auf die Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB dazu verpflichtet war, auf die Streichung der Abfindungsregelung vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrags hinzuweisen. Angesichts des Umstands, dass dem Arbeitnehmer nach dem Telefonat mit Frau B. ein den telefonisch vereinbarten Änderungen entsprechender Entwurf übersandt worden war, durfte er darauf vertrauen, dass die Arbeitgeberin diesen Entwurf nicht weiter änderte, ohne ihn vorher hierauf hingewiesen zu haben. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass der Abfindungsregelung im Hinblick auf die fehlende Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf das Arbeitsverhältnis erkennbar erhebliche Bedeutung für den Arbeitnehmer zukam. Dass ein entsprechender Hinweis unterblieben ist, hat der Arbeitnehmer auch jedenfalls schlüssig dargelegt. Ob die Arbeitgeberin ihre Pflichten tatsächlich verletzt hat, bedarf aber keiner weiteren Aufklärung.
Jedenfalls hat der Arbeitnehmer zum Bestehen eines Schadens, der auch den hier geltend gemachten Anspruch umfasst, nicht ausreichend vorgetragen.
Bei einem Verstoß gegen die Aufklärungspflichten anlässlich von Vertragsverhandlungen kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 1 BGB verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne das schädigende Verhalten des anderen Teils gestanden hätte3. In der Regel ist damit der Vertrauensschaden zu ersetzen4. Das Erfüllungsinteresse ist zu ersetzen, wenn der Vertrag ohne die c.i.c. mit dem Schädiger zu günstigeren Bedingungen zustande gekommen wäre((aaO., Rn.56 unter Hinweis auf die Rspr. des BGH)).
Der Arbeitnehmer macht vorliegend das Erfüllungsinteresse geltend. Er verlangt die Zahlung einer Abfindung, auf die er nur bei Zustandekommen des Arbeitsvertrags mit der von ihm gewünschten Abfindungsregelung einen Anspruch gehabt hätte. Dass der Arbeitsvertrag mit dem von ihm gewünschten Inhalt zustande gekommen wäre, hat er aber nicht ausreichend vorgetragen. Er hat behauptet, die Abfindungsregelung sei für ihn „conditio sine qua non“ für den Abschluss des Arbeitsvertrags gewesen. Die Arbeitgeberin hat dem gegenüber dargelegt, eine Abfindung wäre für ihren Geschäftsführer nicht in Betracht gekommen. Angesichts dieses wechselseitigen Vortrags ist völlig offen und auch nicht weiter aufklärbar, was geschehen wäre, wenn die Parteien vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrags über die Abfindungsregelung gesprochen hätten und insbesondere, ob sich der Arbeitnehmer mit seiner Position durchgesetzt hätte. Dieses Ergebnis geht zu Lasten des für den Umfang des Schadens darlegungspflichtigen Arbeitnehmers.
Landesarbeitsgericht Schleswig -Holstein, Urteil vom 24. Mai 2016 – 1 Sa 503/15