Schon der Wortlaut, die Parteien seien sich einig, dass das Arbeitsverhältnis für die Vergangenheit bis zum Stichtag ordnungsgemäß abgerechnet sei, spricht gegen einen Verzicht des Arbeitnehmers auf Ansprüche aus seiner betrieblichen Altersversorgung.

Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge – auch Prozessvergleiche – so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist zunächst vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Parteiwillens sind darüber hinaus die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen1.
Schon der Wortlaut, die Parteien seien sich einig, dass das Arbeitsverhältnis für die Vergangenheit bis zum Stichtag ordnungsgemäß abgerechnet sei, spricht gegen einen Verzicht des Arbeitnehmers auf Ansprüche aus seiner betrieblichen Altersversorgung. Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet abrechnen nämlich: eine Schlussrechnung aufstellen, eine Geldangelegenheit erledigen/in Ordnung bringen2. Auch in der Rechtsprechung wird der Begriff im Sinne von „mit jemandem eine Geldangelegenheit in Ordnung zu bringen“ verstanden3. Außerdem ist nach dem Wortlaut zu bezweifeln, dass die Vereinbarung eine rechtsgeschäftliche Erklärung enthält, die eine Erfüllung etwaiger noch offener Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers betrifft. Von der „Abrechnung“ des Arbeitsentgelts in Textform iSd. § 108 Abs. 1 GewO ist der Vergütungsanspruch nämlich zu trennen4.
Jedenfalls aber können Ansprüche des Arbeitnehmers auf betriebliche Altersversorgung von der „ordnungsgemäßen Abrechnung“ nicht umfasst sein, denn mangels Fälligkeit der Ansprüche kann insoweit weder eine Schlussrechnung aufgestellt noch eine Geldangelegenheit in Ordnung gebracht sein. Das bestätigen die jährlichen Mitteilungen der Arbeitgeberin – bzw. der Rechtsvorgängerin – an den Arbeitnehmer, wonach eine Überprüfung und gegebenenfalls erforderliche Berichtigung vorbehalten blieb. Zudem wurde die ordnungsgemäße Abrechnung für die Vergangenheit in einen unmittelbaren Zusammenhang mit der erfolgten Zahlung gestellt. Auch das spricht dagegen, dass betriebliche Altersversorgung von der Regelung erfasst war. Dass unter die „ordnungsgemäße Abrechnung“ nur bereits fällige Gehaltsansprüche fallen, war offensichtlich von den Parteien auch so verstanden worden, denn bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht bestand insoweit kein Streit.
Auch der Zusammenhang, in dem die Erledigungserklärungen abgegeben wurden, spricht für dieses Verständnis. Die Parteien hatten einen Rechtsstreit über den Umfang der Arbeitszeitverpflichtung des Arbeitnehmers geführt. Der Arbeitnehmer hatte geltend gemacht, eine Vollzeitkraft zu sein. Ansprüche des Arbeitnehmers auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach dem TV LH BRB waren weder Gegenstand des Vorprozesses noch der Vergleichsverhandlungen. Hierfür ergeben sich weder aus dem schriftsätzlichen Vorbringen der Parteien noch aus der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht Anhaltspunkte. Damit bestand für die Arbeitgeberin kein Anlass davon auszugehen, der Arbeitnehmer wolle auf Ansprüche seiner betrieblichen Altersversorgung verzichten. An die Feststellung eines Verzichtswillens sind hohe Anforderungen zu stellen. Ein Erlass liegt im Zweifel nicht vor. Selbst bei eindeutig erscheinender Erklärung des Gläubigers darf ein Verzicht nicht angenommen werden, ohne dass bei der Feststellung zum erklärten Vertragswillen sämtliche Begleitumstände berücksichtigt worden sind. Wenn feststeht, dass eine Forderung entstanden ist, verbietet dieser Umstand im Allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben5.
Diesem Ergebnis entspricht auch die Auslegungsregel, wonach durch einen Prozessvergleich regelmäßig der Streit über den Gegenstand des Verfahrens beigelegt wird6. Soll dem Vergleich also ein weiter gehender Umfang, insbesondere die Erledigung weiterer Ansprüche, die nicht Gegenstand des Rechtsstreits waren, beigemessen werden, so ist dies deutlich zum Ausdruck zu bringen. Das ist hier nicht der Fall. Nach der Erledigungsklausel in Ziff. 4 des Vergleichs sollten nur der „vorliegende Rechtsstreit“ sowie – insoweit ausdrücklich benannt – der Rechtsstreit zu dem Aktenzeichen – 4 Sa 1296/15 – vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht erledigt sein. Zum Rechtsstreit gehören alle Ansprüche, über die das Gericht bei Fortsetzung des Vergleichs entschieden hätte7 – vorliegend also nicht die Ansprüche des Arbeitnehmers aus betrieblicher Altersversorgung. Diese hängen im Übrigen hier nach dem Vorgesagten nicht davon ab, dass sich die Arbeitszeit des Arbeitnehmers rechtsverbindlich erhöht, sondern lediglich davon, dass er tatsächlich regelhaft und verstetigt zusätzliche Stunden geleistet hat. Dass der Rechtsstreit zum Aktenzeichen – 4 Sa 1296/15 – vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht betriebliche Altersversorgung betraf, hat die Arbeitgeberin nicht behauptet. Es ist auch fernliegend.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Februar 2021 – 3 AZR 618/19
- st. Rspr., vgl. BAG 27.05.2020 – 5 AZR 101/19, Rn. 14; 20.11.2019 – 5 AZR 578/18, Rn. 22; 25.01.2017 – 4 AZR 522/15, Rn. 25; 24.09.2015 – 2 AZR 716/14, Rn. 35, BAGE 153, 20[↩]
- vgl. Brockhaus Wahrig Deutsches Wörterbuch 18. Aufl. Begriff: abrechnen[↩]
- vgl. BAG 5.09.2002 – 8 AZR 702/01, zu II 2 der Gründe mwN[↩]
- vgl. BAG 24.05.2017 – 5 AZR 251/16, Rn. 59[↩]
- BGH 19.09.2006 – X ZR 49/05, Rn. 27; 15.01.2002 – X ZR 91/00, zu 4 der Gründe mwN[↩]
- vgl. BAG 23.08.1994 – 3 AZR 825/93, zu II 1 a der Gründe[↩]
- vgl. BAG 16.01.2003 – 2 AZR 316/01, zu B II 2 a der Gründe[↩]
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