Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind Arbeitnehmer Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. In Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit gelten jedoch nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind. Für einen Rechtsstreit zwischen dem Vertretungsorgan und der juristischen Person sind nach dieser gesetzlichen Fiktion die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig.
Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG greift unabhängig davon ein, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. Sie soll sicherstellen, dass die Mitglieder der Vertretungsorgane mit der juristischen Person keinen Rechtsstreit im „Arbeitgeberlager“ vor dem Arbeitsgericht führen1. Auch wenn ein Anstellungsverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Mitglied des Vertretungsorgans wegen dessen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist und deshalb materielles Arbeitsrecht zur Anwendung kommt, sind zur Entscheidung eines Rechtsstreits aus dieser Rechtsbeziehung die ordentlichen Gerichte berufen, solange die Fiktion Wirkung entfaltet2.
Gemessen an diesen Grundsätzen ist im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zulässig:
Die Klage enthält – soweit sie unbedingt erhoben ist – ausschließlich Klageanträge, die nur dann begründet sein können, wenn das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist und nach wirksamer Beendigung der Organstellung als solches fortbestand oder wieder auflebte. In diesen Fällen (sic-non-Fälle) eröffnet bei streitiger Tatsachengrundlage die bloße Rechtsansicht der Klagepartei, es handele sich um ein Arbeitsverhältnis, den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten3.
Mit dem Antrag zu 1. begehrt der Kläger die Feststellung, dass er sich seit einem bestimmten Zeitpunkt in einem Arbeitsverhältnis befindet. Mit den Feststellungsanträgen zu 2. und 3. macht der Kläger den Fortbestand dieses Arbeitsverhältnisses geltend, mit dem Antrag zu 5. begehrt er seine vorläufige Weiterbeschäftigung.
Der nur für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 2. und 3. angekündigte Klageantrag zu 4. kann hingegen unabhängig davon Erfolg haben, ob sich der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten befunden hat oder ob zwischen den Parteien ein freies Dienstverhältnis bestand. Solange der Hauptantrag rechtshängig ist, muss die Rechtswegfrage aber einheitlich beantwortet werden, da sich das hilfsweise geltend gemachte Begehren nicht abtrennen lässt. Solange der Hauptantrag rechtshängig ist, bestimmt sich die Zuständigkeit für die gesamte Klage deshalb allein nach diesem4. Kommt es zur Entscheidung über den Hilfsantrag, ist insoweit vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu entscheiden. Ein vorhergehender Beschluss über die Zulässigkeit des Rechtswegs für den Hauptantrag entfaltet keine Bindungswirkung5.
Nach der Beendigung der Organstellung und damit nach dem Wegfall der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen berufen, über diese arbeitsrechtlichen Streitgegenstände zu entscheiden.
Wird ein zum Zeitpunkt der Klageerhebung vor dem Arbeitsgericht noch bestellter Geschäftsführer vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit abberufen, begründet dies in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen. Gleiches gilt, wenn der Geschäftsführer bis zu diesem Zeitpunkt wirksam sein Amt niederlegt. Damit entfällt die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG6.
Nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen richtet sich die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs zunächst nach den tatsächlichen Umständen zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit7. Nachträgliche Veränderungen führen grundsätzlich nicht zum Verlust des einmal gegebenen Rechtswegs. Dieser in § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG enthaltene Grundsatz der perpetuatio fori gilt jedoch nur rechtswegerhaltend. Alle bis zur letzten Tatsachenverhandlung eintretenden Umstände, welche die zunächst bestehende Unzulässigkeit des Rechtswegs beseitigen, sind dagegen zu berücksichtigen, sofern nicht vorher ein (rechtskräftiger) Verweisungsbeschluss ergeht8. Wird vorab gemäß § 17a Abs. 3 GVG über die Rechtswegzuständigkeit entschieden, sind spätere zuständigkeitsbegründende Veränderungen auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nach § 17a Abs. 4 GVG zu berücksichtigen, wenn sie dort zulässigerweise eingeführt werden können9. Dies dient vor allem der Prozessökonomie10 und soll vermeiden, dass ein Rechtsstreit verwiesen wird, auch wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs die Zuständigkeit des entscheidenden Gerichts begründet ist. Die veränderten zuständigkeitsrelevanten Umstände können damit dazu führen, dass ein ursprünglich begründeter Verweisungsantrag unbegründet wird11.
Soweit das Bundesarbeitsgericht die Auffassung vertreten hatte, es komme für das Eingreifen der Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ausschließlich auf die Umstände zum Zeitpunkt der Klageerhebung an12, hat er hieran nicht mehr festgehalten13. Zwar ist dieser Zeitpunkt zunächst entscheidend für die Bestimmung des zuständigen Gerichts und geeignet, rechtssicher festzustellen, ob § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG der Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen entgegensteht. Eine Durchbrechung der allgemeinen Grundsätze über die Berücksichtigung zuständigkeitsbegründender Umstände rechtfertigt dies jedoch nicht und eine solche gibt § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auch nicht vor. Die Abberufung als Geschäftsführer oder dessen Amtsniederlegung lassen sich auch zu jedem späteren Zeitpunkt sicher feststellen. Das ausschließliche Abstellen auf den Zeitpunkt der Klageerhebung eröffnet dagegen die Möglichkeit einer Manipulation. Käme es allein auf diesen Zeitpunkt an, hätten es die Gesellschafter nach einer Kündigung in der Hand, durch ein Hinausschieben der Abberufungsentscheidung eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte auch in den Fällen auszuschließen, in denen unzweifelhaft ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Der Kläger hat nämlich in einem solchen Fall gemäß § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage zu erheben, um den Eintritt der Fiktionswirkung des § 7 KSchG zu verhindern. Die nachträgliche Berücksichtigung von Umständen, welche die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs erst begründen, verhindert im Übrigen bei mehreren nacheinander erklärten Kündigungen regelmäßig auch eine Aufspaltung der Zuständigkeit in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Abberufung des Geschäftsführers.
Nach diesen Grundsätzen ist hinsichtlich der Hauptanträge der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zulässig. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Klage am 3.04.2014 war der Kläger zwar noch Geschäftsführer der Beklagten. Er hat jedoch vor der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde durch Erklärung vom 27.08.2014 mit deren Zugang am 28.08.2014 sein Amt niedergelegt.
Bei der Amtsniederlegung handelt es sich um eine formfreie, einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die grundsätzlich jederzeit und fristlos erfolgen kann14. Unbeschadet möglicher abweichender (gesellschafts-)vertraglicher Regelungen genügt es für den Zugang der Amtsniederlegungserklärung, wenn die Erklärung einem der Gesellschafter oder im Fall einer juristischen Person einem der gesetzlichen Vertreter zugeht15. Ob im Einzelfall ein wichtiger Grund für die Amtsniederlegung objektiv gegeben ist, spielt für deren sofortige Wirksamkeit keine Rolle16. Mit dem Zugang der Erklärung über die Amtsniederlegung bei den Gesellschaftern einer GmbH endet das Amt als Geschäftsführer, ohne dass es auf die Eintragung ins Handelsregister ankommt. Diese wirkt ebenso wie im Fall der Abberufung nur deklaratorisch17. Die fehlende Eintragung beeinträchtigt deshalb die Wirksamkeit der Niederlegung nicht18.
Es kann dahinstehen, ob die Auffassung des Landesarbeitsgerichts zutrifft, wonach die mit Schriftsatz vom 20.06.2014 erfolgte Amtsniederlegung mangels Zugang bei der Alleingesellschafterin der Beklagten keine Wirkung entfalten konnte, denn der Kläger hat jedenfalls durch seine Erklärung vom 27.08.2014, zugegangen am 28.08.2014, sein Amt gegenüber einem gesetzlichen Vertreter der Gesellschafterin der Beklagten mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Diese Tatsache ist zwischen den Parteien unstreitig und kann deshalb auch im Rechtsbeschwerdeverfahren noch Berücksichtigung finden19. Der Gesellschaftsvertrag vom 09./22.07.2003 enthält keine entgegenstehenden Bestimmungen. Damit kann die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht mehr greifen und die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gegeben. Auf die weiteren von den Parteien; und vom Landesarbeitsgericht aufgeworfenen Fragestellungen kommt es deshalb für die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht mehr an.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 3. Dezember 2014 – 10 AZB 98/14
- vgl. BAG 20.08.2003 – 5 AZB 79/02, zu B I 3 der Gründe, BAGE 107, 165[↩]
- BAG 23.08.2011 – 10 AZB 51/10, Rn. 12 mwN, BAGE 139, 63[↩]
- BAG 15.11.2013 – 10 AZB 28/13, Rn. 21 mwN[↩]
- vgl. BAG 11.07.1975 – 5 AZR 546/74, zu 4 der Gründe; BGH 8.07.1981 – IVb ARZ 532/81, zu II 2 der Gründe [zum Bestimmungsverfahren nach § 36 Nr. 6 ZPO]; Düwell/Lipke/Krasshöfer 3. Aufl. § 2 Rn. 25; Musielak/Foerste ZPO 11. Aufl. § 281 Rn. 7[↩]
- OVG Münster 30.11.1992 – 23 A 1471/90, zu II der Gründe; Thomas/Putzo/Reichold 35. Aufl. § 260 Rn. 17; Zöller/Lückemann ZPO 30. Aufl. § 17a GVG Rn. 13a[↩]
- BAG 22.10.2014 – 10 AZB 46/14, Rn. 26 ff.[↩]
- MünchKomm-ZPO/Zimmermann 4. Aufl. § 17a GVG Rn. 8; Kissel/Mayer GVG 7. Aufl. § 17 Rn. 9 f.[↩]
- Kissel NJW 1991, 945, 948 ff.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 72. Aufl. § 17 GVG Rn. 3, § 261 ZPO Rn. 31; MünchKomm-ZPO/Zimmermann § 17 GVG Rn. 6; Musielak/Wittschier ZPO § 17 GVG Rn. 4; PG/Bitz 5. Aufl. § 17 GVG Rn. 7; Stein/Jonas/Jacobs 22. Aufl. § 17 GVG Rn. 12; Thomas/Putzo/Hüßtege § 17 GVG Rn. 3; Wieczorek/Schütze/Schreiber 3. Aufl. § 17 GVG Rn. 4; Zöller/Lückemann ZPO § 17 GVG Rn. 2[↩]
- BGH 18.05.1995 – I ZB 22/94, zu II 3 a der Gründe, BGHZ 130, 13; Zöller/Lückemann aaO[↩]
- Kissel NJW 1991, 945, 948; Wieczorek/Schütze/Schreiber aaO; Zöller/Lückemann aaO[↩]
- MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard § 261 Rn. 80; zur Möglichkeit der Erledigungserklärung in einem solchen Fall: BGH 11.01.2001 – V ZB 40/99, zu II 1 der Gründe[↩]
- vgl. BAG 15.11.2013 – 10 AZB 28/13, Rn. 23; 26.10.2012 – 10 AZB 55/12, Rn. 23[↩]
- BAG 22.10.2014 – 10 AZB 46/14, Rn. 28[↩]
- Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck GmbHG 20. Aufl. § 38 Rn. 86; Altmeppen in Roth/Altmeppen GmbHG 7. Aufl. § 38 Rn. 75[↩]
- BGH 17.09.2001 – II ZR 378/99, zu 1 der Gründe, BGHZ 149, 28[↩]
- BGH 8.02.1993 – II ZR 58/92, zu 2 b bb der Gründe, BGHZ 121, 257[↩]
- Altmeppen in Roth/Altmeppen aaO[↩]
- Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck aaO und § 39 Rn. 24[↩]
- zu den Grenzen: BAG 5.11.2003 – 10 AZB 59/03, zu 2 c der Gründe; vgl. zum Revisionsverfahren zB BAG 12.11.2013 – 9 AZR 646/12, Rn. 16; 27.02.2007 – 3 AZR 618/06, Rn. 29, BAGE 121, 309 [zur Berücksichtigungsfähigkeit prozessualer Tatsachen im Revisionsverfahren][↩]