Nach § 109 Satz 1 und Satz 2 BetrVG entscheidet die Einigungsstelle, wenn eine Auskunft über wirtschaftliche Angelegenheiten des Unternehmens iSd. § 106 BetrVG entgegen dem Verlangen des Wirtschaftsausschusses nicht, nicht rechtzeitig oder nur ungenügend erteilt wird und hierüber zwischen Unternehmer und Betriebsrat keine Einigung zustande kommt.

Das in § 109 BetrVG normierte Konfliktlösungsverfahren ist für Auseinandersetzungen über Grund, Umfang und Modalitäten der Unterrichtungs- und Vorlagepflicht des Unternehmers nach § 106 Abs. 2 BetrVG vorgesehen1. Die Vorschrift begründet eine gesetzliche Primärzuständigkeit der Einigungsstelle; bei Konflikten über ein Auskunftsverlangen des Wirtschaftsausschusses soll das Einigungsstellenverfahren als vorgeschaltetes Verfahren den Betriebsparteien die Möglichkeit einer raschen Einigung auf betrieblicher Ebene eröffnen2.
Da der Spruch der Einigungsstelle nach der gesetzlichen Vorgabe in § 109 Satz 2 BetrVG die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt, ist der Arbeitgeber nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG verpflichtet, den – auf eine hinreichend bestimmte Leistungsverpflichtung – Spruch durchzuführen3. Will er dem nicht nachkommen, muss er dessen Unwirksamkeit gerichtlich geltend machen. Der diesem Begehren entsprechende Antrag ist auf eine Feststellung zu richten, da eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit des Spruchs lediglich feststellende Wirkung hat4.
Anders als einem Einigungsstellenspruch in den Angelegenheiten der erzwingbaren Mitbestimmung (§ 87 Abs. 2 BetrVG) kommt dem Spruch nach § 109 Satz 2 BetrVG allerdings keine rechtsgestaltende Wirkung zu. Die Einigungsstelle hat über die Berechtigung eines vom Wirtschaftsausschuss geltend gemachten Verlangens und damit über den Inhalt gesetzlich definierter Ansprüche zu befinden. Ihre Entscheidung betrifft keine betriebsverfassungsrechtlichen Regelungsfragen, sondern Rechtsfragen5. Bei der Beurteilung, wann, in welcher Art und Weise und unter Vorlage welcher Unterlagen eine Auskunft zu erfolgen hat, wendet die Einigungsstelle die in § 106 Abs. 2 Satz 1 BetrVG enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe an, trifft jedoch keine in ihrem Ermessen stehende Entscheidung. Aus diesem Grund unterliegt ihr Spruch auch keiner eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle nach § 76 Abs. 5 BetrVG, sondern einer umfassenden Rechtskontrolle2. Macht der Arbeitgeber die Unwirksamkeit eines auf eine Unterrichtungs- oder Vorlagepflicht Spruchs geltend, will er daher – sofern keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen – regelmäßig nicht nur den Einigungsstellenspruch gerichtlich für unwirksam erklären, sondern auch feststellen lassen, dass keine gesetzliche Verpflichtung besteht, dem zugrunde liegenden Verlangen des Wirtschaftsausschusses nachzukommen. Nur mit einem solchen Antragsverständnis wird der zwischen den Betriebsparteien bestehende Streit über den Unterrichtungs-/Vorlageanspruch des Wirtschaftsausschusses oder seine Modalitäten abschließend geklärt.
Der auf Leistung gerichtete Widerantrag des Betriebsrats steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Zwar entfällt das Feststellungsinteresse für einen negativen Feststellungsantrag, wenn eine Leistungsklage zu demselben Verfahrensgegenstand erhoben wird und nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann6. Mit dem Widerantrag verfolgt der Betriebsrat jedoch für den Fall der (zumindest Teil)Wirksamkeit des Spruchs seinen Durchführungsanspruch nach § 109 Satz 2, § 77 Abs. 1 BetrVG. Damit steht sein Antrag unter der innerprozessualen Bedingung, dass der Antrag der Arbeitgeberin abgewiesen wird. Schon aus diesem Grund vermag der erst im Fall eines Obsiegens mit dem Abweisungsantrag dem Bundesarbeitsgericht zur Entscheidung anfallende Leistungsantrag des Betriebsrats das Feststellungsinteresse des vorrangig zu bescheidenden Antrags der Arbeitgeberin nicht zu beseitigen.
Der so verstandene Antrag der Arbeitgeberin ist im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall auch hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Unterrichtungs- und Vorlageverpflichtungen, deren Bestand die Arbeitgeberin bestreitet, ergeben sich aus dem Inhalt des angefochtenen Spruchs hinreichend deutlich. Die Arbeitgeberin möchte feststellen lassen, dass sie dem Wirtschaftsausschuss die im Spruch aufgeführten Auskünfte nicht erteilen und ihm die dort genannten Unterlagen weder dauerhaft noch vorübergehend überlassen muss.
Der Antrag ist nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Das (Nicht-)Bestehen einer – durch die ersetzende Wirkung eines (wirksamen) Spruchs nach § 109 Satz 2 BetrVG fingierten – konkreten Einigung der Betriebsparteien ist ebenso ein Rechtsverhältnis, welches einer gerichtlichen Feststellung zugänglich ist, wie die Verpflichtung zur Unterrichtung und Vorlage bestimmter Unterlagen an den Wirtschaftsausschuss nach § 106 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Da die Beteiligten hierüber streiten, hat die Arbeitgeberin an der begehrten Feststellung ein berechtigtes Interesse.
Die Unwirksamkeit eines entsprechenden Einigungsstellenspruchs ergibt auch nicht daraus, dass eine Einigungsstelle nach § 109 BetrVG nicht über ein Verlangen des Wirtschaftsausschusses befinden könnte, das sich auf künftig regelmäßig wiederkehrende Auskünfte oder Vorlagen von Unterlagen bezieht.
Die Einigungsstelle nach § 109 BetrVG kann auch über ein Verlangen des Wirtschaftsausschusses befinden, das sich auf künftig regelmäßig wiederkehrende Auskünfte oder Vorlagen von Unterlagen bezieht.
Bereits die sprachliche Fassung von § 109 Satz 1 BetrVG gibt ein eingeschränktes, künftig regelmäßig wiederkehrende Auskünfte ausschließendes Verständnis nicht vor. Die Verwendung sowohl des unbestimmten Artikels („eine Auskunft“) als auch des Plurals („wirtschaftliche Angelegenheiten“) lässt den Schluss zu, dass es sich nicht notwendigerweise um eine einmalig zu erteilende Auskunft handeln muss. Nach dem Wortlaut der Norm ist die „Nicht„erteilung einer Auskunft iSv. § 109 Satz 1 BetrVG auch dann gegeben, wenn das erfolglos an den Unternehmer gerichtete Begehren des Wirtschaftsausschusses sich auf eine regelmäßig wiederkehrende Unterrichtung über eine bestimmte Angelegenheit – ggf. unter Vorlage bestimmter Unterlagen – bezieht.
Der systematische Zusammenhang der Norm stützt dieses Auslegungsergebnis. Die in § 106 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vorgesehene rechtzeitige und umfassende Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses greift nach § 106 Abs. 3 BetrVG nicht nur bei einmaligen Anlässen (vgl. etwa § 106 Abs. 3 Nr. 4, Nr. 6 bis Nr. 10 BetrVG), sondern erstreckt sich auch auf dauerhafte Sachverhalte (vgl. etwa § 106 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG [„Lage“]). Dementsprechend sieht § 108 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BetrVG vor, dass der Wirtschaftsausschuss einmal monatlich mit dem Unternehmer oder dessen Vertreter zu einer Sitzung zusammenkommen soll, um – ua. – die genannten wirtschaftlichen Angelegenheiten gemäß § 106 Abs. 1 Satz 2 BetrVG mit diesem zu beraten. Diese konzeptionelle Ausgestaltung der Aufgaben des Wirtschaftsausschusses als dauerhafte und regelmäßig wiederkehrende sowie der Inhalt der damit korrespondierenden Unterrichtungspflichten des Unternehmers sprechen gegen die Annahme, das in § 109 BetrVG vorgesehene Konfliktlösungsverfahren erstrecke sich nur auf einmalige Auskünfte.Auch die Gesetzesgeschichte liefert für eine derart beschränkte Zuständigkeit der Einigungsstelle keinerlei Hinweise. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Betriebsverfassungsgesetzes sollte § 109 BetrVG „im Wesentlichen mit redaktionellen Anpassungen dem geltenden Recht“ entsprechen7. Das Betriebsverfassungsgesetz 1952 sah in seinem § 70 vor, dass die Einigungsstelle entscheidet, wenn entgegen dem Verlangen der Hälfte der Mitglieder des – damals noch paritätisch besetzten – Wirtschaftsausschusses eine Auskunft über wirtschaftliche Angelegenheiten nicht oder nur ungenügend erteilt wird und es hierüber zwischen Unternehmer und Betriebsrat nicht zu einer Verständigung kommt. Anhaltspunkte, dass diese Entscheidung nur über ein sich auf eine einmalige Auskunft beziehendes Verlangen der Mitglieder des Wirtschaftsausschusses hätte ergehen können, lassen sich weder dem Wortlaut von § 70 BetrVG 1952 noch der hierzu gegebenen Gesetzesbegründung8 entnehmen.
Vor allem Sinn und Zweck des in § 109 BetrVG normierten Konfliktlösungsverfahrens sprechen für eine Primärzuständigkeit der Einigungsstelle auch bei einem Streit der Betriebsparteien über ein sich auf regelmäßig wiederkehrende Informationen beziehendes Verlangen des Wirtschaftsausschusses9. Das Einigungsstellenverfahren zielt darauf ab, eine der „internsten Angelegenheiten der Unternehmensleitung“ zunächst einer unternehmensinternen Regelung zuzuführen10. Dieser Zweck greift ungeachtet dessen, ob die Meinungsverschiedenheit zwischen Unternehmer und Betriebsrat eine einmalig zu erteilende Auskunft bzw. vorzulegende Unterlage oder eine fortwährende Unterrichtungsverpflichtung über wiederkehrende wirtschaftliche Angelegenheiten des Arbeitgebers betrifft.
Der Umstand, dass die Pflicht zur Unterrichtung und zur Vorlage von Unterlagen nach § 106 Abs. 2 Satz 1 BetrVG unter dem Vorbehalt steht, dass hierdurch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens nicht gefährdet werden, steht dieser Auslegung nicht entgegen. Ob eine solche Gefährdungslage gegeben ist, hat die Einigungsstelle zu prüfen2. Treten die Umstände, die eine solche – ohnehin nur in Ausnahmefällen denkbare11 – Gefährdung begründen sollen, erst nach Abschluss des Einigungsstellenverfahrens auf, bleibt es dem Arbeitgeber unbenommen, diesen Einwand in einem auf die Anfechtung des Spruchs gerichteten Verfahren geltend zu machen.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17. Dezember 2019 – 1 ABR 35/18
- vgl. BAG 12.02.2019 – 1 ABR 37/17, Rn. 14, BAGE 165, 330[↩]
- vgl. BAG 11.07.2000 – 1 ABR 43/99, zu B I 2 a der Gründe, BAGE 95, 228[↩][↩][↩]
- vgl. in diesem Sinn auch: BAG 8.08.1989 – 1 ABR 61/88, zu B II 1 der Gründe, BAGE 62, 294; DKKW/Däubler 16. Aufl. § 109 Rn. 13; Oetker GK-BetrVG 11. Aufl. § 109 Rn. 35 [„eigenständige Anspruchsgrundlage“][↩]
- vgl. BAG 22.03.2016 – 1 ABR 10/14, Rn. 27 mwN, BAGE 154, 322[↩]
- vgl. BAG 12.02.2019 – 1 ABR 37/17, Rn. 14, BAGE 165, 330; Fitting 29. Aufl. § 109 Rn. 1, 5; Annuß in Richardi BetrVG 16. Aufl. § 109 Rn.19; DKKW/Däubler 16. Aufl. § 109 Rn. 1; Oetker GK-BetrVG 11. Aufl. § 109 Rn. 35 f.; ErfK/Kania 20. Aufl. BetrVG § 109 Rn. 1[↩]
- vgl. für das Urteilsverfahren etwa BGH 15.10.2019 – XI ZR 759/17, Rn. 16 mwN[↩]
- BT-Drs. VI/1786 S. 54[↩]
- vgl. BT-Drs. I/3585 S. 15[↩]
- aA H/W/G/N/R/H/Hess 10. Aufl. § 109 Rn. 2; Oetker GK-BetrVG 11. Aufl. § 109 Rn. 35; HWK/Willemsen/Lembke 8. Aufl. § 109 BetrVG Rn. 6[↩]
- vgl. BAG 12.02.2019 – 1 ABR 37/17, Rn. 21 mwN, BAGE 165, 330[↩]
- vgl. BAG 11.07.2000 – 1 ABR 43/99, zu B I 2 b der Gründe, aaO[↩]
Bildnachweis:
- Unterschrift: Florian Pircher | CC0 1.0 Universal
- Verhandlungszimmer,Besprechungsraum,Unternehmen,Konferenzzimmer,: kzd | Pixabay-Lizez