Die Betriebsvereinbarung zur betrieblichem Altersversorgung – und der leitende Angestellte

Wird in einem Arbeitsvertrag eines leitenden Angestellten für die betriebliche Altersversorgung pauschal auf die beim Arbeitgeber geltende Regelung verwiesen, ist dies ohne besondere Anhaltpunkte nicht dahin zu verstehen, dass damit auch eine nach Vertragsschluss in der Rechtsform einer Betriebsvereinbarung zustande gekommene Versorgungsordnung in Bezug genommen ist.

Die Betriebsvereinbarung zur betrieblichem Altersversorgung – und der leitende Angestellte

In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall begründete  bereits das äußere Erscheinungsbild des Arbeitsvertrags eine tatsächliche Vermutung dafür, dass es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt1. Auch unter Berücksichtigung des erstinstanzlichen – später nicht mehr ausdrücklich wiederholten – Einwands der Arbeitgeberin, § 5 des Arbeitsvertrags sei nicht mehrfach eingesetzt worden, lag jedenfalls eine Einmalbedingung iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB vor.

Allgemeine Geschäftsbedingungen und Einmalbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB sind – ausgehend vom Vertragswortlaut – nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von rechtsunkundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind2.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Verweisungen auf die für die betriebliche Altersversorgung beim Arbeitgeber geltenden Bestimmungen im Regelfall dynamisch. Sie verweisen, soweit keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen, auf die jeweils beim Arbeitgeber geltenden Regelungen. Das Verständnis einer solchen Bezugnahme als dynamische Verweisung auf die jeweils geltenden Versorgungsregelungen ist sachgerecht und wird in der Regel den Interessen der Parteien eher gerecht als eine statische Verweisung auf einen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestehenden Rechtszustand. Nur so wird eine einheitliche Anwendung der Versorgungsordnung auf alle von ihr erfassten Arbeitnehmer und Versorgungsempfänger des Arbeitgebers sichergestellt. Der Arbeitgeber will im Zweifel die betriebliche Altersversorgung nach einheitlichen Regeln, dh. als System, erbringen. Ein solches System darf nicht erstarren. Dies ist bei der Auslegung dahingehender Vereinbarungen zu berücksichtigen. Deshalb ist für den Regelfall eine dynamische Verweisung anzunehmen. Will der Arbeitgeber eine Versorgung unabhängig von der jeweils geltenden allgemeinen Versorgungsordnung zusagen, muss er dies deutlich zum Ausdruck bringen3.

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Danach nimmt § 5 des Arbeitsvertrags vom 10.12.1992 vorliegend nach wie vor die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehende Betriebsvereinbarung (VO 83) in Bezug und erstreckt die Bezugnahme nicht auf die späteren Betriebsvereinbarungen (RBV 2002/2015 bzw. die – wenn auch inhaltsgleiche – VO II).

Nach § 5 des Arbeitsvertrags wurde dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf die betriebliche Altersversorgung nach der „in der Versorgungsordnung der H-Betriebe gültigen Regelung“ zugesagt. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war damit unstreitig die VO 83 in Bezug genommen, mit der den Arbeitnehmern der Unternehmen H-Werk und H KG München-Pfaffenhoffen im Wege einer arbeitgeberseitigen Gesamtzusage Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt waren.

Die vertragliche Bezugnahmeklausel erfasst hingegen nicht die RBV 2002/2015 und die inkorporierte VO II.

Zwar bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitsvertragsparteien die am Tag des Vertragsschlusses geltende VO 83 statisch in Bezug nehmen wollten. Dafür fehlt es – unabhängig davon, ob dies für sich genommen ausreichend wäre – schon an einer konkreten Bezeichnung dieser Versorgungsregelung. Anderes folgt auch nicht daraus, dass § 5 des Arbeitsvertrags im Singular auf die „in der Versorgungsordnung der H-Betriebe gültige Regelung“ verweist. Das stellt lediglich deklaratorisch klar, dass sich die Versorgung im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags nach der damals geltenden VO 83 richtete. Damit waren grundsätzlich auch spätere ablösende Versorgungsordnungen „der H-Betriebe“ erfasst.

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Das gilt jedoch aufgrund der Stellung des Arbeitnehmers als leitender Angestellter nicht für die späteren in der Rechtsform einer Betriebsvereinbarung zustande gekommenen RBV 2002/2015 und die VO II. Eine – wie hier – allgemein gehaltene Verweisung auf die für die betriebliche Altersversorgung beim Arbeitgeber geltenden Bestimmungen ist, sofern sie in einem Arbeitsvertrag mit einem leitenden Angestellten enthalten ist, von rechtsunkundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern regelmäßig ohne besondere Anhaltpunkte nicht dahin zu verstehen, dass davon auch erst zu einem späteren Zeitpunkt geschlossene Betriebsvereinbarungen erfasst sind, in deren persönlichen Anwendungsbereich der leitende Angestellte nicht fällt.

Der Arbeitnehmer war im vorliegenden Fall leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG. Diesen Umsatz haben der Arbeitnehmer und die Arbeitgeberin im Arbeitsvertrag festgehalten und damit ihren vertraglichen Abreden zugrunde gelegt.

Eine Geltungserstreckung von Betriebsvereinbarungen auf die außerhalb der Betriebsverfassung stehenden Personen des § 5 Abs. 2 und 3 BetrVG durch arbeitsvertragliche Vereinbarung ist zwar grundsätzlich möglich4. Die Anwendung einer durch Betriebsvereinbarung normierten Versorgungsordnung auf das Arbeitsverhältnis eines leitenden Angestellten stellt aber eine Besonderheit dar, die dieser typischerweise nicht erwarten muss. Betriebsvereinbarungen gelten grundsätzlich nicht kraft privatautonomer Legitimation, sondern kraft gesetzlichen Geltungsbefehls. Ihre normative Wirkung erstreckt sich nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG gerade nicht auf leitende Angestellte. Die Interessen der leitenden Angestellten werden deshalb vom Betriebsrat typischerweise nicht vertreten. Schließlich kann der Einbezug der leitenden Angestellten in den Anwendungsbereich von durch Betriebsvereinbarung geregelten Versorgungsordnungen in Konflikt mit entsprechenden Regelungen zwischen Sprecherausschuss und Arbeitgeberin geraten4. Soll daher eine Bezugnahmeklausel ausnahmsweise einer Betriebsvereinbarung auch im Arbeitsverhältnis einer außerhalb der Betriebsverfassung stehenden Person Geltung verschaffen, bedarf es einer ausreichenden Klarstellung.

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An einer solchen hinreichend deutlichen Bezugnahme auf auch durch Betriebsvereinbarung geschaffene Versorgungsordnungen fehlt es vorliegend. Die Bezugnahmeklausel in § 5 des Arbeitsvertrags verweist für die Ansprüche des Arbeitnehmers auf betriebliche Altersversorgung auf die „in der Versorgungsordnung der H-Betriebe (gültige) Regelung“. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war dies im vorliegenden Fall die VO 1983, bei der es sich nicht um eine Betriebsvereinbarung handelte, sondern auf deren Grundlage die Arbeitgeberin ihren Arbeitnehmern – offenbar unabhängig von deren hierarchischer Stellung – im Wege einer Gesamtzusage eine betriebliche Altersversorgung zusagte. Es kann daher dahinstehen, ob anderenfalls bereits ein ausreichender Anhaltspunkt dafür vorgelegen hätte, dass die Klausel auch in Betriebsvereinbarungen geregelte Versorgungsordnungen in Bezug nehmen sollte.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. November 2023 – 3 AZR 44/23

  1. vgl. BAG 9.05.2023 – 3 AZR 226/22, Rn. 28[]
  2. st. Rspr., vgl. BAG 14.  März 2023 – 3 AZR 197/22, Rn. 25 mwN; zu Einmalbedingungen 16.08.2023 – 7 AZR 300/22, Rn.20[]
  3. zuletzt BAG 9.05.2023 – 3 AZR 226/22, Rn. 23 mwN[]
  4. vgl. Rieble/Schul RdA 2006, 339, 341[][]

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