§ 7 Abs. 1, § 42 Abs. 3 Satz 4 LPVG NW begründen grundsätzlich keinen Anspruch eines dienstordnungsmäßig angestellten von der beruflichen Tätigkeit freigestellten Personalratsmitglieds auf rückwirkende Beförderung auf eine Stelle mit höherer Besoldungsgruppe. Ist eine Beförderung zu Unrecht unterblieben, kann das Personalratsmitglied gegebenenfalls im Wege des Schadensersatzes die rückwirkende Zahlung der Vergütung aus der höheren Besoldungsgruppe verlangen.

Aus § 7 Abs. 1, § 42 Abs. 3 Satz 4 LPVG NW ergibt sich für eine Dienstordnungsangestellte kein Anspruch auf eine rückwirkende Beförderung. Eine rückwirkende Beförderung auf eine Stelle mit höherer Besoldungsgruppe ist aufgrund der beamtenrechtlichen Ausprägung des Dienstverhältnisses als Dienstordnungsangestellte nicht möglich.
Nach § 42 Abs. 3 Satz 4 LPVG NW darf der berufliche Werdegang eines freigestellten Personalratsmitglieds wegen seiner Freistellung nicht beeinträchtigt werden. Gemäß § 7 Abs. 1 LPVG NW dürfen zudem Personalratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 42 Abs. 3 Satz 4 LPVG NW [1] und zu den vergleichbaren Regelungen in § 8 BPersVG und in § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG sowie in § 78 Satz 2 BetrVG folgt aus diesen Vorgaben über das Benachteiligungsverbot hinaus das an den Arbeitgeber gerichtete Gebot, dem Amtsträger die berufliche Entwicklung zukommen zu lassen, die er ohne die Amtstätigkeit genommen hätte. Das Personalratsmitglied kann den Arbeitgeber daher grundsätzlich unabhängig von dessen Verschulden auf die Zahlung der Vergütung aus einer höheren Vergütungsgruppe in Anspruch nehmen, wenn es ohne die Freistellung mit Aufgaben betraut worden wäre, die die Eingruppierung in die höhere Vergütungsgruppe rechtfertigen [2]. Um zu ermitteln, ob der Amtsträger durch die Freistellung in seinem beruflichen Aufstieg benachteiligt wurde, muss sein beruflicher Werdegang ohne die Freistellung nachgezeichnet werden. Durch eine solche fiktive Nachzeichnung darf er weder besser noch schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer Arbeitnehmer ohne Personalratsamt [3].
Allerdings gewähren § 7 Abs. 1, § 42 Abs. 3 Satz 4 LPVG NW einem Dienstordnungsangestellten aufgrund der beamtenrechtlichen Ausprägung seines Dienstverhältnisses keinen Anspruch auf rückwirkende Beförderung.
Das Arbeitsverhältnis der dienstordnungsmäßig Angestellten der gesetzlichen Krankenkassen wird durch die Dienstordnung normativ geregelt (§§ 351, 352, 358 RVO). Die Dienstordnungsangestellten der Sozialversicherungsträger sind zwar weder Beamte noch haben sie einen öffentlich-rechtlichen Status. Dies ändert aber nichts daran, dass ihr Angestelltenverhältnis weitgehend öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist. Die Dienstordnungen der Sozialversicherungsträger sind dem öffentlichen Recht angehöriges, aufgrund gesetzlicher Ermächtigung erlassenes autonomes Satzungsrecht [4]. Es gestaltet normativ und zwingend die Arbeitsverhältnisse der Angestellten, die der Dienstordnung unterworfen sind. Der nach § 354 Abs. 1 RVO abzuschließende schriftliche Arbeitsvertrag unterstellt die Angestellten der Dienstordnung. Sobald der Vertrag geschlossen ist, wirkt die Dienstordnung in ihrer jeweiligen Fassung gesetzesgleich auf das Dienstverhältnis ein [5].
Nach § 11 Abs. 1 der Dienstordnung (DO) der hier einschlägigen AOK Rheinland/Hamburg gelten für deren Dienstordnungsangestellten die jeweiligen Vorschriften für Landesbeamte insbesondere des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) und des Landesbeamtengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen Abschnitt 1 bis 5 (LBG NW) entsprechend, soweit nicht durch besondere gesetzliche Vorschriften oder in der Dienstordnung etwas anderes bestimmt ist. Nach § 13 Abs. 1 DO richtet sich die Besoldung der Dienstordnungsangestellten der Arbeitgeberin nach der Besoldungsgruppe, die der Dienstvertrag festlegt, im Übrigen nach den für die Landesbeamten des Landes Nordrhein-Westfalen geltenden Vorschriften. Auf die Rechtsverhältnisse der Dienstordnungsangestellten finden damit besoldungsrechtlich (mit Ausnahme der vorgesehenen Festlegung der Besoldungsgruppe im Dienstvertrag) im selben Umfang wie für Beamte die jeweils gültigen in Bezug genommenen beamtenrechtlichen Vorschriften Anwendung.
Das Landesarbeitsgericht Hamburg [6] hat in der Vorinstanz – im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zum Erfüllungsanspruch – nicht festgestellt, dass eine fiktive Bewerbung der Dienstordnungsangestellten erfolgreich gewesen wäre, weil sie im Rahmen einer Bestenauslese auch unter Beachtung der freistellungsbedingten fachlichen oder Erfahrungsdefizite besser geeignet gewesen wäre als Frau M, der die Stelle übertragen wurde. Das Landesarbeitsgericht ist vielmehr davon ausgegangen, dass Frau M für die Stelle der „Leiterin der Stabsstelle Presse“ jedenfalls nicht besser qualifiziert war als die Dienstordnungsangestellte. Es hat seine Annahme, die Dienstordnungsangestellte hätte sich im fiktiven Auswahlverfahren gegen Frau M durchgesetzt, damit begründet, dass die Dienstordnungsangestellte angesichts ihrer Schwerbehinderung bei gleicher Qualifikation bevorzugt berücksichtigt worden wäre. Für diese Annahme der Bevorzugung der Dienstordnungsangestellten als schwerbehinderter Mensch bei gleicher Eignung mangelt es an hinreichenden Feststellungen zu einer entsprechenden Selbstbindung der Arbeitgeberin.
Auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Dienstordnungsangestellte sei für die Stelle jedenfalls gleichermaßen geeignet wie Frau M, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Diese Würdigung hat das Landesarbeitsgericht ua. darauf gestützt, die Arbeitgeberin habe nicht hinreichend dargelegt, von welcher prognostischen beruflichen Entwicklung der Dienstordnungsangestellten sie ausgehe und weshalb diese bei Zugrundelegung dieser nachgezeichneten Entwicklung über weniger Kenntnisse und Erfahrungen verfüge als Frau M. Damit hat das Landesarbeitsgericht die Darlegungslast verkannt, die grundsätzlich die Dienstordnungsangestellte als Anspruchstellerin trägt. Eine Umkehr der Darlegungslast folgt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht aus dem Umstand, dass die Arbeitgeberin zu Beginn der Freistellung der Dienstordnungsangestellten keine Gruppe von mit der Dienstordnungsangestellten vergleichbaren Arbeitnehmern benannt hat. Das rügt die Arbeitgeberin zu Recht. Die Bildung einer Vergleichsgruppe ist – wie das Landesarbeitsgericht an anderer Stelle zutreffend ausführt – zwar ein geeignetes Mittel, um eine auf Tatsachen gestützte Prognose über eine Leistungsentwicklung bei freigestellten Personalratsmitgliedern abzugeben. In diesem Sinne kann sie ein „Beurteilungssurrogat“ und auch ein „Erprobungssurrogat“ darstellen [7]. Sie ist jedoch rechtlich nicht geboten [8].
Dem Bundesarbeitsgericht ist es mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht möglich, zu beurteilen, ob die Auswahlentscheidung auf die Dienstordnungsangestellte hätte fallen müssen und nicht auf Frau M. Insoweit wird das Landesarbeitsgericht eine erneute Prüfung vorzunehmen haben. Das Landesarbeitsgericht wird außerdem ggf. zu prüfen haben, ob die Arbeitgeberin die Verletzung eines etwaigen Beförderungsanspruchs der Dienstordnungsangestellten zu vertreten hat [9]. Das Landesarbeitsgericht wird zudem ggf. zu berücksichtigen haben, ob die Dienstordnungsangestellte die unterbliebene Beförderung durch Einlegung von Rechtsbehelfen in Bezug auf die Beförderung von Frau M hätte verhindern können [10]. Ggf. wird das Landesarbeitsgericht auch die Besetzung von weiteren Beförderungsstellen, auf welche die Dienstordnungsangestellte ihren Anspruch gestützt hat, in seine Prüfung mit einbeziehen müssen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Mai 2019 – 7 AZR 255/17
- vgl. BAG 29.10.1998 – 7 AZR 202/97, zu I 1 der Gründe[↩]
- vgl. BAG 14.07.2010 – 7 AZR 359/09, Rn.19; 27.06.2001 – 7 AZR 496/99, zu B II 1 der Gründe mwN, BAGE 98, 164; 29.10.1998 – 7 AZR 202/97, zu I 1 der Gründe[↩]
- vgl. BAG 14.07.2010 – 7 AZR 359/09 – aaO; 27.06.2001 – 7 AZR 496/99, zu B II 1 a der Gründe mwN, aaO[↩]
- BAG 21.01.2014 – 3 AZR 860/11, Rn.20, BAGE 147, 138; 22.07.2010 – 6 AZR 82/09, Rn. 11; 30.08.2005 – 3 AZR 391/04, zu B II 1 der Gründe; 15.11.2001 – 6 AZR 382/00, zu II 1 der Gründe, BAGE 99, 348[↩]
- vgl. BAG 21.01.2014 – 3 AZR 860/11 – aaO; 22.07.2010 – 6 AZR 82/09 – aaO[↩]
- LAG Hamburg 07.12.2016 – 6 Sa 20/16[↩]
- vgl. BVerwG 15.04.2015 – 2 B 10.14, Rn. 10; 21.09.2006 – 2 C 13.05, Rn.19, BVerwGE 126, 333[↩]
- OVG Rheinland-Pfalz 17.03.2015 – 2 A 11131/13, zu II 2 b der Gründe[↩]
- vgl. zum Bewerbungsverfahrensanspruch im öffentlichen Dienst etwa BVerwG 15.06.2018 – 2 C 19.17, Rn. 18, BVerwGE 162, 253[↩]
- vgl. dazu BVerwG 15.06.2018 – 2 C 19.17, Rn. 23 ff., aaO[↩]