Eine fristlose Kündigung wegen des Statuswechsel einer Hebamme von freiberuflicher Tätigkeit zu einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ist unwirksam.

In dem hier vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschiedenen Fall ordnete die Deutsche Rentenversicherung einen Begleithebammenvertrag, der die freiberufliche Tätigkeit einer Hebamme in einem Krankenhaus vorsah, als versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ein. Eine mit diesem – noch nicht bestandskräftig festgestellten – Statuswechsel durch das Krankenhaus begründete außerordentliche Kündigung einer anderen Hebamme ist unwirksam, entschied nun das Oberlandesgericht. Den von der gekündigten Hebamme geltend gemachten entgangenen Gewinn sprach es jedoch mangels hinreichender Darlegungen nicht zu.
In dem hier entschiedenen Fall schlossen die Hebamme und das Krankenhaus einen so genannten Begleithebammenvertrag. Demnach erbrachte die Hebamme ihre Leistungen im Rahmen der Geburtshilfe freiberuflich und berechnete sie unmittelbar gegenüber der Patientin. Die Deutsche Rentenversicherung stufte in einem Clearingverfahren gegenüber einer anderen bei der Krankenhausgesellschaft tätigen Hebamme deren Vertragsverhältnis als versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ein. Daraufhin kündigte die Krankenhausgesellschaft den Begleithebammenvertrag mit der Hebamme außerordentlich aus wichtigem Grund. Sie verwies darauf, dass Kooperationsgrundlage der freiberufliche Status der Hebamme gewesen sei. Dieser sei nunmehr weggefallen. Die Hebamme hält die Kündigung für unwirksam und begehrt entgangenen Gewinn in Höhe von rund 26.000 €.
Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Gießen hat die Klage abgewiesen1. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die außerordentliche Kündigung sei zwar unwirksam, bestätigte das OLG die Entscheidung des Landgerichts. Es sei der Krankenhausgesellschaft bei Ausspruch der Kündigung jedenfalls nicht unzumutbar gewesen, das Vertragsverhältnis (zunächst) fortzusetzen. Der Bescheid der Rentenversicherung sei zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs infolge Widerspruchs der betroffenen Hebamme noch nicht bestandskräftig gewesen. Das Risiko, im Falle der Feststellung einer Versicherungspflicht der Hebamme für einen längeren Zeitraum rückwirkend Beitragszahlungen leisten zu müssen, habe die Krankenhausgesellschaft zudem selbst verursacht. Sie hätte unmittelbar bei Vertragsschluss mit der Hebamme ein Statusfeststellungsverfahren durchführen lassen können.
Der Hebamme stehe aber kein Schadensersatz zu, da sie ihren entgangenen Gewinn nicht schlüssig dargelegt habe. Es sei Aufgabe des selbstständig Tätigen, konkrete Anknüpfungspunkte zur Schätzung darzulegen und nachzuweisen. Die Hebamme habe zwar Verträge mit Schwangeren vorgelegt, die sie infolge der Kündigung nicht mehr habe erfüllen können. Es fehlten aber Darlegungen, was die Hebamme „aufgrund der durch Wegfall der Begleitgeburten freigewordenen Betreuungskapazitäten anderweitig erworben hat oder zu erwerben unterlassen hat“. Soweit die Hebamme auf Reduzierungen infolge von Corona hingewiesen habe, hätte sie konkret darlegen müssen, in welchem Umfang Hebammenleistungen pandemiebedingt nicht erbracht werden konnten und ihr anderweitiger Erwerb nicht möglich war. Daran fehle es.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 1. Februar 2023 – 17 U 30/22
- LG Gießen, Urtiel vom 20.01.2022 – 5 O 20/21[↩]