Die Frage nach Vorstrafen und Ermittlungsverfahren im Einstellungsgespräch

Inwieweit ist ein Arbeitgeber zur Anfechtung oder zur fristlosen Kündigung des Arbeitsvertrages berechtigt, wenn ihm der Arbeitnehmer eine Vorstrafe (oder ein ehemals gegen ihn geführtes Ermittlungsverfahren) verschwiegen hat? Mit dieser Frage musste sich jetzt das Bundesarbeitsgericht beschäftigen. Anlass hierfür bot der Fall eines Arbeitnehmer, der von einem Automobilhersteller auf eine Stelle “ Fahrer Geschäftsleitung im Bereich Unternehmenssicherheit-Fahrdienste Geschäftsleitung“ eingestellt worden war. Die Frage auf einem Personalbogen nach evtl. Vorstrafen verneinte er. In Wirklichkeit war er nach einer Auseinandersetzung, die sich im Januar 2002 im Rahmen einer Tätigkeit als Türsteher ereignet hatte, durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 10.02.2003 wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt worden.

Die Frage nach Vorstrafen und Ermittlungsverfahren im Einstellungsgespräch

Das Bundesarbeitsgericht sah weder einen Grund für eine Anfechtung des Arbeitsvertrages noch für eine außerordentliche Kündigung. Lediglich die Frage der Berechtigung einer personenbedingten ordentlichen Kündigung des Arbeitsnehmers ließ das Bundesarbeitsgericht offen:

Anfechtung wegen arglistiger Täuschung[↑]

Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber nach § 123 Abs. 1 BGB dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, wenn die Täuschung für dessen Abschluss ursächlich war1. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer bei der Einstellung nach Vorstrafen fragen, wenn und soweit die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies „erfordert“, dh. bei objektiver Betrachtung berechtigt erscheinen lässt2. Auch die Frage nach noch anhängigen Straf- oder Ermittlungsverfahren kann zulässig sein, wenn solche Verfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Arbeitnehmers begründen können. Dem steht die in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerte Unschuldsvermutung nicht entgegen. Diese bindet unmittelbar nur den Richter, der über die Begründetheit der Anklage zu entscheiden hat. Daraus ergibt sich nicht, dass aus einem anhängigen Ermittlungs- oder Strafverfahren für den Beschuldigten überhaupt keine Nachteile entstehen dürften3. Eine Einschränkung des Fragerechts kann sich im Einzelfall aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Bewerbers, dem Datenschutzrecht oder – in den Fällen abgeschlossener Straf- und Ermittlungsverfahren – den Wertentscheidungen des § 53 BZRG ergeben4.

Das Verschweigen nicht nachgefragter Tatsachen stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich dieser Tatsachen eine Offenbarungspflicht besteht5. Eine solche Pflicht ist an die Voraussetzung gebunden, dass die betreffenden Umstände entweder dem Bewerber die Erfüllung seiner vorgesehenen arbeitsvertraglichen Leistungspflicht von vornherein unmöglich machen oder doch für die Eignung für den in Betracht kommenden Arbeitsplatz von ausschlaggebender Bedeutung sind6.

Arglistig ist die Täuschung, wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen und deshalb oder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim (künftigen) Arbeitgeber entstehen oder aufrechterhalten werden. Fahrlässigkeit – auch grobe Fahrlässigkeit – genügt insoweit nicht. Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt der Arbeitgeber. Dass es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, steht dem nicht entgegen7.

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Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, im Streitfall fehle es an einer arglistigen Täuschung im Zusammenhang mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Das gilt unabhängig davon, ob die Arbeitgeberin – wie sie behauptet – den Arbeitnehmer danach gefragt hat, ob er als Täter oder Teilnehmer in Straftaten verwickelt, dies jemals gewesen oder in letzter Zeit angezeigt worden sei, oder ob sie ihn – wie dieser behauptet – nur allgemein nach Vorstrafen gefragt hat.

Auf die von der Arbeitgeberin – gleich in welcher der beiden Formen – gestellte Frage nach Vorstrafen und Strafanzeigen musste der Arbeitnehmer nicht wahrheitsgemäß antworten. Weder mit ihrem vom Arbeitnehmer behaupteten noch mit dem von der Arbeitgeberin vorgetragenen Inhalt war die Frage auf objektiv einschlägige Straftaten – dh. auf solche, die für die Eignung für einen ins Auge gefassten künftigen Aufgabenbereich relevant wären – bzw. auf Vorstrafen und Anzeigen wegen objektiv einschlägiger – und dementsprechend von der Arbeitgeberin konkret benannter – Delikte oder Deliktsbereiche begrenzt. Die Arbeitgeberin fragte den Arbeitnehmer vielmehr ohne eine gegenständliche Beschränkung nach möglichen Vorstrafen und Anzeigen jeder Art. Damit ging sie über ihr schutzwürdiges Informationsinteresse hinaus und war der Arbeitnehmer zu einer der Wahrheit entsprechenden Antwort rechtlich nicht verpflichtet.

Der Arbeitnehmer war auch nicht von sich aus zur Offenlegung seiner Vorstrafe aus dem Jahr 2003 verpflichtet.

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, für die Beurteilung des Umfangs einer Offenbarungspflicht sei die für den Arbeitnehmer vorgesehene Tätigkeit als „Fahrer Geschäftsleitung“ maßgebend gewesen. Dass mit ihr Aufgaben des Personenschutzes verbunden sein würden, sei vor Vertragsschluss nicht, jedenfalls nicht hinreichend deutlich erkennbar geworden. Diese Würdigung lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

Laut Arbeitsvertrag vom 15.11.2007 wurde der Arbeitnehmer als „Fahrer Geschäftsleitung im Bereich Unternehmenssicherheit-Fahrdienste Geschäftsleitung“ eingestellt. Dies entspricht inhaltlich der Angabe in dem eine Woche nach Abschluss des Arbeitsvertrags ausgefüllten Personalbogen. Dass mit der Tätigkeit als Fahrer auch Personenschutzaufgaben verbunden wären, ist beiden Schriftstücken nicht zu entnehmen. Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil die Tätigkeit im Organisationsbereich „Unternehmenssicherheit – Fahrdienste Geschäftsleitung“ angesiedelt war. Die Angabe des Bereichs sagt nichts über das Tätigkeitsprofil des einzelnen dort beschäftigten Arbeitnehmers aus.

Aus der Ausschreibung vom 07.05.2007 – deren Kenntnis der Arbeitnehmer ohnehin bestritten hat – sowie dem von der Arbeitgeberin behaupteten Inhalt des Vorstellungsgesprächs am 23.05.2007 ergibt sich nichts Gegenteiliges. Dieses hat nicht zu einer Einstellung bei der Arbeitgeberin, sondern bei einem anderen Arbeitgeber geführt. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Arbeitgeberin habe einen hinreichenden Bezug zwischen dem Vorstellungsgespräch und dem ein halbes Jahr später zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrag nicht dargelegt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Selbst wenn Gegenstand des Gesprächs auch eine Tätigkeit als Personenschützer gewesen sein sollte, musste der Arbeitnehmer angesichts der Tätigkeitsbezeichnung im Arbeitsvertrag ein halbes Jahr später nicht notwendig erkennen, dass ihm zum 1.01.2008 eine solche Aufgabe übertragen werden sollte.

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Unter diesen Umständen verhielt sich der Arbeitnehmer nicht arglistig iSv. § 123 Abs. 1 BGB, weil er seine Vorstrafe verschwieg. Selbst wenn die Auslegung der getroffenen Vertragsabsprachen gemäß §§ 133, 157 BGB ergeben sollte, dass die Parteien aus objektiver Sicht auch die Wahrnehmung von Personenschutzaufgaben durch den Arbeitnehmer vereinbart haben, muss dieser das bei Vertragsschluss nicht positiv gewusst haben. Bei dem im Arbeitsvertrag angegebenen Aufgabenbereich als „Fahrer Geschäftsleitung …“ konnten nur Vorstrafen und Ermittlungsverfahren aus dem Bereich der Straßenverkehrsdelikte von maßgebender Bedeutung für dessen Abschluss sein. Eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung war hingegen nicht „einschlägig“. Sie vermochte Zweifel an der Eignung des Arbeitnehmers als Fahrer aus seiner Sicht nicht zu begründen. Den Arbeitnehmer traf deshalb keine Offenbarungspflicht. Ob dies auch aus gesetzlichen Vorschriften, insbesondere den Wertentscheidungen des Bundeszentralregistergesetzes folgt, kann offenbleiben.

Anfechtung wegen Irrtums über die Eigenschaft einer Person[↑]

Die Arbeitgeberin war zur Anfechtung nicht wegen des Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Arbeitnehmers nach § 119 Abs. 2 Alt. 1 iVm. Abs. 1 BGB berechtigt.

Die Berücksichtigung dieses Anfechtungsgrundes scheitert nicht schon daran, dass die Arbeitgeberin die Anfechtung in ihrem Schreiben vom 02.04.2009 ausdrücklich auf § 123 Abs. 1 BGB gestützt hat.

Das Nachschieben von Gründen für eine bereits aus anderen Gründen erklärte Anfechtung kann unzulässig sein. Der Anfechtungsgegner geht regelmäßig davon aus, dass die Wirksamkeit der Erklärung nur aus den angegebenen oder erkennbaren Gründen in Zweifel gezogen wird. Er richtet sich in seinem weiteren Verhalten darauf ein. Er braucht grundsätzlich nicht damit zu rechnen, dass im Prozess zu einem späteren Zeitpunkt und außerhalb von Anfechtungsfristen noch andere Gründe nachgeschoben werden8.

Kann aber eine wegen arglistiger Täuschung erklärte Anfechtung inhaltlich zugleich als eine solche wegen Irrtums über eine Eigenschaft verstanden werden, kann sich der Erklärende noch nachträglich auf diesen Anfechtungsgrund berufen. Eine auf arglistige Täuschung gestützte Anfechtung kann die Irrtumsanfechtung in sich schließen. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln9.

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Im Anfechtungsschreiben hat die Arbeitgeberin die Anfechtung zwar ausdrücklich „gemäß § 123 Abs. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung im Einstellungsgespräch am 23.05.2007“ erklärt. Das Landesarbeitsgericht hat diese Erklärung aber rechtsfehlerfrei dahingehend ausgelegt, dass sie zugleich die Behauptung eines Irrtums über das Vorliegen einer verkehrswesentlichen Eigenschaft beinhaltet. Der Arbeitnehmer konnte ihr hinreichend deutlich entnehmen, dass die Arbeitgeberin ihre Vertragserklärung nicht nur wegen arglistiger Täuschung, sondern auch wegen Irrtums über seine zu Ermittlungsverfahren und einer Vorstrafe führenden persönlichen Eigenschaften anfechten wollte.

Die Arbeitgeberin hat sich jedoch nicht über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Arbeitnehmers geirrt.

Die Eigenschaft einer Person ist dann verkehrswesentlich, wenn sie nach der Verkehrsanschauung für die Wertschätzung und die zu leistende Arbeit von Bedeutung und nicht nur vorübergehender Natur ist. Sie muss sich auf die Eignung der Person für die Arbeit auswirken10.

Im Streitfall kann dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine – überdies nicht näher spezifizierte – „Unzuverlässigkeit“ und eine „Neigung zu Gewalttätigkeit“ (verkehrswesentliche) Eigenschaften einer Person sein können. Jedenfalls sind diese Zuschreibungen nicht von maßgebender Bedeutung für die vereinbarte Tätigkeit des Arbeitnehmers als „Fahrer Geschäftsleitung“. Insoweit gilt das Gleiche wie für die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.

Außerordentliche Kündigung des Arbeitsvertrages[↑]

Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 02.04.2009 aufgelöst worden.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Danach fehlt es an einem wichtigen Grund im Sinne der Bestimmung.

Das Recht zur außerordentlichen Kündigung ist nicht durch die Möglichkeit zur Anfechtung ausgeschlossen. Beide Gestaltungsrechte bestehen nebeneinander11. Die Anfechtung setzt zwar einen Grund voraus, der schon bei Abschluss des Arbeitsvertrags vorgelegen hat, während die Kündigung dazu dient, ein durch nachträgliche Umstände belastetes oder sinnlos gewordenes Arbeitsverhältnis zu beenden12. Denkbar ist aber, dass ein Anfechtungsgrund im zustande gekommenen Arbeitsverhältnis so stark nachwirkt, dass dem Arbeitgeber nach seinem Bekanntwerden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist13.

Ein wichtiger Grund im Verhalten des Arbeitnehmers liegt entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht darin, dass dieser Vorstrafen und Ermittlungsverfahren mehrfach pflichtwidrig geleugnet und dadurch ihr Vertrauen in seine Loyalität zerstört hätte.

Soweit die Arbeitgeberin die außerordentliche Kündigung auf die unzutreffende Beantwortung der im Bewerbungsgespräch und im Fragebogen gestellten Fragen stützt, fehlt es an einer Pflichtverletzung. Der Arbeitnehmer war aus den dargelegten Gründen nicht zur Offenlegung verpflichtet.

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Ob der Arbeitnehmer auf die in den Gesprächen am 28.01.und 26.03.2009 gestellten – hinsichtlich ihres Inhalts streitigen – Fragen der Arbeitgeberin hin die ihm bekannten Tatsachen deshalb hat offenbaren müssen, weil in Wirklichkeit und mittlerweile für ihn erkennbar auch der Personenschutz zu seinen Aufgaben gehörte, kann dahinstehen. Ebenso kann offenbleiben, ob eine Pflicht bestand, seine Verurteilung wegen der im Jahr 2008 auf einem Parkplatz begangenen Beleidigung zu offenbaren. Selbst wenn dies bejaht werden müsste, war es der Arbeitgeberin nicht unzumutbar, den Arbeitnehmer zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Die Falschbeantwortung der Fragen als solche wäre dann zwar ein Pflichtenverstoß. Dieser vermöchte aber eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen.

Daran ändert sich nichts unter dem Gesichtspunkt einer Verdachtskündigung, auf den die Arbeitgeberin in der Revisionsinstanz zusätzlich abhebt. Es erschließt sich nicht, welchen über die feststehenden Tatsachen hinausgehenden „Verdacht“ die Arbeitgeberin geltendmachen will. Ein Verhalten des Arbeitnehmers wiederum, das schon als erwiesenes eine außerordentliche Kündigung nicht zu stützen vermag, kann eine Kündigung wegen des bloßen Verdachts auf sein Vorliegen – erst recht – nicht begründen.

Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt ebenso wenig in der Person des Arbeitnehmers. Dessen in der nicht wahrheitsgemäßen Beantwortung der Fragen zu Tage getretene mögliche „Unzuverlässigkeit“ und die ihm von der Polizeibehörde seines früheren Heimatorts zugeschriebene „Gewalttätigkeit“ machen der Arbeitgeberin die Fortsetzung des im Kündigungszeitpunkt über ein Jahr lang beanstandungsfrei durchgeführten Arbeitsverhältnisses jedenfalls nicht schon bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar.

Ordentliche verhaltensbedingte Kündigung[↑]

Die Revision ist begründet, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts richtet, das Arbeitsverhältnis sei auch durch eine ordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden. Ob eine ordentliche Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt ist, steht noch nicht fest.

Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei nicht durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt.

Die Kündigung ist durch solche Gründe „bedingt“, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht14.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Insoweit gilt nichts anderes als für die Beurteilung möglicher Pflichtverletzungen im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB.

Ordentliche personenbedingte Kündigung[↑]

Ob die Kündigung durch Gründe in der Person des Arbeitnehmers bedingt ist, kann das Bundesarbeitsgericht nicht abschließend beurteilen.

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Als Gründe in der Person des Arbeitnehmers kommen Umstände in Betracht, die auf einer in den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers liegenden „Störquelle“ für das Arbeitsverhältnis beruhen15. Sie stehen einer Weiterbeschäftigung entgegen, wenn sie die Eignung des Arbeitnehmers für die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit entfallen lassen und eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen nicht in Betracht kommt.

Das Landesarbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts angenommen, dass sich ein Eignungsmangel des Arbeitnehmers weder aus den Straftaten, die zu seiner Verurteilung geführt haben, noch aus den im Schreiben des Landeskriminalamts aufgeführten Ermittlungsverfahren ergebe. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die im Jahr 2002 begangene Straftat vermag bereits aufgrund des Ablaufs von im Kündigungszeitpunkt mehr als sieben Jahren nicht die Annahme zu begründen, der Arbeitnehmer sei generell „gewalttätig“ und deshalb für die arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeiten ungeeignet. Nichts anderes ergibt sich aus dem Vorgang des Jahres 2008, welcher zu einer Verurteilung wegen Beleidigung geführt hat. Soweit sich die Arbeitgeberin auf die vom Landeskriminalamt aufgeführten Ermittlungsverfahren beruft, ist ihrem Vortrag nicht zu entnehmen, welche tatsächlichen Vorgänge diesen Verfahren zugrunde gelegen haben. Nur anhand dessen könnte beurteilt werden, ob ihre Annahme, der Arbeitnehmer sei „gewalttätig“, eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen könnte. Allein der Umstand, dass es entsprechende Anzeigen gegen den Arbeitnehmer gegeben und ein Polizeiposten ihn als „gewalttätig“ eingestuft hat, genügen dafür nicht.

Das Landesarbeitsgericht hat indes nicht geprüft, ob nicht durch die Versagung eines Waffenscheins die Eignung des Arbeitnehmers für die im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung geschuldete Arbeitsleistung entfallen ist. Der Umstand, dass im Einvernehmen beider Parteien ein Waffenschein für den Arbeitnehmer beantragt worden war, legt die Annahme nahe, dass dieser künftig für die Ausübung seiner Tätigkeit erforderlich ist. Das Landesarbeitsgericht wird daher zu klären haben, ob die bei Ausspruch der Kündigung arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit das Führen einer Waffe erforderte. Ebenso wenig hat das Landesarbeitsgericht geprüft, ob der Arbeitnehmer unabhängig von der Versagung eines Waffenscheins deshalb seine vertraglich geschuldeten Aufgaben nicht mehr erfüllen konnte, weil er von den für die Sicherheit gefährdeter Personen – etwa des Ministerpräsidenten – verantwortlichen Stellen als unzuverlässig eingestuft wird und damit als Fahrer der Geschäftsleitung der Arbeitgeberin möglicherweise nicht mehr problemlos eingesetzt werden kann. Zu beiden Gesichtspunkten wird das Landesarbeitsgericht den Parteien Gelegenheit zu näherem Vortrag geben müssen. Sollte sich herausstellen, dass zur Erfüllung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung des Arbeitnehmers der Besitz eines Waffenscheins unerlässlich ist oder dieser in seinem bisherigen Aufgabenbereich wegen der von dritter Seite angenommenen Unzuverlässigkeit nicht mehr ohne unzumutbare Probleme eingesetzt werden kann, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob eine zumutbare andere Beschäftigungsmöglichkeit in Betracht kommt.

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Bundesarbeitsgericht Urteil vom 6. September 2012 – 2 AZR 270/11

  1. BAG 7.07.2011 – 2 AZR 396/10, Rn. 16, AP BGB § 123 Nr. 70 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 11[]
  2. BAG 20.05.1999 – 2 AZR 320/98, zu B I 1 b bb der Gründe, BAGE 91, 349[]
  3. BAG 27.07.2005 – 7 AZR 508/04, zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 115, 296; 20.05.1999 – 2 AZR 320/98, zu B I 1 b cc der Gründe, BAGE 91, 349[]
  4. vgl. zu letzterem BAG 21.02.1991 – 2 AZR 449/90, zu II 1 b der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 35 = EzA BGB § 123 Nr. 35; offengelassen in 27.07.2005 – 7 AZR 508/04, zu I 1 b bb (2) der Gründe, BAGE 115, 296; MüArbR/Buchner 3. Aufl. § 30 Rn. 346; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 26 Rn. 35; ErfK/Preis 12. Aufl. § 611 BGB Rn. 281[]
  5. BAG 12.05.2011 – 2 AZR 479/09, Rn. 41, AP BGB § 123 Nr. 69 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 10[]
  6. BAG 28.02.1991 – 2 AZR 357/90, zu II 1 a der Gründe[]
  7. BAG 12.05.2011 – 2 AZR 479/09, Rn. 43, AP BGB § 123 Nr. 69 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 10; 20.05.1999 – 2 AZR 320/98, zu B I 4 der Gründe, BAGE 91, 349[]
  8. BAG 7.11.2007 – 5 AZR 1007/06, Rn. 21, BAGE 124, 345[]
  9. BAG 21.02.1991 – 2 AZR 449/90, zu II 4 d der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 35 = EzA BGB § 123 Nr. 35; BGH 26.10.1978 – VII ZR 202/76, zu I 1 der Gründe, BGHZ 72, 252[]
  10. APS/Preis 4. Aufl. Grundlagen K. Rn. 31[]
  11. BAG 7.07.2011 – 2 AZR 396/10, Rn.20, AP BGB § 123 Nr. 70 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 11[]
  12. BAG 28.03.1974 – 2 AZR 92/73, zu 1 der Gründe, AP BGB § 119 Nr. 3 = EzA BGB § 119 Nr. 5[]
  13. BAG 28.03.1974 – 2 AZR 92/73 – aaO; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 45; APS/Preis 4. Aufl. Grundlagen K. Rn. 23[]
  14. BAG 21.06.2012 – 2 AZR 153/11, Rn. 14, NZA 2012, 1025; 9.06.2011 – 2 AZR 284/10, Rn. 34, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37[]
  15. BAG 24.03.2011 – 2 AZR 790/09, Rn. 13, AP KSchG 1969 § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 33 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 27; 5.06.2008 – 2 AZR 984/06, Rn. 27 mwN, AP BGB § 626 Nr. 212 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 22[]