Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in der Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden.

Der Gesetzgeber hat die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote in § 75 Abs. 1 BetrVG übernommen. Die unterschiedliche Behandlung der Betriebsangehörigen aus einem in § 1 AGG genannten Grund ist daher nur unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig1.
In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall enthielt der Sozialplan in seinem § 2 folgende Regelung:
§ 2 Ausgleichsleistungen
…
5. AbfindungsobergrenzenDer Gesamtbetrag der Grundabfindung gem. § 2 (1) eines Arbeitnehmers ist auf folgende Abfindungsobergrenzen begrenzt, die unabhängig voneinander zu ermitteln sind und von denen die niedrigste Abfindungsobergrenze maßgeblich ist:
5.1
Die Höhe der Grundabfindung gem. § 2 (1) ist auf einen Betrag von 230.000 Euro brutto (Abfindungsobergrenze) begrenzt. Darüber hinausgehende, sich rechnerisch ergebende Beträge werden gekappt.5.2
Die Höhe der Grundabfindung gem. § 2 (1) ist auf die Summe der Bruttomonatsentgelte begrenzt, die zwischen dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Zeitpunkt liegen, ab dem der Arbeitnehmer einen Anspruch auf abschlagsfreie gesetzliche Altersrente oder auf Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung (eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach §§ 37, 236a SGB VI bleibt unberücksichtigt) und/oder eine mit ihr vergleichbare Leistung (z. B. Leistung einer Versorgungseinrichtung) hat. Die Berechnung des Bruttomonatsentgelts erfolgt nach § 2 (1.1).
Das Bundesarbeitsgericht beurteilte die Höchstbetragsregelung in § 2 Nr. 5.1 SP als wirksam; die Norm verstosse nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG:
Die Regelung in § 2 Nr. 5.1 SP enthält zwar keine unmittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, weil sie nicht an das Alter der Arbeitnehmer anknüpft, sondern die Abfindung für alle Arbeitnehmer mit Ausnahme derjenigen, die unter die Regelung des § 2 Nr. 5.2 SP fallen, gleichermaßen altersunabhängig auf einen Höchstbetrag von 230.000, 00 Euro begrenzt. Die dem Anschein nach neutrale Regelung kann jedoch ältere Arbeitnehmer in besonderer Weise benachteiligen2. Dies führt gleichwohl nicht zu einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters, weil die Ungleichbehandlung nach § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG gerechtfertigt ist.
Die Begrenzung der Sozialplanabfindung auf höchstens 230.000, 00 Euro ist geeignet, Arbeitnehmer mit höherem Lebensalter in besonderer Weise zu benachteiligen, weil sie typischerweise für diese Arbeitnehmergruppe gelten kann. Die in § 2 Nr. 1 SP geregelte Berechnungsformel, die bei der Ermittlung der den Arbeitnehmern zustehenden Abfindung – neben dem Bruttomonatsentgelt und einem für alle Arbeitnehmer einheitlichen Faktor – die Dauer der Betriebszugehörigkeit berücksichtigt, ermöglicht älteren Arbeitnehmern höhere Abfindungen. Die Sozialplanabfindung fällt umso höher aus, je länger die Betriebszugehörigkeit war. Eine längere Betriebszugehörigkeit geht wiederum – allein aufgrund der dafür erforderlichen Dauer des Erwerbslebens – regelmäßig mit einem verhältnismäßig hohen Lebensalter einher3. Daraus ergibt sich, dass ältere Arbeitnehmer typischerweise eine deutlich höhere Abfindung nach dem Sozialplan erhalten als jüngere oder – unter die Regelung des § 2 Nr. 5.2 SP fallende – rentennahe und damit eher von der Deckelung in § 2 Nr. 5.1 SP betroffen sein können.
Eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 2 AGG ist jedoch deshalb nicht gegeben, weil die Begrenzung der Sozialplanabfindung auf den Betrag von höchstens 230.000, 00 Euro durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zu dessen Erreichung geeignet, erforderlich und angemessen sind.
Die Regelung in § 2 Nr. 5.1 SP dient einem rechtmäßigen Ziel.
Das mit einer neutralen Vorschrift verfolgte „rechtmäßige“ Ziel iSd. § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG muss zwar kein „legitimes“ Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG sowie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG – insbesondere aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung – sein. Vielmehr schließt es auch andere von der Rechtsordnung anerkannte Gründe für die Verwendung einer neutralen Vorschrift ein. Es muss sich aber um ein objektives Ziel handeln, das selbst nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des verbotenen Anknüpfungsgrundes nach § 1 AGG zu tun hat. Rechtmäßige Ziele in diesem Sinn können daher nur solche sein, die nicht ihrerseits diskriminierend und auch im Übrigen legal sind4. Dabei muss das mit einer Regelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich benannt werden. Auch aus dem allgemeinen Kontext der Regelung können sich Anhaltspunkte ergeben, die es ermöglichen, den Zweck der Regelung festzustellen und dadurch zu überprüfen, ob die Bestimmung geeignet, erforderlich und angemessen ist5.
Mit der Festlegung einer Höchstabfindung soll ersichtlich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die für den Sozialplan zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel limitiert sind. Da die Abfindungen für ältere Arbeitnehmer, die nicht unter die Kappungsgrenze des § 2 Nr. 5.2 SP fallen, aufgrund ihrer regelmäßig längeren Betriebszugehörigkeit typischerweise besonders hoch ausfallen, bezweckt die Regelung, Verteilungsgerechtigkeit herzustellen. Vor dem Hintergrund begrenzter Sozialplanmittel soll möglichst allen vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmern eine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe gewährt werden. Damit dient die Norm einem rechtmäßigen Ziel iSv. § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG. Die Gewährung eines Ausgleichs für die Zukunft in Sozialplänen entsprechend den Bedürfnissen der betroffenen Arbeitnehmer, die der Notwendigkeit einer gerechten Verteilung der begrenzten finanziellen Mittel Rechnung trägt, stellt sogar ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG dar6.
Die Höchstbetragsregelung ist zudem geeignet, erforderlich und angemessen7.
Sie ist geeignet, das Ziel der Verteilungsgerechtigkeit unter Berücksichtigung des beschränkten Sozialplanvolumens zu erreichen. Mit der Festlegung einer Obergrenze wird ein – durch die Berücksichtigung des Faktors Betriebszugehörigkeit im Rahmen der Berechnungsformel ermöglichter – erheblicher Anstieg der Abfindung für ältere Arbeitnehmer verhindert. Dadurch wird gewährleistet, dass auch für die anderen von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer noch Mittel für Sozialplanabfindungen zur Verfügung stehen. Entgegen der Auffassung des Widerklägers ist die Höchstbetragsregelung nicht deshalb ungeeignet, Verteilungsgerechtigkeit herzustellen, weil sie weder danach differenziert, ob die Abfindungshöhe maßgeblich durch die lange Betriebszugehörigkeit oder durch ein hohes Entgelt bedingt ist, noch berücksichtigt, ob dem jeweiligen Arbeitnehmer Ersatzeinkommen zur Verfügung steht. Geeignet ist ein Mittel bereits dann, wenn das beabsichtigte Ziel erreicht werden kann. Im Übrigen übersieht der Widerkläger, dass die Berücksichtigung anderer oder weiterer als der von den Betriebsparteien zugrunde gelegten Faktoren lediglich einen Austausch der Kriterien bewirkt, die für die Verteilung des begrenzten Sozialplanvolumens maßgebend sind. Dies mag für bestimmte Arbeitnehmer zu höheren Abfindungen führen, hat aber zwangsläufig eine Verringerung der Abfindungen für andere zur Folge. Ob die hier gewählten Verteilungsmaßstäbe die Grenzen des den Betriebsparteien zustehenden Gestaltungsspielraums wahren8, ist keine Frage der Geeignetheit, sondern der Angemessenheit der Regelung.
Die Bestimmung ist erforderlich, um möglichst allen betroffenen Arbeitnehmern eine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe zu gewähren. Es ist nicht erkennbar, dass dieses Ziel mit gleicher Genauigkeit durch anderweitige Maßnahmen erreicht werden kann, die keine Ungleichbehandlung wegen des Alters bewirken. Eine Anhebung des Höchstbetrags oder der Verzicht hierauf (unter proportionaler Verteilung des Sozialplanvolumens auf alle Arbeitnehmer) hätte bei Einhaltung des Dotierungsrahmens aufgrund der dann erforderlichen Absenkung des Faktors von 1, 45 oder einer – vom Widerkläger vorgeschlagenen – Modifizierung der in § 2 Nr. 5.2 SP vorgesehenen Obergrenze zu einer Verringerung der Abfindungen jüngerer Arbeitnehmer geführt.
Die Begrenzung der Sozialplanabfindung auf den Betrag von höchstens 230.000, 00 Euro ist auch angemessen. Die Regelung führt nicht zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der von ihr betroffenen Arbeitnehmer.
Sozialpläne haben typischerweise eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen sind kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste, sondern sollen die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Folgen eines durch Betriebsänderung verursachten Arbeitsplatzverlusts ausgleichen oder zumindest abmildern. Dabei müssen die Betriebsparteien die mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile nicht vollständig kompensieren. Der von ihnen vereinbarte Sozialplan darf lediglich den Normzweck nicht verfehlen, die wirtschaftlichen Nachteile zu mildern. Dies kann regelmäßig nur in typisierender und pauschalierender Form geschehen, weil die Betriebsparteien die für den einzelnen Arbeitnehmer zu erwartenden Nachteile nicht konkret voraussehen können9.
Es ist nicht erkennbar, dass eine Abfindung iHv. 230.000, 00 Euro keine substantielle Milderung der Nachteile der vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmer darstellte. Der Einwand des Widerklägers, dadurch sei nicht gesichert, dass ältere Arbeitnehmer den Zeitraum bis zum Renteneintritt überbrücken könnten, übersieht, dass die Einigungsstelle – ebenso wie die Betriebsparteien – nicht verpflichtet ist, mit einer Betriebsänderung ggf. verbundene Nachteile vollständig zu kompensieren10. Unabhängig davon haben die Betriebsparteien im Streitfall besonderen Erschwernissen – über den gedeckelten Grundabfindungsbetrag hinaus – durch die Zahlung von Zusatzbeträgen für unterhaltsverpflichtete und schwerbehinderte Arbeitnehmer gesondert Rechnung getragen.
Die Höchstbetragsregelung in § 2 Nr. 5.1 SP beeinträchtigt die legitimen Interessen der von ihr erfassten Arbeitnehmer auch nicht aus anderen Gründen unangemessen.
Deren überproportionale Betroffenheit von der Kappungsgrenze steht in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Bevorzugung bei der Abfindungshöhe, die in der Berechnungsformel für die Grundabfindung angelegt ist. Sie ergibt sich durch die – unbeschränkte – Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit. In der Sache beschränkt der vereinbarte Höchstbetrag lediglich die durch diese Berechnungsweise bewirkte Begünstigung der typischerweise älteren – und nicht schon von der in § 2 Nr. 5.2 SP vorgesehenen Obergrenze betroffenen – Arbeitnehmer11.
Auch der Umstand, dass sich aufgrund der starren Obergrenze eine längere Betriebszugehörigkeit bei Arbeitnehmern mit höherem Bruttomonatsentgelt schon zu einem früheren Zeitpunkt nicht mehr abfindungserhöhend auswirkt als bei Arbeitnehmern mit geringerem Einkommen, führt nicht dazu, dass die Regelung unangemessen ist. Die Einigungsstelle ist berechtigt, im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums für die Nachteile, die den Arbeitnehmern durch eine Betriebsänderung entstehen, eine pauschalierende und typisierende Bewertung vorzunehmen12. Aus diesem Grund kann sie auch berücksichtigen, dass ein höheres Einkommen mehr Möglichkeiten zur Eigenvorsorge für den Fall einer Arbeitslosigkeit bietet.
Das Bundesarbeitsgericht musste kein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union richten. Die für die unionsrechtliche Rechtslage maßgebenden Grundsätze sind durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt. Nach seiner Rechtsprechung kann eine Ungleichbehandlung von älteren Arbeitnehmern bei der Berechnung der Sozialplanabfindung durch ein legitimes Ziel iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt sein, wenn der Sozialplan die Gewährung eines Ausgleichs für die Zukunft, den Schutz der jüngeren Arbeitnehmer sowie die Unterstützung bei ihrer beruflichen Wiedereingliederung und eine gerechte Verteilung der begrenzten finanziellen Mittel bezweckt13. Die Prüfung, ob eine nationale Regelung, die eine Ungleichbehandlung enthält, im Einzelfall einem rechtmäßigen Ziel im Sinn der Richtlinie 2000/78/EG entspricht und ob die gewählten Mittel angemessen und erforderlich waren, um dieses Ziel zu erreichen, obliegt den Gerichten der Mitgliedstaaten14.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. Februar 2022 – 1 AZR 252/21
- BAG 7.12.2021 – 1 AZR 562/20, Rn. 40 mwN[↩]
- vgl. BAG 7.12.2021 – 1 AZR 562/20, Rn. 42 unter Aufgabe von BAG 21.07.2009 – 1 AZR 566/08, Rn. 22 mwN, BAGE 131, 244[↩]
- BAG 7.12.2021 – 1 AZR 562/20, Rn. 42 mwN[↩]
- vgl. BAG 29.09.2020 – 9 AZR 364/19, Rn. 63, BAGE 172, 313; 15.12.2016 – 8 AZR 454/15, Rn. 38 mwN, BAGE 157, 296[↩]
- BAG 7.12.2021 – 1 AZR 562/20, Rn. 45 mwN[↩]
- BAG 7.12.2021 – 1 AZR 562/20, Rn. 47 mwN[↩]
- zu diesen Erfordernissen bei einer mittelbaren Benachteiligung ausführlich BAG 15.12.2016 – 8 AZR 454/15, Rn. 39 mwN, BAGE 157, 296[↩]
- vgl. dazu BAG 11.11.2008 – 1 AZR 475/07, Rn. 23 mwN, BAGE 128, 275[↩]
- BAG 7.12.2021 – 1 AZR 562/20, Rn. 52 mwN[↩]
- vgl. BAG 7.12.2021 – 1 AZR 562/20, Rn. 52[↩]
- vgl. BAG 7.12.2021 – 1 AZR 562/20, Rn. 53 mwN[↩]
- vgl. BAG 7.12.2021 – 1 AZR 562/20, Rn. 52 mwN[↩]
- vgl. EuGH 19.09.2018 – C-312/17 – [Bedi] Rn. 61; 6.12.2012 – C-152/11 – [Odar] Rn. 42 f., 45[↩]
- vgl. EuGH 5.03.2009 – C-388/07 – [Age Concern England] Rn. 47, 49 f., 52; BAG 7.12.2021 – 1 AZR 562/20, Rn. 55; 12.04.2011 – 1 AZR 764/09, Rn. 13[↩]
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