Bei der Entscheidung über die Bewerbung auch von schwerbehinderten Menschen ist die Schwerbehindertenvertretung selbst dann zu beteiligen, wenn die Vertrauensperson der Schwerbehinderten ebenfalls zu den Bewerbern gehört.

In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall streiten die Parteien um eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), weil sich der Kläger als schwerbehinderter Mensch bei der Entscheidung über seine Bewerbung diskriminiert sieht. Bei der Beklagten, einer Spielbank, waren zwei Beförderungsstellen als „Tischchef“ ausgeschrieben. Darauf bewarben sich auch der bei der Beklagten gewählte Schwerbehindertenvertreter und der Kläger, der stellvertretendes Mitglied der Schwerbehindertenvertretung ist. Die Beklagte teilte dem Schwerbehindertenvertreter mit, dass sie wegen der aus ihrer Sicht bestehenden Interessenkollision weder ihn noch den Kläger als seinen Stellvertreter an der Auswahlentscheidung beteiligen werde. Sie entschied sich schließlich für zwei andere Kandidaten. Bei der Auswahlentscheidung sieht sich der Kläger als schwerbehinderter Mensch diskriminiert, worauf die unterlassene Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung hinweise.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg [1] haben die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hat nun vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg:
Bei der Entscheidung über die Bewerbung des Klägers hätte die Schwerbehindertenvertretung nach § 81 SGB IX beteiligt werden müssen. Dem stand nicht entgegen, dass sich die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen selbst und der Stellvertreter auf eine der zu besetzenden Stellen beworben hatten. Einen möglichen Interessenkonflikt zwischen Bewerbern hätte der Kläger verhindern können, indem er nach § 81 Abs. 1 Satz 10 SGB IX die Beteiligung des Schwerbehindertenvertreters als seines direkten Konkurrenten um die zu besetzende Stelle ausdrücklich hätte ablehnen können. Dagegen oblag es nicht dem Arbeitgeber, von der gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung Abstand zu nehmen.
Ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG voraus. Für die Anspruchsvoraussetzungen ist dabei – bis auf das Verschulden – auf § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG zurückzugreifen [2].
Der Kläger ist schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50. Damit unterfällt er dem Behindertenbegriff des § 1 AGG [3].
Der Kläger wurde unmittelbar iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG benachteiligt, weil er eine weniger günstige Behandlung erfuhr, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation.
Der Kläger erfuhr eine weniger günstige Behandlung als die erfolgreichen Bewerber, weil er nicht berücksichtigt wurde. Dabei kann die Benachteiligung schon in der Versagung einer Chance liegen [4].
Der Kläger und die erfolgreichen Bewerber befanden sich in einer vergleichbaren Situation (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AGG), da sich alle als langjährig Beschäftigte innerhalb der von der Beklagten vorgegebenen Bewerbungsfrist um die ausgeschriebene Stelle beworben hatten. Auch die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass der Kläger für eine der beiden ausgeschriebenen Stellen objektiv geeignet war, zumal er die Funktion des Tischchefs schon ausgeübt hatte.
Ob der Kläger „wegen“ seiner Behinderung benachteiligt wurde, steht nicht fest.
Der Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Behandlung und dem Merkmal der Behinderung ist dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Behinderung anknüpft oder durch diese motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund das ausschließliche Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das verpönte Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat [5]. Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an [6].
Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber vorgetragenen und unstreitigen oder bewiesenen (Hilfs-)Tatsachen eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, ist nur beschränkt revisibel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung bzw. Nichtüberzeugung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen dem verpönten Merkmal – hier die Schwerbehinderung – und einem Nachteil kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt [7].
Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, im Ergebnis habe der Kläger keine Tatsachen oder Indizien vorgebracht, die eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung vermuten lassen, ist nicht frei von Rechtsfehlern.
Unterlässt es der Arbeitgeber entgegen § 81 Abs. 1, § 95 Abs. 2 SGB IX die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen, so ist dies nach ständiger Rechtsprechung ein Indiz iSd. § 22 AGG, das mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Benachteiligung spricht [8]. Gerade für Bewerbungsverfahren enthalten die Vorschriften des SGB IX einen umfassenden Pflichtenkatalog, dem entsprechende Rechte der Schwerbehindertenvertretung und einzelner schwerbehinderter Bewerber entnommen werden können. Nach § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX muss der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend unterrichten. Sie muss auch bei der Entscheidung über einen beruflichen Aufstieg angehört werden, der Schwerbehindertenvertretung ist die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Damit ist § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX eine Konkretisierung des in § 99 Abs. 1 SGB IX verankerten Grundsatzes der engen Zusammenarbeit von Arbeitgeber, Schwerbehindertenvertretung und Betriebs- oder Personalrat, der die Teilhabechancen schwerbehinderter Menschen sicherstellen soll. Die für die Eingliederung schwerbehinderter Menschen zuständige Schwerbehindertenvertretung (§ 95 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) soll an der Willensbildung des Arbeitgebers mitwirken. Die Unterrichtungs- und Anhörungsrechte sollen es der Schwerbehindertenvertretung ermöglichen, auf eine sachdienliche Behandlung hinzuwirken, wenn die spezifischen Belange eines schwerbehinderten Menschen oder der schwerbehinderten Beschäftigten als Gruppe für die Entscheidung des Arbeitgebers erheblich sind [9]. Dadurch sollen behinderungsbedingte Nachteile ausgeglichen und gleiche Teilhabechancen eröffnet werden.
Die Unterrichtungs- und Anhörungspflicht aus § 95 Abs. 2 SGB IX besteht auch und gerade, wenn sich ein schwerbehinderter oder gleichgestellter behinderter Mensch um eine Beförderungsstelle bewirbt [10]. Dieser Bewerber soll zudem nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zum Schutz vor Benachteiligung durch die Schwerbehindertenvertretung unterstützt werden können. Jene Hilfestellung ist vom Gesetzgeber eingehend ausgestaltet worden durch Unterrichtungs‑, Anhörungs- und Beteiligungserfordernisse [11]. Nach § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX hat die Schwerbehindertenvertretung spezifisch das Recht auf Beteiligung am Verfahren nach § 81 Abs. 1 SGB IX, bei Bewerbungen schwerbehinderter Menschen, insbesondere das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen und Teilnahme an Vorstellungsgesprächen. Jenes Recht erstreckt sich auch auf die Bewerbungsunterlagen und Vorstellungsgespräche der nicht behinderten Bewerber, da nur so eine Vergleichsmöglichkeit für die Schwerbehindertenvertretung besteht.
Indem die Beklagte die Schwerbehindertenvertretung bei dem Auswahlverfahren vorliegend nicht beteiligt hat, ist sie diesen gesetzlichen Förderpflichten nicht nachgekommen und hat grundsätzlich die schwerbehinderten Bewerber schlechter gestellt, weil sie dem gesetzlichen Auftrag zur Herstellung von Chancengerechtigkeit nicht entsprochen hat. Die Tatsache, dass sich sowohl der Schwerbehindertenvertreter als auch sein Stellvertreter, der Kläger, auf die Beförderungsstellen beworben hatten, ließ die Pflicht der Beklagten, die Schwerbehindertenvertretung umfassend an dem Beförderungsverfahren zu beteiligen, entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht entfallen.
Gesetzlich ist im Recht der Schwerbehindertenvertretung eine mögliche Interessenkollision durch das SGB IX nicht geregelt. Nach § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX ist das passive Wahlrecht zur Schwerbehindertenvertretung für diejenigen Beschäftigten ausgeschlossen, die nicht der betrieblichen Interessenvertretung kraft Gesetzes angehören können, etwa leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 BetrVG. Ein „Doppelmandat“ als betrieblicher Interessenvertreter und als Schwerbehindertenvertreter ist von Gesetzes wegen jedoch nicht ausgeschlossen. Dem SGB IX sind keine Regelungen für die persönliche Betroffenheit im Einzelfall zu entnehmen, wie auch Vorschriften fehlen, die dem Schwerbehindertenvertreter eine bestimmte Amtsführung vorschreiben – er soll sich durchaus und gerade als Interessenvertreter schwerbehinderter Menschen im Betrieb verstehen -, § 95 Abs. 1 SGB IX. Das Gesetz regelt im Übrigen auch nicht, wann eine Vertrauensperson ihre Pflichten „grob verletzt“ hat (§ 94 Abs. 7 Satz 5 SGB IX).
Vorschriften des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrens (§§ 16, 17 SGB X) oder des allgemeinen Verwaltungsverfahrens (§§ 20, 21 VwVfG) können nicht analog herangezogen werden, da es dafür bereits an einer „planwidrigen“ Gesetzeslücke fehlt. Dem Gesetzgeber war das Problem, dass sich ein Schwerbehindertenvertreter selbst auf eine Stelle bewirbt und hierzu kraft seines Amtes eine Stellungnahme abzugeben hat, seit jeher bekannt. Gleichwohl ist die Frage trotz ständiger und zahlreicher Novellierungen der Sozialgesetzbücher nicht geregelt worden. Dies lässt nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber den Fall der Interessenkollision offenbar nicht für regelungsbedürftig gehalten hat. Damit liegt eine positiv festzustellende Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes nicht vor, eine Analogie scheidet somit aus [12].
Die zur Frage von Interessenkollisionen bei der Arbeit von betrieblichen Interessenvertretungen erarbeiteten Grundsätze lassen sich nicht auf die Schwerbehindertenvertretung übertragen.
§ 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG sieht vor, dass ein „zeitweilig verhindertes“ Mitglied des Betriebsrats durch seinen Stellvertreter vertreten wird. Der Wortlaut lässt die Möglichkeit zu, dass als Vertretungsfall auch die Befangenheit erfasst wird. Es entspricht ständiger Rechtsprechung und allgemeiner Auffassung, dass ein Betriebsratsmitglied grundsätzlich von seiner Organtätigkeit ausgeschlossen ist bei Maßnahmen und Regelungen, die es „individuell und unmittelbar“ betreffen. Dies ist zwar im Betriebsverfassungsgesetz nicht ausdrücklich geregelt. Der Ausschluss folgt aber aus dem allgemeinen Grundsatz, der sich auch in vielfältigen gesetzlichen Regelungen niederschlägt, dass zur Vermeidung von Interessenkollisionen niemand „Richter in eigener Sache“ sein darf. Der Betriebsrat hat schließlich als Organ die Interessen der von ihm repräsentierten Belegschaft zu artikulieren und wahrzunehmen. Diese Funktion ist aber nicht mehr gesichert, wenn bei der Beschlussfassung die eigenen Interessen von Betriebsratsmitgliedern so stark sind, dass sie gegenüber den Interessen der Belegschaft in den Vordergrund treten. Liegt eine derartige Interessenkollision – etwa im Falle der Umgruppierung, Versetzung oder Kündigung – vor, ist das Betriebsratsmitglied im Sinne des § 25 BetrVG zeitweilig verhindert [13]. So ist zum Beispiel ein zu kündigendes Betriebsratsmitglied wegen Befangenheit von der Beratung und Beschlussfassung über die Zustimmung des Betriebsrats ausgeschlossen, es gilt als zeitweilig verhindert iSd. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG und wird sodann durch ein Ersatzmitglied vertreten [14].
Die Verhinderung bezieht sich nicht nur auf die Beschlussfassung als solche, sondern auch auf die vorangehende Beratung. Andernfalls käme es zu dem sinnwidrigen Ergebnis, dass das Ersatzmitglied an der Beschlussfassung zu beteiligen wäre, ohne zuvor an der Beratung über deren Gegenstand teilgenommen zu haben [15]. Soll der Ausschluss des Betriebsratsmitglieds verhindern, dass persönliche Interessen die Willensbildung des Organs Betriebsrat beeinflussen, kann dieses Ziel nur erreicht werden, wenn sich der Ausschluss auch auf die Beratung erstreckt. In ihr wird die Willensbildung des Betriebsrats nämlich maßgeblich vorbereitet.
Anders als ein Betriebsrat ist jedoch eine Schwerbehindertenvertretung kein Organ, sondern eine „Ein-Personen-Institution“ (§ 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Der oder die Stellvertreter treten im Fall der Verhinderung der Vertrauensperson der Schwerbehinderten an deren Stelle, es bleibt bei einer Ein-Personen-Institution. Bereits dies spricht gegen eine Übertragung von Befangenheitsregeln, die für die Mitglieder mehrköpfiger Gremien gelten.
Darüber hinaus fehlt es dem Schwerbehindertenrecht an einer hinreichend offenen Vertretungsregelung. Die Vertretung der Vertrauensperson durch das stellvertretende Mitglied wegen Betroffenheit in eigener Sache sieht das Gesetz gerade nicht vor. Anders als § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG für die Vertretung eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds durch ein Ersatzmitglied spricht § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX auch nicht allgemein von „zeitweiliger Verhinderung“, was auch die Verhinderung aus Rechtsgründen, etwa wegen Befangenheit, einschließen kann, sondern nur von der Verhinderung der Vertrauensperson „durch Abwesenheit oder Wahrnehmung anderer Aufgaben“. Der Fall der Betroffenheit in eigener Sache ist im Gesetz nicht vorgesehen [16]. „Abwesenheit“ ist dabei eng zu verstehen, etwa infolge Urlaubs, Krankheit, Kur, Dienstreise oder Fortbildungsmaßnahmen. Eine „rechtliche Verhinderung“ ist kein Fall der Abwesenheit.
Vor allem aber sprechen Erwägungen der Gesetzessystematik gegen eine „Befangenheit“ der Schwerbehindertenvertretung im Rechtssinn. Nach § 95 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat die Schwerbehindertenvertretung die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb zu fördern und jenen Menschen beratend und helfend zur Seite zu stehen. „Entscheidungen“ trifft die Schwerbehindertenvertretung dagegen nicht. Nach § 95 Abs. 2 SGB IX kommen der Schwerbehindertenvertretung Unterrichtungs‑, Anhörungs- und Einsichtsrechte zu sowie – § 95 Abs. 4 SGB IX, § 32 BetrVG – das Recht, beratend an den Sitzungen des Betriebs- oder Personalrats und derer Ausschüsse teilzunehmen. Die Schwerbehindertenvertretung kann ferner beantragen, einen Beschluss des Betriebs- oder Personalrats zeitweilig auszusetzen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann also die Schwerbehindertenvertretung schon deswegen nicht „Richter in eigener Sache“ sein, weil ihr weder eine eigene Entscheidungsbefugnis zukommt noch – anders als bei betrieblicher Interessenvertretung – Mitbestimmungsrechte oder Zustimmungserfordernisse von Gesetzes wegen vorgesehen sind. Nach der geltenden Gesetzeslage besteht daher kein Bedürfnis, Regeln für den Fall einer Selbstbetroffenheit zu schaffen.
Die Schwerbehindertenvertretung kann auf ihre Beteiligung nicht verzichten. Daher kommt es nicht darauf an, ob vorliegend im Vorfeld die Nichtbeteiligung mit dem Schwerbehindertenvertreter H seitens der Beklagten abgesprochen war, wie diese vorgetragen hat. Die Vertrauensperson der Schwerbehinderten hat die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung wahrzunehmen, wie durch das Gesetz vorgeschrieben. Diese Aufgaben stehen nicht zur Disposition der Vertrauensperson der Schwerbehinderten, weil sie nicht Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und damit der individuellen Selbstbestimmung des Vertrauensmannes oder der Vertrauensfrau sind. Mit dem nicht disponiblen Recht der Schwerbehindertenvertretung korrespondieren entsprechende Pflichten des Arbeitgebers. Auch diese stehen nicht zu dessen Disposition. Es oblag daher nicht der Beklagten als Arbeitgeberin, die Vertrauensperson der Schwerbehinderten wegen einer von ihr angenommenen „Interessenkollision“ und damit angeblich einhergehenden „Befangenheit“ abzulehnen und die Schwerbehindertenvertretung nicht zu beteiligen. Ein derartiges Ablehnungsrecht steht dem Arbeitgeber nicht zu.
Auf eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung zu verzichten, ist allein einem schwerbehinderten Bewerber möglich. Nach § 81 Abs. 1 Satz 10 SGB IX ist die Schwerbehindertenvertretung bei Bewerbungen schwerbehinderter Menschen nur dann nicht zu beteiligen, wenn der schwerbehinderte Mensch die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausdrücklich ablehnt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Schwerbehindertenvertretung selbst keine Verzichtsmöglichkeit hat.
Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeutet dies, dass der Schwerbehindertenvertreter H zwar auf eine Stellungnahme zu seiner eigenen Bewerbung verzichten konnte, nicht jedoch auf eine Beteiligung an dem Verfahren des Klägers oder weiterer schwerbehinderter – externer wie interner – Bewerber. So hätte er selbst an dem Bewerbungsgespräch des Klägers teilnehmen können, dem es im Übrigen freigestanden hätte, eine Beteiligung seines Konkurrenten ausdrücklich abzulehnen (§ 81 Abs. 1 Satz 10 SGB IX). Selbst eine Ablehnung durch den Kläger hätte nichts an dem allgemeinen Beteiligungsrecht der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 95 Abs. 2 SGB IX geändert, da insoweit kein Ablehnungsgrund geregelt ist. Die Anhörungs- und Unterrichtungsrechte der Schwerbehindertenvertretung werden durch die Ablehnung eines einzelnen schwerbehinderten Bewerbers gerade nicht ausgeschlossen. Jener Bewerber kann lediglich die Erörterung seiner Bewerbung, die Einsichtnahme in seine Bewerbungsunterlagen und die Teilnahme an seinem eigenen Bewerbergespräch verhindern.
Das Landesarbeitsgericht hat somit verkannt, dass vorliegend die Pflicht der Beklagten, die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen, nicht aus Rechtsgründen entfallen war. Die Beklagte hat diese Pflicht verletzt.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen. Dieses wird zu klären haben, ob die Verletzung der Pflichten zur Förderung schwerbehinderter Menschen nach dem SGB IX vorliegend eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung indiziert und ob ggf. die Beklagte ihre Vorgehensweise so zu rechtfertigen vermag, dass ein Entschädigungsanspruch des Klägers nach AGG ausscheidet.
Das Landesarbeitsgericht wird nunmehr zu entscheiden haben, ob vorliegend diese Pflichtverletzung die Kausalität zwischen dem Merkmal der Behinderung und der Benachteiligung des Klägers überwiegend wahrscheinlich macht. Soweit dies der nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu gewinnenden Überzeugung des Berufungsgerichts entspricht, wird das Landesarbeitsgericht weiter zu entscheiden haben, ob die Beklagte ihre Vorgehensweise so zu rechtfertigen vermag, dass ein Entschädigungsanspruch des Klägers nach dem AGG ausscheidet. Dabei lassen die bisherigen Überlegungen des Landesarbeitsgerichts, dass kein allgemeiner Beförderungsanspruch schwerbehinderter Menschen besteht [17] und dass die Vermutung des Klägers, er sei wegen früherer Rechtsverfolgung benachteiligt worden, nicht zu einem Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG führt, Rechtsfehler nicht erkennen.
- LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.11.2011 – 24 Sa 1606/11[↩]
- BAG 16.02.2012 – 8 AZR 697/10, Rn. 30, AP AGG § 22 Nr. 4 = EzA AGG § 15 Nr. 17; BVerwG 3.03.2011 – 5 C 16.10 – BVerwGE 139, 135[↩]
- BAG 21.02.2013 – 8 AZR 180/12, Rn. 24[↩]
- BAG 23.08.2012 – 8 AZR 285/11, Rn. 22, AP AGG § 3 Nr. 9 = EzA AGG § 7 Nr. 2; 13.10.2011 – 8 AZR 608/10, Rn. 24, AP AGG § 15 Nr. 9 = EzA AGG § 15 Nr. 16[↩]
- st. Rspr., vgl. BAG 21.06.2012 – 8 AZR 364/11, Rn. 32, AP AGG § 22 Nr. 5 = EzA AGG § 22 Nr. 6; 16.02.2012 – 8 AZR 697/10, Rn. 42, AP AGG § 22 Nr. 4 = EzA AGG § 15 Nr. 17[↩]
- BAG 21.02.2013 – 8 AZR 180/12, Rn. 35[↩]
- BAG 21.06.2012 – 8 AZR 364/11, Rn. 34, AP AGG § 22 Nr. 5 = EzA AGG § 22 Nr. 6; 13.10.2011 – 8 AZR 608/10, Rn. 36, AP AGG § 15 Nr. 9 = EzA AGG § 15 Nr. 16[↩]
- vgl. BAG 10.05.2005 – 9 AZR 230/04, BAGE 114, 299[↩]
- BAG 17.08.2010 – 9 ABR 83/09, Rn. 17, BAGE 135, 207[↩]
- vgl. BAG 17.08.2010 – 9 ABR 83/09, Rn. 13, BAGE 135, 207 = AP SGB IX § 95 Nr. 3 = EzA SGB IX § 95 Nr. 3: Bewerbung um Leitungsposition bzw. Stelle mit Personalführungsfunktion[↩]
- vgl. BAG 17.08.2010 – 9 ABR 83/09, Rn.20, aaO; 10.05.2005 – 9 AZR 230/04, BAGE 114, 299 = AP SGB IX § 81 Nr. 8 = EzA SGB IX § 81 Nr. 7[↩]
- vgl. BAG 29.09.2004 – 1 ABR 39/03, zu B III 2 b der Gründe, BAGE 112, 100; BGH 13.04.2006 – IX ZR 22/05, zu II 3 b bb der Gründe, BGHZ 167, 178[↩]
- vgl. nur BAG 3.08.1999 – 1 ABR 30/98, zu B II 1 a und b der Gründe, BAGE 92, 162 = AP BetrVG 1972 § 25 Nr. 7 = EzA BetrVG 1972 § 33 Nr. 1; 26.08.1981 – 7 AZR 550/79, BAGE 36, 72 = AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 13; 23.08.1984 – 2 AZR 391/83, BAGE 46, 258 = AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 17; Fitting 26. Aufl. § 25 Rn. 18[↩]
- ErfK/Kania 13. Aufl. § 103 BetrVG Rn. 7[↩]
- vgl. BAG 23.08.1984 – 2 AZR 391/83, BAGE 46, 258[↩]
- BAG 19.07.2012 – 2 AZR 989/11, Rn. 32, EzA KSchG § 15 nF Nr. 72[↩]
- vgl. BAG 19.09.1979 – 4 AZR 887/77, BAGE 32, 105[↩]
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