Mit der Eingruppierung einer Lehrerin, die an einer niedersächsischen Universität als „Lehrkraft für besondere Aufgaben“ tätig ist, hatte sich aktuell das Bundesarbeitsgericht zu befassen:

Anlass hierfür war der Fall einer Lehrerin, die an der Universität O im Fachbereich Kultur- und Geowissenschaften studiert und im Jahr 1993 erfolgreich die Magisterprüfung abgelegt hatte. Als Hauptfächer belegte sie „Kunst/Kunstpädagogik“ und „Textiles Gestalten“. Seit dem 1.04.1993 ist sie bei dem beklagten Land beschäftigt. Sie ist seitdem an der Universität O als Lehrkraft für besondere Aufgaben im Fachbereich Kultur- und Sozialwissenschaften tätig und unterrichtet im Fach „Textiles Gestalten“. Dieses Fach wird für Studierende des Lehramts an Grund, Haupt- und Realschulen angeboten. Die Lehrkraft führt hierbei Seminare und Übungen durch. Dies beinhaltet die Abnahme der diesbezüglichen Prüfungen sowie fachorganisatorische Aufgaben.
Auf das Arbeitsverhältnis finden die Regelungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Die Vergütung der im Landesdienst stehenden Lehrkräfte für besondere Aufgaben an Universitäten ist jedoch tariflich nicht geregelt1. Bezüglich der Beschäftigung von Lektorinnen, Lektoren und Lehrkräften für besondere Aufgaben im Land Niedersachsen hat das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur deshalb durch einen Runderlass Vorgaben zur Eingruppierung im Entgeltgruppensystem des TV-L gemacht. Der Runderlass vom 09.03.20112 sieht in Ziff. 3.1.3 Buchst. a vor, dass Lehrkräfte für besondere Aufgaben an Universitäten mit abgeschlossenem Bachelor-Studium nach einer nach dem Abschluss liegenden, der Vorbildung fachlich und qualitativ entsprechenden fünfjährigen Tätigkeit in die Entgeltgruppe 11 TV-L eingruppiert sind. Nach Ziff. 3.1.4 des Runderlasses sind Lehrkräfte für besondere Aufgaben an Universitäten in die Entgeltgruppe 13 TV-L eingruppiert, wenn sie eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung im Sinne der Protokollerklärung Nr. 1 der Entgeltordnung des TV-L aufweisen und eine „dem Studium entsprechende Lehrtätigkeit“ verrichten. Nach Ziff. 3.2 des Runderlasses ist eine dem Studium entsprechende Lehrtätigkeit eine Lehrtätigkeit in einem Fachbereich, deren fachlicher Inhalt dem abgeschlossenen Studium entspricht. Diese Regelungen galten bis zum 31.10.2016. Eine Neufassung des Runderlasses, welche vom 01.11.2016 bis zum 31.12.2018 Anwendung fand, beinhaltete insoweit keine Änderungen. Die seit dem 1.01.2019 geltende Fassung3 nahm nur eine redaktionelle Änderung des Verweises auf die Entgeltordnung des TV-L vor.
Die Vergütung der hier klagenden Lehrkraft richtet sich unstreitig nach den Vorgaben des Runderlasses in der jeweiligen Fassung. Das beklagte Land Niedersachsen vergütet die Lehrkraft nach Entgeltgruppe 11 TV-L. Die Lehrerin hat erfolglos eine Vergütung nach Entgeltgruppe 13 TV-L verlangt. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Lehrkraft zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Lehrkraft ihr Klageziel weiter und erhielt nun vor dem Bundesarbeitsgericht zumindest teilweise Recht: Mit der gegebenen Begründung hätte das Landesarbeitsgericht die Berufung der Lehrkraft gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts nicht zurückweisen dürfen, befand das Bundesarbeitsgericht. Vor einer abschließenden Entscheidung sei den Parteien jedoch noch Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben.
Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass sich die Vergütung der Lehrkraft nach dem Runderlass in der jeweils geltenden Fassung richtet. Das Bundesarbeitsgericht kann daher davon ausgehen, dass die Parteien die Geltung des Runderlasses durch eine vertragliche Inbezugnahme vereinbart haben4.
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts spricht viel dafür, dass die Lehrkraft gemäß Ziff. 3.1.4 des Runderlasses jedenfalls seit dem 1.01.2015 die Voraussetzungen für eine Vergütung nach Entgeltgruppe 13 TV-L erfüllt.
Bei dem Runderlass handelt es sich nach § 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB um Allgemeine Geschäftsbedingungen, welche von dem beklagten Land offensichtlich für eine Vielzahl von Verträgen mit Lehrkräften für besondere Aufgaben gleichlautend verwendet und den Beschäftigten bei Vertragsschluss gestellt werden. Die Auslegung eines solchen Runderlasses ist wie die anderer Allgemeiner Geschäftsbedingungen und nicht nach Regeln des Verwaltungsrechts vorzunehmen5. Die durch das Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung6.
Ziff. 3.1.4 des Runderlasses verlangt für eine Vergütung der Lehrkräfte für besondere Aufgaben nach Entgeltgruppe 13 TV-L zunächst eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung im Sinne der Protokollerklärung Nr. 1 der Entgeltordnung des TV-L. Das beklagte Land hat nicht bestritten, dass die Lehrkraft eine solche Hochschulbildung vorweisen kann.
Ob die Lehrkraft auch die weitere Voraussetzung einer „dem Studium entsprechenden Lehrtätigkeit“ erfüllt, kann ohne Gelegenheit zur weiteren Stellungnahme für die Parteien nicht abschließend entschieden werden.
Eine dem Studium entsprechende Lehrtätigkeit ist nach der Definition in Ziff. 3.2 des Runderlasses eine Lehrtätigkeit in einem Fachbereich, deren fachlicher Inhalt dem abgeschlossenen Studium entspricht. Eine wissenschaftliche Lehrtätigkeit wird damit nicht ausdrücklich verlangt. Allenfalls ließe sich ein solches Erfordernis der Verknüpfung mit einer abgeschlossenen „wissenschaftlichen“ Hochschulbildung entnehmen. Eine solche Voraussetzung stünde jedoch im nicht aufgelösten Widerspruch zur gesetzlich bestimmten Aufgabenstellung der betroffenen Lehrkräfte, auf die sich der Erlass bezieht. In Ziff. 1 Satz 1 des Runderlasses wird angeführt, dass sich die Aufgaben der Lehrkräfte für besondere Aufgaben nach § 32 Abs. 1 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG) bestimmen. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 NHG üben Lehrkräfte für besondere Aufgaben an Universitäten ihre Lehrtätigkeit weisungsgebunden als nichtselbstständige Lehre aus7. Die Ausübung einer solchen nichtselbstständigen Lehre erfüllt das Kriterium der Wissenschaftlichkeit nicht, denn Wissenschaftlichkeit der Lehre setzt voraus, dass dem Lehrenden die Möglichkeit zur eigenständigen Forschung und Reflexion verbleibt. Bei Vermittlung von Erkenntnissen Dritter muss von dem Lehrenden nach dem Vertragsinhalt erwartet werden, dass er diese Erkenntnisse kritisch hinterfragt, sich damit auseinandersetzt und dass er die eigenen Reflexionen in seine Lehrtätigkeit einbringt (vgl. zu § 1 Abs. 1 WissZeitVG BAG 25.04.2018 – 7 AZR 82/16, Rn. 17 mwN). § 32 Abs. 1 Satz 1 NHG sieht dies nicht vor. Das spricht dafür, Ziff. 3.1.4 iVm. Ziff. 3.2 des Runderlasses so zu verstehen, dass damit nur ein inhaltlicher Bezug zum abgeschlossenen Studium verlangt wird. Damit würde den Lehrkräften für besondere Aufgaben an Universitäten mit Blick auf ihre gesetzliche Aufgabenstellung eine Vergütung nach Entgeltgruppe 13 TV-L auch ohne wissenschaftliche Lehrtätigkeit ermöglicht. Die Auffassung des beklagten Landes würde demgegenüber dazu führen, dass Ziff. 3.1.4 des Runderlasses wegen des in Bezug genommenen § 32 Abs. 1 Satz 1 NHG praktisch nicht zur Anwendung käme.
Das Landesarbeitsgericht hat das og., von § 32 Abs. 1 Satz 1 NHG nahegelegte Verständnis von Ziff. 3.1.4 iVm. Ziff. 3.2 des Runderlasses nicht erwogen. Bei einem solchen Verständnis trüge seine Ansicht, es könne dahingestellt bleiben, ob der Runderlass für eine dem Studium entsprechende Lehrtätigkeit einen wissenschaftlichen Bezug verlange, nicht mehr.
Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten der Lehrkraft unterstellt, dass für eine dem Studium entsprechende Lehrtätigkeit kein wissenschaftlicher Bezug verlangt werde. Die bloße Erklärung, der fachliche Inhalt der Lehrtätigkeit entspreche dem abgeschlossenen Studium, genüge allerdings nicht. Damit werde im Ergebnis nur der Wortlaut des Runderlasses wiederholt. Der fachliche Inhalt der ausgeübten Lehrtätigkeit sei hier nicht dargestellt worden. Auf die Behauptung des beklagten Landes, die durchgeführte Lehrtätigkeit im textilpraktischen Bereich könne mit einem Bachelor-Abschluss erteilt werden, hätte die Lehrkraft darlegen müssen, dass sie für die Ausübung ihrer Lehrtätigkeit Kenntnisse und Fertigkeiten benötige, die über den Bachelor-Abschluss hinausgehen. So hätte sie die Inhalte ihres Studiums darstellen können und diese mit den im Einzelnen vorzutragenden Lehrinhalten abgleichen können. Es wäre auch möglich gewesen, Master- und Bachelor-Abschluss gegenüberzustellen und die höheren Anforderungen an die Ausbildung mit Masterprüfung zu beschreiben oder die Inhalte ihrer derzeitigen Lehrtätigkeit genauer darzulegen. Die bloße Benennung der Lehrveranstaltungen reiche nicht aus.
Diese Argumentation trägt nicht, wenn Ziff. 3.1.4 iVm. Ziff. 3.2 des Runderlasses lediglich einen inhaltlichen Bezug zum wissenschaftlichen Hochschulstudium der Lehrkraft verlangte.
Der Kläger einer Eingruppierungsfeststellungsklage hat als Anspruchsteller diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen, die den rechtlichen Schluss zulassen, dass er die im Einzelfall für sich beanspruchten Tätigkeitsmerkmale einer Eingruppierungsregelung unter Einschluss der darin vorgesehenen Qualifizierungen erfüllt8. Hiervon geht das Landesarbeitsgericht im Ansatz zutreffend aus. Ebenfalls zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die bloße Behauptung, die Voraussetzungen entsprechend dem Wortlaut der Eingruppierungsregelung zu erfüllen, nicht ausreicht.
Die Anforderungen an die Darlegungslast der Lehrkraft würden bei einem von § 32 Abs. 1 Satz 1 NHG vorgegebenen Verständnis des Runderlasses überspannt, wenn ein Vergleich der fachlichen Anforderungen ihrer Lehrtätigkeit mit der Qualifikation eines Bachelor-Abschlusses verlangt würde. Die Eingruppierungsregelungen in Ziff. 3.1.3 und Ziff. 3.1.4 des Runderlasses machten dann einen solchen Vergleich nicht erforderlich. Sie gingen vielmehr von einem unterschiedlichen Qualifikationsniveau aus (abgeschlossenes Bachelor-Studium bzw. abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung) und verlangten hieran anknüpfend eine bestimmte Tätigkeit („der Vorbildung fachlich und qualitativ entsprechenden fünfjährigen Tätigkeit“ bzw. „dem Studium entsprechende Lehrtätigkeit“). Für die Beantwortung der Frage, ob die Lehrkraft eine ihrem Studium entsprechende Lehrtätigkeit erbringt, wäre nach der Definition in Ziff. 3.2 des Runderlasses dann nur der Bezug zu ihrem eigenen Studium entscheidend, nicht zu einem Bachelor-Studium. Ziff. 3.2 des Runderlasses bezieht sich nur auf das „abgeschlossene Studium“. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts würde im Ergebnis dazu führen, dass die Lehrtätigkeit auch dann wissenschaftliches Niveau aufweisen müsste, wenn der Erlass das an sich nicht verlangte. Anderenfalls wäre die angenommene Erforderlichkeit der „über den Bachelor-Abschluss hinausgehenden Kenntnisse und Fertigkeiten“ für die Lehrtätigkeit nicht erklärbar.
Einen inhaltlichen Bezug zu ihrem Studium hat die Lehrkraft hinreichend aufgezeigt. Das beklagte Land ist dem nicht entgegengetreten, sondern hat letztlich nur die Wissenschaftlichkeit der Lehrtätigkeit in Abrede gestellt. Die Lehrkraft hat an der Universität O im Fachbereich Kultur- und Geowissenschaften studiert. Ihre Hauptfächer waren „Kunst/Kunstpädagogik“ und „Textiles Gestalten“. Seit Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums lehrt sie an derselben Universität im Fachbereich Kultur- und Sozialwissenschaften. Ihrem unbestrittenen Vortrag nach handelt es sich hierbei um den Fachbereich, der in Nachfolge zu dem Fachbereich Kultur- und Geowissenschaften steht. In diesem Fachbereich unterrichtet sie das Fach „Textiles Gestalten“, welches ihrem eigenen Hauptfach entspricht. Schon deshalb ist evident, dass sie eine Lehrtätigkeit verrichtet, deren fachlicher Inhalt ihrem abgeschlossenen Studium entspricht. Wenn es auf die Wissenschaftlichkeit ihrer Lehrveranstaltungen nicht ankommt, ist ohne Belang, ob das Fach „Textiles Gestalten“ in den Lehrveranstaltungen der Lehrkraft auf wissenschaftlichem Niveau unterrichtet wird und ob dieses Fach Teil eines wissenschaftlichen oder nichtwissenschaftlichen Studiengangs ist. Maßgeblich ist allein die gegebene fachliche Verbindung zwischen der wissenschaftlichen Hochschulbildung der Lehrkraft und ihrer Lehrtätigkeit.
Demnach wäre es nicht entscheidungserheblich, welche Qualifikationen die Lehrkräfte hatten, welche die Lehrveranstaltungen der Lehrkraft vormals betreuten.
Das Bundesarbeitsgericht ist an einer abschließenden Entscheidung gehindert. Die nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts für das Verständnis des Runderlasses maßgebliche Verknüpfung der Vergütungsregelungen mit § 32 Abs. 1 Satz 1 NHG wurde im Verfahren bisher nicht erkennbar thematisiert. Den Parteien ist daher zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens zunächst Gelegenheit zur diesbezüglichen Stellungnahme zu geben. Dabei ist nicht auszuschließen, dass neuer Sachvortrag zu erbringen ist. Dies ist nach § 559 ZPO nur im Rahmen eines fortgesetzten Berufungsverfahrens möglich9. Bei seiner Würdigung etwaigen neuen Vortrags des beklagten Landes wird das Landesarbeitsgericht zu beachten haben, dass der Inhalt des Runderlasses als Allgemeine Geschäftsbedingung nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu ermitteln ist. Ansatzpunkt für seine nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist deshalb in erster Linie sein Wortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Erlass aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist10.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. Dezember 2020 – 6 AZR 639/19
- vgl. Vorbemerkung Nr. 5 der Anlage 1a zum Bundes-Angestelltentarifvertrag [BAT] sowie § 44 TV-L iVm. § 1 des Tarifvertrags über die Eingruppierung und die Entgeltordnung für die Lehrkräfte der Länder [TV EntgO-L][↩]
- Nds. MWK, Runderlass vom 09.03.2011 – Z 2.1-03 220/50 (1) [↩]
- Z 2.1-03 220/50 (14) [↩]
- vgl. hierzu BAG 16.05.2019 – 6 AZR 420/18, Rn.19 ff.; 26.01.2017 – 6 AZR 671/15, Rn. 17 ff., BAGE 158, 81; 17.11.2016 – 6 AZR 487/15, Rn.20 ff.[↩]
- vgl. BAG 17.11.2016 – 6 AZR 487/15, Rn. 28; 16.04.2015 – 6 AZR 352/14, Rn. 25[↩]
- BAG 24.05.2018 – 6 AZR 116/17, Rn. 15[↩]
- zur Erteilung von Lehraufträgen als Nebentätigkeit vgl. § 32 Abs. 1 Satz 2 NHG[↩]
- vgl. BAG 18.10.2018 – 6 AZR 300/17, Rn. 26; 11.07.2018 – 4 AZR 488/17, Rn. 21[↩]
- vgl. BAG 27.04.2017 – 6 AZR 284/16, Rn. 23[↩]
- vgl. BAG 12.06.2019 – 7 AZR 428/17, Rn. 17 mwN; 18.10.2018 – 6 AZR 246/17, Rn.19[↩]
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