Die nicht formgemäße Revisionsbegründung per elektronischem Dokument

Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs und auf die geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt. Diese Vorschrift des  § 130a Abs. 6 Satz 2 ZPO kommt jedenfalls für das Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht zur Anwendung, da § 72 Abs. 5 ArbGG für das Revisionsverfahren auf die Vorschriften der ZPO verweist und § 46c ArbGG, der § 130a ZPO entspricht, in § 72 Abs. 5 ArbGG nicht in Bezug genommen worden ist1.

Die nicht formgemäße Revisionsbegründung per elektronischem Dokument

So auch in den hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall:

Der ursprünglich vom Klägervertreter eingereichte Revisionsbegründungsschriftsatz vom 31.01.2020 erfüllt nicht die Anforderungen des § 130a Abs. 2 Satz 1 ZPO und § 2 Abs. 1 Satz 1 Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung2, was die Revision zunächst unzulässig macht.

Hinsichtlich der Signatur und des Übermittlungswegs sind die Vorgaben in § 130a Abs. 3 und Abs. 4 ZPO zu beachten. Die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen (§ 130a Abs. 2 Satz 2 ZPO) sind in der ERVV geregelt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV ist das elektronische Dokument in druckbarer, kopierbarer und, soweit technisch möglich, durchsuchbarer Form im Dateiformat PDF zu übermitteln. Die Durchsuchbarkeit bezieht sich auf eine texterkannte Form und dient der Weiterbearbeitung im Gericht3. Die technischen Anforderungen an das zulässige Dateiformat ergeben sich aus der zu § 5 ERVV ergangenen Bekanntmachung (Elektronischer-Rechtsverkehr-Bekanntmachung 2019 vom 20.12.2018 – ERVB 2019)4. Demnach müssen hinsichtlich der zulässigen Dateiversionen PDF alle für die Darstellung des Dokuments notwendigen Inhalte in der Datei enthalten sein5. Dies war hier nicht der Fall.

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Das führt zur Unzulässigkeit der Revision. Sind die formellen Anforderungen nicht eingehalten, führt dies zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels6. Alle elektronisch übermittelten Dokumente – und damit auch die Revisionsbegründung, § 551 Abs. 2 Satz 1 ZPO – sind bei fehlender Durchsuchbarkeit nicht geeignet, die Formanforderungen zu erfüllen5.

Dieser Fehler ist jedoch nach § 130a Abs. 6 Satz 2 ZPO geheilt. Der Kläger hat das Dokument nach Hinweis des Gerichts gemäß § 130a Abs. 6 Satz 1 ZPO unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachgereicht und glaubhaft gemacht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.

§ 130a Abs. 6 Satz 1 ZPO regelt den Fall, dass ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet ist. Folglich findet auch die Eingangsfiktion Anwendung auf Formatfehler, dh. Fehler, aufgrund derer ein elektronisches Dokument zur Bearbeitung durch das Gericht nicht geeignet ist7. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll einer Partei der „Zugang zu den Gerichten durch Anforderungen des formellen Rechts, wie etwa Formatvorgaben, nicht in unverhältnismäßiger Weise“ erschwert werden. Die Fehlermeldung über ein falsches Dateiformat muss unverzüglich zugehen, damit der Absender das Dokument ohne Zeitverzögerung auf ein zugelassenes Dateiformat umstellen kann8. Die Zustellungsfiktion des § 130a Abs. 6 Satz 2 ZPO gilt demnach nur, wenn später ein elektronisches Dokument eingereicht wird, das die Formvorschriften des § 130a Abs. 3 und Abs. 4 ZPO einhält9. Das Rechtsmittel bleibt unzulässig, wenn die erneute Begründung wiederum nicht durchsuchbar ist oder es an einer Glaubhaftmachung iSd. § 130a Abs. 6 Satz 2 ZPO fehlt10.

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Bei Formatfehlern besteht damit die Möglichkeit der rückwirkenden Korrektur. Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender nach § 130a Abs. 6 Satz 1 ZPO unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs und auf die geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt gemäß § 130a Abs. 6 Satz 2 ZPO als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt11.

Zudem setzt die Vorschrift voraus, dass die erneut eingereichte Begründung tatsächlich mit der ursprünglichen übereinstimmt. Dem steht nicht entgegen, dass der Bevollmächtigte die inhaltliche Gleichheit nur glaubhaft versichern muss. Zweck des Versicherns ist es, die inhaltliche Übereinstimmung durch das Gericht auf der Grundlage der Glaubhaftmachung zu prüfen. Andernfalls hätte die Glaubhaftmachung nur einen formellen und keinen inhaltlichen Zweck, wovon nicht auszugehen ist. Das Gesetz will Fehler bei der ursprünglichen Einreichung in gewissem Maße heilbar machen, nicht eine neue Frist in Gang setzen.

Nach diesen Grundsätzen wahrt der nachgereichte Schriftsatz des Klägervertreters vom 10.02.2020 die formellen Anforderungen des § 130a Abs. 6 Satz 2 ZPO und ist mit dem Schriftsatz vom 31.01.2020 in der Lage, die am 3.02.2020 abgelaufene Revisionsbegründungsfrist zu wahren.

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Der Kläger hat iSv. § 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft gemacht, dass beide Schriftsätze inhaltlich übereinstimmen. Dafür reicht eine eidesstattliche oder auch anwaltliche Versicherung aus. Eine solche hat der Klägervertreter hier eingereicht.

Zudem handelt es sich um das inhaltlich identische Dokument (§ 130a Abs. 6 Satz 2 ZPO: „der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht“). Das hat das Bundesarbeitsgericht im Freibeweis geprüft.

Der Kläger hat den Schriftsatz auch unverzüglich nachgereicht und die Identität der Schriftsätze glaubhaft gemacht, § 130a Abs. 6 Satz 2 ZPO12. Der Klägervertreter hat den Hinweis am 10.02.2020 zugestellt erhalten und damit ohne schuldhaftes Zögern am selben Tag den Schriftsatz erneut elektronisch – nunmehr durchsuchbar – an das Gericht versandt und gleichzeitig seine eidesstaatliche Versicherung abgegeben.

Da sich die Glaubhaftmachung nur auf die Identität der Schriftsätze bezieht, ist es unerheblich, ob der Absender die Einreichung eines ungeeigneten elektronischen Dokuments verschuldet hat13.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 3. Juni 2020 – 3 AZR 730/19

  1. vgl. BAG 24.10.2019 – 8 AZN 589/19, Rn. 5[]
  2. vom 24.11.2017, BGBl. I S. 3803, geändert durch Verordnung vom 09.02.2018, BGBl. I S.200; im Folgenden ERVV[]
  3. vgl. Müller NZA 2018, 1315, 1317[]
  4. BAnz AT 31.12.2018 B3 S. 1[]
  5. BAG 12.03.2020 – 6 AZM 1/20, Rn. 2[][]
  6. BAG 12.03.2020 – 6 AZM 1/20, Rn. 1[]
  7. BAG 15.08.2018 – 2 AZN 269/18, Rn. 9 f., BAGE 163, 234; zu § 65a Abs. 6 SGG BSG 9.05.2018 – B 12 KR 26/18 B, Rn. 8; 20.03.2019 – B 1 KR 7/18 B, Rn. 7; Ulrich/Schmieder NJW 2019, 113; enger Müller NZA 2019, 1120, 1122[]
  8. vgl. BT-Drs. 17/12634 S. 26 f., 37[]
  9. BAG 12.03.2020 – 6 AZM 1/20, Rn. 5; BGH 8.05.2019 – XII ZB 8/19, Rn. 16[]
  10. BAG 12.03.2020 – 6 AZM 1/20, Rn. 9[]
  11. BAG 12.03.2020 – 6 AZM 1/20, Rn. 3, 4[]
  12. vgl. BAG 12.03.2020 – 6 AZM 1/20, Rn. 9[]
  13. vgl. BeckOK ZPO/von Selle Stand 1.03.2020 ZPO § 130a Rn. 25[]
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