Die auch für die Kündigungsschutzklage erforderliche Schriftform ist nur gewahrt, wenn die Klageschrift unterschrieben ist. Eine nicht mit Unterschrift versehene Klage kann daher die Klagefrist nach § 4 Satz 1 KSchG nicht wahren.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist eine Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, wenn die Arbeitnehmerin nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihr nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, sie rechtzeitig beim Arbeitsgericht zu erheben. Beruht die Fristversäumnis auf einem Verschulden der klagenden Partei, so scheidet die nachträgliche Zulassung aus.
Die Partei hat nicht nur für – hier nicht in Betracht kommendes – eigenes Verschulden einzustehen. Sie muss sich nach § 85 Abs. 2 ZPO auch das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, nicht aber das eines Dritten, etwa einer Angestellten des Prozessbevollmächtigten, zurechnen lassen1.
Hat der Prozessbevollmächtigte die Fehlleistung des Dritten seinerseits mit verursacht, weil dieser nicht hinreichend sorgfältig ausgewählt, angewiesen oder überwacht worden ist, so liegt in einem solchen Unterlassen ein eigenes Verschulden des Bevollmächtigten2. Die Frage nach dem Vorliegen eines Verschuldens ist anhand des in § 276 Abs. 2 BGB gesetzten Maßstabs zu beantworten. Verschulden umfasst demnach jede Form von Vorsatz und Fahrlässigkeit. Entscheidend ist die üblicherweise zu erwartende Sorgfalt einer ordentlichen Prozesspartei. Deshalb bestimmt im Fall eines der Partei zuzurechnenden Anwaltsverschuldens die erwartbare Sorgfalt eines ordentlichen Rechtsanwalts das rechtliche Maß3.
Zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten gehört es, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Rechtsanwalt eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren, insbesondere einen Fristenkalender führen. Wenn zur Fristwahrung die Übersendung durch Fax erforderlich ist, muss der Prozessbevollmächtigte – entweder allgemein oder im Einzelfall – Weisung erteilen, dass die von ihm beauftragte Hilfskraft nach der Übersendung per Telefax einen Einzelnachweis ausdruckt und anhand dessen die Vollständigkeit der Übermittlung, nämlich die Übereinstimmung der Zahl der übermittelten Seiten mit derjenigen des Originalschriftsatzes, überprüft4.
Dies bedeutet aber, wie das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich feststellt, nicht, dass die Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO schlechthin für Fehler im Machtbereich ihres Prozessbevollmächtigten einstehen muss. Nach der ausdrücklichen Anordnung in § 85 Abs. 2 ZPO steht lediglich das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich. Die Kanzleiangestellte ist nicht Bevollmächtigte der Klägerin.
Der Prozessbevollmächtigte muss auch nicht für jedes, sondern nur für vermeidbares Versagen der von ihm eingesetzten Gerätschaften einstehen5. Er kann sich – solange keine Anhaltspunkte für Fehleranfälligkeiten vorliegen – auf das Funktionieren der von ihm eingesetzten technischen Einrichtungen verlassen. Dass irgendwelche Hinweise auf besondere Empfindlichkeit oder Unzuverlässigkeit des vom Klägervertreter eingesetzten Fax-Geräts vorgelegen hätten, ist nicht ersichtlich.
Soweit die Vorinstanzen angenommen haben, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe seine Angestellte nicht ausreichend angewiesen, so trifft das nicht zu. Das Arbeitsgericht und – ihm wohl folgend – das Landesarbeitsgericht haben die Behauptung der Klägerin zum Inhalt der Weisung an die Angestellte dahin verstanden, die Weisung habe sich nicht konkret auf die Kontrolle der Vollständigkeit der Übersendung durch Zählen bezogen, sondern lediglich zum Inhalt gehabt, das Vorhandensein des „OK-Vermerks“ nachzuprüfen. Diese Würdigung lässt wesentliche Gesichtspunkte außer Acht, indem sie das Vorbringen der Klägerin nicht in seinem Zusammenhang betrachtet und dadurch um seinen wesentlichen Gehalt verkürzt.
Die Klägerin hatte unter Bezugnahme auf die anwaltliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten und die dem Schriftsatz beigefügte eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten behauptet, ihr Anwalt habe die Weisung erteilt, „nach Absendung der Kündigungsschutzklage per Fax das Faxjournal zu überprüfen, um dadurch sicherzustellen, dass die Kündigungsschutzklage auch ordnungsgemäß an das Gericht abgesandt worden ist“. Ferner hat die Klägerin behauptet, die Kanzleiangestellte sei angewiesen worden zu prüfen, ob die Klageschrift auch die Unterschrift des Prozessbevollmächtigten trage.
Sind diese Weisungen erteilt worden, so hat der Prozessbevollmächtigte seine Sorgfaltspflicht nicht verletzt. Von einem Rechtsanwalt wird nicht verlangt, dass er fristwahrende Schriftsätze eigenhändig an das Gericht faxt und die Übersendung auf Vollständigkeit prüft. Er kann diese Tätigkeit seinem sorgfältig ausgesuchten und geschulten sowie regelmäßig überprüften Personal übertragen. Gibt der Prozessbevollmächtigte seiner Angestellten auf, anhand des Faxjournals zu überprüfen, ob eine Klage „ordnungsgemäß“ per Fax abgesandt worden ist, so enthält diese Anordnung zugleich die Weisung, die Vollständigkeit der Übersendung – also die Übereinstimmung der Blattzahl der Klageschrift mit der im Sendeprotokoll ausgewiesenen Anzahl der übermittelten Blätter – zu prüfen. Eine ordnungsgemäße fristwahrende Übersendung setzt voraus, dass alle Blätter der Klageschrift, insbesondere auch das die Unterschrift tragende letzte Blatt des eigentlichen Klageschriftsatzes, übermittelt werden. Die vom Klägervertreter nach Behauptung der Klägerin erteilte Weisung, den „OKVermerk“ im Sendejournal zu prüfen, darf nicht zusammenhanglos betrachtet werden. Sie sollte sicherstellen, dass das, was in das Faxgerät zur Übersendung eingelegt worden ist, auch gesendet wurde. Da es keine Übersendung „an sich“, sondern nur eine Übersendung der zu übersendenden Schriftstücke gibt, war von der Weisung zur ordnungsgemäßen Übersendung auch die Vollständigkeit der Sendung betroffen. Ein Missverständnis dahingehend, auf die Vollzähligkeit der Übermittlung durch Fax komme es nicht an, sondern nur darauf, dass irgendetwas „ordnungsgemäß“ übersandt wurde, die Vollständigkeit müsse deshalb nicht geprüft werden, ist im Streitfall ausgeschlossen. Nimmt man hinzu, dass – nach dem Vortrag der Klägerin – die Angestellte ausdrücklich angewiesen war nachzuprüfen, ob die zu übersendende Klage unterschrieben war, so hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durch seine Anweisung alles getan, was vernünftigerweise von ihm verlangt werden konnte.
Der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung muss die Angabe der die Zulassung begründenden Tatsachen und die Mittel der Glaubhaftmachung enthalten (§ 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG, § 294 ZPO).
Glaubhaftmachung ist eine besondere Art der Beweisführung. Glaubhaft gemacht ist eine Behauptung, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft6. Dies gilt auch, wenn die Behauptung mit Hilfe von Indiztatsachen glaubhaft gemacht werden soll7. Ob die erforderliche Wahrscheinlichkeit gegeben ist, hat das Gericht entsprechend § 286 ZPO in freier Würdigung zu beurteilen8.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. November 2011 – 2 AZR 614/10
- BAG 11.12.2008 – 2 AZR 472/08, BAGE 129, 32; 28.05.2009 – 2 AZR 548/08, AP KSchG 1969 § 5 Nr. 15 = EzA KSchG § 5 Nr. 36[↩]
- BAG 28.05.2009 – 2 AZR 548/08, AP KSchG 1969 § 5 Nr. 15 = EzA KSchG § 5 Nr. 36; Wendtland in Vorwerk/Wolf BeckOK ZPO § 233 2. Edition Stand 1.10.2011 Rn. 9 – 11[↩]
- Wendtland in Vorwerk/Wolf BeckOK aaO mwN[↩]
- BGH 20.07.2011 – XII ZB 139/11 – MDR 2011, 1195; 15.06.2011 – XII ZB 572/10 – mwN, MDR 2011, 933; 7.07.2010 – XII ZB 59/10 – mwN, MDR 2010, 1145; 13.06.1996 – VII ZB 13/96 – NJW 1996, 2513[↩]
- BGH 25.11.2004 – VII ZR 320/03 – NJW 2005, 678[↩]
- BGH 21.10.2010 – V ZB 210/09, Rn. 7, NJW-RR 2011, 136[↩]
- BGH 9.02.1998 – II ZB 15/97 – NJW 1998, 1870[↩]
- BGH 21.12.2006 – IX ZB 60/06, Rn. 12, NJW-RR 2007, 776[↩]