Die Pensionskasse zur betrieblichen Altersversorgung – und die Haftung des Arbeitgebers

§ 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG und die darin angeordnete Einstandspflicht des Arbeitgebers führt im Regelfall nicht zu einer Gesamtschuld iSv. §§ 421 ff. BGB zwischen dem externen Versorgungsträger und dem die betriebliche Altersversorgung zusagenden Arbeitgeber.

Die Pensionskasse zur betrieblichen Altersversorgung – und die Haftung des Arbeitgebers

Keine Gesamtschuld aufgrund des BetrAVG

Eine gesamtschuldnerische Haftung ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Betriebsrentengesetz, insbesondere nicht aus § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG.

§ 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG ordnet – anders als etwa § 613a Abs. 2 Satz 1 BGB – keine Gesamtschuld an. Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG hat der Arbeitgeber für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann einzustehen, wenn die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung nicht unmittelbar über ihn erfolgt. Diese Bestimmung, die durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz – AVmG) vom 26.06.20011 in das Betriebsrentengesetz eingefügt wurde, basiert auf der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach im Betriebsrentenrecht stets zwischen der arbeitsrechtlichen Grundverpflichtung und den Durchführungswegen zu unterscheiden und der eingeschaltete externe Versorgungsträger seiner Funktion nach nur ein Instrument des Arbeitgebers zur Erfüllung seiner arbeitsrechtlichen Versorgungspflichten ist2. Wird die geschuldete Versorgung nicht auf dem vorgesehenen Durchführungsweg erbracht, so hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Versorgungsfall erforderlichenfalls aus seinem eigenen Vermögen die Versorgungsleistungen zu verschaffen, die er dem Arbeitnehmer versprochen hat (Verschaffungsanspruch). Er hat demnach gleichwertige Leistungen zu erbringen. Nach dem betriebsrentenrechtlichen System führt diese Einstandspflicht des Arbeitgebers nicht lediglich zu Schadensersatz, sondern zu Erfüllungsansprüchen der Versorgungsberechtigten.

Weiterlesen:
Klageänderung in der Revisionsinstanz

Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 1 BetrAVG durch das Altersvermögensgesetz aufgegriffen. Ausweislich der amtlichen Begründung sollte „lediglich aus Gründen der Klarstellung ausdrücklich geregelt“ werden, „dass unabhängig von der Durchführungsform der betrieblichen Altersversorgung immer eine arbeitsrechtliche ‚Grundverpflichtung’ des Arbeitgebers zur Erbringung der zugesagten Leistungen besteht“3. Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass der Arbeitgeber sich seiner Verpflichtungen aus der Versorgungszusage nicht entledigen kann, indem er betriebliche Altersversorgung über einen externen Versorgungsträger durchführt. Ihn trifft insoweit vielmehr eine Einstandspflicht, nach der er dem Arbeitnehmer im Versorgungsfall die zugesagten Leistungen ggf. zu verschaffen hat4.

Nach § 1 Abs. 1 BetrAVG ist demnach betriebsrentenrechtlich zu unterscheiden zwischen der Versorgungszusage (Satz 1), der Bestimmung des internen oder externen Durchführungsweges (Satz 2) und dem aus der Einstandspflicht (Satz 3) folgenden Verschaffungsanspruch als Erfüllungsanspruch. Der Verschaffungsanspruch richtet sich mithin darauf, eine Lücke zu schließen, die sich zwischen der Versorgungszusage einerseits und der Ausgestaltung des Durchführungsweges andererseits ergeben kann. Die Einstandspflicht betrifft zum einen Fälle, in denen die für die Durchführung der Versorgungszusage vom Arbeitgeber mit dem Versorgungsträger getroffene Regelung hinter den Verpflichtungen des Arbeitgebers gegenüber dem Versorgungsempfänger zurückbleibt. Sie ist zudem gegeben, wenn der externe Versorgungsträger die Betriebsrentenansprüche aus anderen Gründen nicht erfüllt. Die Einstandspflicht stellt somit sicher, dass bei Schwierigkeiten im Durchführungsweg gleichwohl der Versorgungszusage entsprechende Leistungen erbracht werden5. Diese Einstandspflicht kann der Arbeitgeber – wie sich aus § 19 Abs. 3 BetrAVG (früher § 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG aF) ergibt – nicht ausschließen6.

Weiterlesen:
Der sachgrundlos befristete Arbeitsvertrag - und das Vorbeschäftigungsverbot

Die von § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG angeordnete Einstandspflicht bestimmt danach jedoch keine Gesamtschuld zwischen dem externen Versorgungsträger einerseits und dem die Versorgungszusage erteilenden Arbeitgeber andererseits. Vielmehr folgt aus ihr lediglich die Pflicht des Arbeitgebers, für die Erfüllung der Versorgungszusage einzustehen. Eine Gesamtschuld zwischen Arbeitgeber und Versorgungsträger besteht nur, wenn sie aus allgemeinen Grundsätzen folgt.

Keine Gesamtschuld nach allgemeinen Grundsätzen

Eine Gesamtschuld zwischen der Pensionskasse und der Arbeitgeberin besteht aber auch nicht nach allgemeinen Grundsätzen.

Für die Annahme einer vertraglich nicht vereinbarten und auch gesetzlich nicht ausdrücklich bestimmten Gesamtschuld ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs7 eine Gleichstufigkeit zwischen den für die Begründung einer Gesamtschuld in Betracht kommenden Verpflichtungen erforderlich8. Mit dem Erfordernis der Gleichstufigkeit soll erreicht werden, dass durch die Erfüllung der Schuld auch die anderen erlöschen, mithin eine Tilgungsgemeinschaft besteht. Sie fehlt, wenn der Leistungszweck der einen gegenüber der anderen Verpflichtung vorläufig und/oder subsidiär und somit nachrangig ist9.

Eine Tilgungsgemeinschaft in diesem Sinne besteht vorliegend nicht.

Wird die Versorgung über eine Unterstützungskasse nach § 1b Abs. 4 BetrAVG durchgeführt, besteht nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zwischen dem Arbeitgeber und der Unterstützungskasse eine Gesamtschuld. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass Unterstützungskassen nach § 1b Abs. 4 Satz 1 BetrAVG rechtsfähige Versorgungseinrichtungen sind, die – anders als bei anderen mittelbaren Durchführungswegen – auf ihre Leistungen keinen Rechtsanspruch gewähren. Gleichwohl haben Arbeitnehmer in den Fällen, in denen der Arbeitgeber die Leistungen einer Unterstützungskasse versprochen hat, einen Anspruch auch gegen die Unterstützungskasse. Der Ausschluss des Rechtsanspruchs ist lediglich als ein an sachliche Gründe gebundenes Widerrufsrecht zu verstehen10. Die sich danach gegen die Unterstützungskasse ergebenden Rechte sind damit unmittelbar Ausfluss der gegen den Arbeitgeber bestehenden Ansprüche; sie stehen in einem direkten inneren Zusammenhang. Daher ist zumindest von einer Gleichstufigkeit in dieser Konstellation auszugehen.

Weiterlesen:
Betriebsrente - und die Bilanz des Arbeitgebers

Das Bundesarbeitsgericht hat weiter angenommen, dass eine gesamtschuldnerische Haftung des vormaligen Arbeitgebers mit der die Versorgung schuldende Pensionskasse besteht und damit auch eine unmittelbare Inanspruchnahme des Arbeitgebers möglich ist, wenn die Versorgungsregelungen der Pensionskasse wegen Verstoßes gegen Diskriminierungsverbote unwirksam sind11, sich der Versorgungsberechtigte also im Verfahren – auch – auf eine derartige Fallgestaltung beruft. Grund hierfür ist die Effektivierung der Diskriminierungsverbote, die eine Gleichstufigkeit der Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber und der Versorgungseinrichtung gebietet.

Diese Gesichtspunkte sind auf andere Fallgestaltungen nicht übertragbar. Die Voraussetzungen einer Gesamtschuld liegen deshalb hier nicht vor, da die Arbeitgeberin ihre Versorgungszusage nicht über eine Unterstützungskasse durchführt und auch kein Diskriminierungsverbot in Frage steht.

Lediglich subsidiäre Haftung der Arbeitgeberin

Es kommt daher lediglich eine subsidiäre Haftung der Arbeitgeberin in Betracht, die eine Zahlungspflicht neben oder anstelle der des Versorgungsträgers erfordert. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Zweck des § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG dies gebietet. Die Voraussetzungen einer subsidiären Inanspruchnahme der Arbeitgeberin liegen indes nicht vor.

Eine Haftung des Arbeitgebers neben dem Versorgungsträger kommt in Betracht, wenn der Versorgungsträger aus Gründen, die im Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Versorgungsträger liegen, eine Leistung an den Versorgungsberechtigten verweigert. Derartige Streitigkeiten dürfen nicht zulasten des Versorgungsberechtigten gehen12.

Eine unmittelbare Haftung des Arbeitgebers ist auch dann erforderlich, wenn über die bloße Prozessführung hinaus weitere Schwierigkeiten der Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Versorgungsträger im Raum stehen. Auch wenn man den Versorgungsberechtigten nicht für verpflichtet hält, gegen die mittelbaren Versorgungsträger einen erfolglosen Vollstreckungsversuch zu unternehmen13, so ist es nicht ausreichend, diesen zur Leistung aufzufordern.

Weiterlesen:
Betriebsrente - und der Streit um die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit

Liegt sogar bereits ein rechtskräftiges Urteil gegen den Versorgungsträger vor und leistet dieser nicht, kann der Betriebsrentner den Arbeitgeber unmittelbar entsprechend den ausgeurteilten Verpflichtungen in Anspruch nehmen; § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG führt dann im Folgeprozess zu einer materiell-rechtlichen verfahrensübergreifenden Bindungswirkung aus dem Urteil gegen den Versorgungsträger.

Statt des Versorgungsträgers haftet der Arbeitgeber, wenn die Verpflichtungen aus der Versorgungszusage über die Verpflichtungen gegenüber dem Versorgungsträger hinausgehen, zB wenn der Versorgungsträger aus Gründen, die allein ihn, aber nicht den Arbeitgeber betreffen, berechtigt ist, die Leistungen zu kürzen14.

Diese Erwägungen greifen jedoch nicht, wenn die Parteien über die zutreffende Auslegung der Versorgungsregelungen des externen Versorgungsträgers streiten, die auch Inhalt der Versorgungszusage des Arbeitgebers sind. Der Arbeitgeber, der eine Versorgung über eine Pensionskasse verspricht, macht damit zugleich deutlich, dass der Versorgungsempfänger seine Leistungen, auf die auch ein Rechtsanspruch besteht, unmittelbar von dem jeweiligen Versorgungsträger bekommt. Nur für den Fall, dass dies nicht erfolgt, soll der Subsidiäranspruch aus § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG bestehen. Damit soll es aber bei der vorrangigen Haftung des mittelbaren Versorgungsträgers bleiben. Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Juli 2021 – 3 AZR 298/20

  1. BGBl. I S. 1310[]
  2. BAG 29.08.2000 – 3 AZR 201/00, zu II 1 der Gründe; 14.12.1999 – 3 AZR 713/98, zu I 1 a bb der Gründe, BAGE 93, 105; 17.04.1996 – 3 AZR 774/94, zu II 2 a der Gründe; 7.03.1995 – 3 AZR 282/94, zu B III 2 b bb der Gründe, BAGE 79, 236; 11.02.1992 – 3 AZR 138/91, zu 2 a der Gründe; 23.02.1988 – 3 AZR 408/86, zu II 2 a der Gründe[]
  3. BT-Drs. 14/4595 S. 67[]
  4. BAG 19.06.2012 – 3 AZR 408/10, Rn. 36, BAGE 142, 72[]
  5. BAG 12.06.2007 – 3 AZR 186/06, Rn.20, BAGE 123, 82[]
  6. vgl. BAG 19.06.2012 – 3 AZR 408/10, Rn. 37, BAGE 142, 72[]
  7. vgl. BGH 28.11.2006 – VI ZR 136/05, Rn. 17 f.[]
  8. vgl. statt vieler MünchKomm-BGB/Heinemeyer 8. Aufl. § 421 Rn. 12 mwN auch zur Gegenauffassung[]
  9. vgl. BGH 28.11.2006 – VI ZR 136/05, Rn. 17; Palandt/Grüneberg 80. Aufl. § 421 Rn. 7[]
  10. vgl. BAG 22.01.2019 – 3 AZR 9/18, Rn. 41 mwN; 12.11.2013 – 3 AZR 356/12, Rn. 11; 16.02.2010 – 3 AZR 216/09, Rn. 69, BAGE 133, 158[]
  11. vgl. BAG 11.12.2007 – 3 AZR 249/06, Rn. 46 ff., BAGE 125, 133[]
  12. vgl. BAG 23.02.1988 – 3 AZR 408/86, zu II 2 der Gründe[]
  13. so ausdrücklich Schlewing in Schlewing/Henssler/Schipp/Schnitker Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung Stand Februar 2021 Teil 5 G Rn. 16[]
  14. dazu BAG 12.05.2020 – 3 AZR 157/19, Rn. 40 ff.[]
Weiterlesen:
Gewinnausschüttungen einer Versorgungskasse

Bildnachweis: