Die Pflicht zur Bildung eines Arbeitsschutzausschusses

§ 11 ASiG begründet keinen Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Einrichtung eines Arbeitsschutzausschusses. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus § 11 ASiG noch aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG.

Die Pflicht zur Bildung eines Arbeitsschutzausschusses

§ 11 ASiG verpflichtet den Arbeitgeber zur Bildung eines Arbeitsschutzausschusses. Diese Bestimmung begründet jedoch keinen Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Einrichtung eines solchen Ausschusses.

Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber, soweit in einer sonstigen Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist, in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten einen Arbeitsschutzausschuss zu bilden. In diesen hat der Betriebsrat zwei Mitglieder zu entsenden. Der Arbeitsschutzausschuss hat die Aufgabe, Anliegen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beraten. Er tritt mindestens einmal vierteljährlich zusammen. Normadressat des § 11 ASiG ist der Arbeitgeber. Kommt dieser seiner Verpflichtung aus § 11 ASiG nicht nach, hat nach der Gesetzessystematik des Arbeitssicherheitsgesetzes die Arbeitsschutzbehörde nach § 12 ASiG die erforderlichen Maßnahmen anzuordnen1. Der Betriebsrat kann nach § 89 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die zuständige Arbeitsschutzbehörde ersuchen, gegenüber dem Arbeitgeber die Verpflichtungen aus § 11 ASiG im Wege einer Anordnung nach § 12 Abs. 1 ASiG durchzusetzen2. Einen unmittelbar gegen den Arbeitgeber gerichteten Anspruch des Betriebsrats auf Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses enthält das Arbeitssicherheitsgesetz dagegen nicht.

Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung folgt ein solches betriebsverfassungsrechtliches Recht nicht aus dem Entsendungsrecht des Betriebsrats nach § 11 Satz 2 ASiG3. Danach gehören dem Arbeitsschutzausschuss zwei vom Betriebsrat benannte Betriebsratsmitglieder an. Diese Vorschrift begründet aber nur einen Anspruch des Betriebsrats auf Entsendung zweier Betriebsratsmitglieder in einen bereits bestehenden Ausschuss, nicht hingegen auf die Errichtung eines solchen Ausschusses. Nach der Gesetzessystematik obliegt die Durchsetzung dieser gesetzlichen Verpflichtungen vielmehr der zuständigen Behörde. Diese hat nach § 12 Abs. 1 ASiG eine entsprechende Maßnahme anzuordnen und diese nach § 20 ASiG im Weigerungsfalle durch Verhängung einer Geldbuße durchzusetzen.

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Ein Anspruch des Betriebsrats auf Bildung eines Arbeitsschutzausschusses folgt auch nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Dem steht bereits der Eingangshalbsatz des § 87 Abs. 1 BetrVG entgegen. § 11 ASiG regelt die gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers zur Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses abschließend. Hierdurch sind die Interessen der Arbeitnehmer hinreichend geschützt und bedürfen keines weiteren Schutzes durch Mitbestimmungsrechte. Auch fehlt es dann, wenn der Arbeitgeber aufgrund einer zwingenden gesetzlichen Regelung keine Gestaltungsmöglichkeiten hat, an einem Handlungsspielraum, der unter Mitwirkung des Betriebsrats auszufüllen wäre4. Der Betriebsrat kann deshalb die Bildung eines solchen Ausschusses nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG erzwingen5. Die gegenteilige Auffassung, wonach es bei § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG „auf den Einleitungssatz“ nicht ankomme, verkennt die Systematik des § 87 BetrVG.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15. April 2014 – 1 ABR 82/12

  1. MüArbR/Kohte 3. Aufl. § 290 Rn. 75[]
  2. vgl. Aufhauser in Aufhauser/Brunhöber/Igl Arbeitssicherheitsgesetz 4. Aufl. § 12 Rn. 7; dazu allgemein BAG 3.06.2003 – 1 ABR 19/02, BAGE 106, 188[]
  3. so aber Pieper Arbeitsschutzrecht 5. Aufl. Arbeitssicherheitsgesetz Rn. 134; im Ergebnis auch Anzinger/Bieneck Arbeitssicherheitsgesetz § 11 Rn. 46[]
  4. BAG 22.07.2008 – 1 ABR 40/07, Rn. 72, BAGE 127, 146[]
  5. Fitting 27. Aufl. § 87 Rn. 327; Wiese/Gutzeit GK-BetrVG 10. Aufl. § 87 Rn. 668; LAG Hamburg 27.09.1995 – 4 TaBV 2/95[]
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