Aus der Unterrichtungspflicht nach § 106 Abs. 2 S. 1 BetrVG i. V. m. § 106 Abs. 3 Nr. 9 a, 10 BetrVG ergibt sich nicht die Pflicht zur Vorlage des Kaufvertrages über die Gesellschaftsanteile.

Ein Anspruch auf Vorlage des Kaufvertrages ergibt sich nicht aus § 106 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 3 Ziffer 10 BetrVG. Den sich hieraus ergebenden Unterrichtungsverpflichtungen ist nachgekommen, wenn der Wirtschaftsausschuss über die Tatsache der Veräußerung sämtlicher Geschäftsanteile an der neuen Gesellschaft informiert, sowie Name und Anschrift des neuen Gesellschafters mitgeteilt und weiter mitgeteilt wurde, dass in dem Veräußerungsvertrag keinerlei Absprachen über Geschäftsführung und Geschäftspolitik getroffen worden seien.
Soweit der Betriebsrat meint, dass sich bereits aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.01.1991 [1] der Anspruch ergebe, wird dem vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg nicht gefolgt. Der Veräußerungsvertrag betrifft nur das Innenverhältnis der Gesellschafter und kann daher noch nicht Anlass zur Beratung zwischen Unternehmen und Wirtschaftsausschuss sein.
Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus den neu eingeführten Unterrichtungsverpflichtungen durch das am 19.08.2008 in Kraft getretene Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken nach § 106 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 Nr. 9a BetrVG. Zuzugeben ist dem Betriebsrat, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt [2], dass hinsichtlich der Informationspflichten die Belegschaft nicht börsenorientierter Unternehmen bei Übernahme der Kontrolle in gleicher Weise über eine Unternehmensübernahme informiert werden sollen wie bei börsenorientierten Unternehmen.
Fest steht, dass mit dem Erwerb der Gesellschaftsanteile der Tatbestand des § 106 Abs. 3 Ziffer 9a erfüllt ist. Dass damit der Wirtschaftsausschuss nach § 106 Abs. 2 S. 1 BetrVG rechtzeitig und umfassend unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten ist, soweit dadurch nicht die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gefährdet werden, ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
Allerdings kann insbesondere aus § 106 Abs. 2 S. 2 BetrVG nicht entnommen werden, dass zu den vorzulegenden erforderlichen Unterlagen auch der Kaufvertrag über die Gesellschaftsanteile gehört. Die Auffassung, nach der der gesellschafts-rechtliche Vorgang der Unternehmensübernahme als solcher zur wirtschaftlichen Angelegenheit erklärt sei und damit der Veräußerungsvertrag automatisch eine vorlagepflichtige Unterlage nach § 106 Abs. 2 S. 2 BetrVG sei, [3] überzeugt nicht. Der Wortlaut von § 106 Abs. 2 S. 2 BetrVG gibt dies nicht her. Als erforderliche Unterlagen werden insbesondere die Angaben über den potentiellen Erwerb und Absichten im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit des Unternehmens sowie daraus ergebende Auswirkungen auf die Arbeitnehmer aufgeführt. Bei Angaben handelt es sich nicht um Unterlagen, vielmehr um Auskünfte [4]. § 106 Abs. 2 S. 2 BetrVG erweitert daher nicht die Vorlagepflicht, diese verbleibt bei § 106 Abs. 2 S. 1 BetrVG. Mit der Gleichsetzung von Angaben und Unterlagen kann daher nur gemeint sein, dass das Unternehmen die entsprechenden Informationen zu dokumentieren und als selbst erstellte Unterlage entsprechend der Unterrichtungspflicht nach § 106 Abs. 2 S. 2 BetrVG zu erstellen hat. Dies macht auch Sinn, weil damit das Problem gelöst wird, dass es sich bei dem Kaufvertrag um eine Urkunde nicht des Unternehmens, vielmehr der alten und der neuen Gesellschafter handelt.
Aus der Absicht des Gesetzgebers, nicht börsennotierte Unternehmen insoweit gleichzustellen, ergibt sich nicht zwingend die Vorlage des Vertrags zur Veräußerung der Gesellschaftsanteile. Bei börsennotierten Unternehmen sind die erforderlichen Angaben im Übernahmeangebot enthalten (§ 11, 2, 39 WpÜG).
Soweit diese bei börsennotierten Unternehmen nicht vorhanden sind, ist dem Betriebsrat zuzugeben, dass diese ggf. auf das Unternehmen einen Unterrichtungsanspruch hat. Die Unterrichtungspflicht bezieht sich insoweit zunächst nach dem Wortlaut auf die Angabe des potentiellen Erwerbs und die Absicht im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit des Unternehmens mit den damit verbundenen Auswirkungen auf die Arbeitnehmer. Unabhängig davon, dass es sich bei dem Kaufvertrag um keine Unterlagen des Unternehmens handelt, vielmehr der Gesellschafter und damit, wie auch im vorliegenden Verfahren von der Unternehmensseite erklärt, zumindest das Unternehmen selbst über die Unterlagen nicht verfügt, mögen zwar Teile eines Kaufvertrages über die Gesellschaftsanteile von Bedeutung für die künftige Geschäftstätigkeit des Unternehmens und Auswirkungen auf die Arbeitnehmer sein. Der Kaufvertrag kann daher Punkte regeln, die für den Wirtschaftsausschuss im Hinblick auf § 106 Abs. 2 BetrVG von Bedeutung sein können. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob zumindest bei Alleingesellschaftern oder beherrschenden Gesellschaftern ein Durchgriff auf die Gesellschafter möglich ist [5]. Das Unterrichtungsrecht beschränkt sich unter Vorlage entsprechender und möglicherweise zu erstellenden Unterlagen des Unternehmens auf den Erwerb als solches und die Absichten über die künftige Geschäftstätigkeit des Unternehmens, wie in § 106 Abs. 2 S. 2 BetrVG dokumentiert.
Der Gesellschafterwechsel hat zunächst auf Unternehmensebene nichts verändert. Das Beratungsrecht in wirtschaftlichen Angelegenheiten bezieht sich auf beabsichtigte unternehmerische Maßnahmen. Insoweit hat der Wirtschaftsausschuss weiterhin einen entsprechenden Spruch auf frühzeitige Information über geplante unternehmerische Entscheidungen. Zweifelhaft erscheint, ob weitergehend der Wirtschaftsausschuss beispielsweise einen Anspruch auf eine Information des Kaufpreises hat, um zu erwägen und zu prüfen, ob und welche unternehmerischen Planungen von Unternehmensseite möglicherweise anstehen. § 106 Abs. 2 S. 2 BetrVG verlangt eine Information über die zukünftige Geschäftstätigkeit und damit zukünftige Planungen des Unternehmens und nicht weitergehend Informationen, damit der Wirtschaftsausschuss im Voraus Überlegungen anstellen kann, welche Absichten der Erwerber im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit des Unternehmens möglicherweise hat. Insoweit gilt auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.01.1991 [1]. Die Vorlage von Unterlagen dient nicht der Kontrolle darüber, ob die Unterrichtung des Unternehmens wahrheitsgemäß ist. Die Vorlage der Unterlagen bezweckt ausschließlich die gleichgewichtige und damit grundsätzlich vom selben Kenntnisstand ausgehende Beratung über wirtschaftliche Angelegenheiten [6]. Dies gilt beispielsweise für die Frage, ob, wie von Unternehmensseite angegeben, mit Ausnahme einer Regelung über den Wechsel in der Geschäftsführung keine Aussagen über personelle Auswirkungen des Anteilserwerbers enthalten seien, der Wirtschaftsausschuss ein Recht auf Überprüfung durch Einsichtnahme in den Kaufvertrag hat. Soweit die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens betroffen ist, ergibt sich das entsprechende Unterrichtungsrecht aus § 106 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG und aus § 110 Abs. 2 BetrVG. Diese Unterrichtungsrechte waren jedoch nicht Gegenstand des Einigungsstellenverfahrens und des Spruchs der Einigungsstelle. Im Übrigen würden im Einigungsstellenverfahren eine Reihe von Fragen zur Information des Wirtschaftsausschusses geregelt. So wurde in einer Teileinigung geregelt, dass dem Wirtschaftsausschuss die Gesellschafterverträge der drei Gesellschaften zur Einsicht vorgelegt werden gleichfalls die beiden Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträge. Auf die Frage, ob der Unterrichtungsanspruch des Wirtschaftsausschusses vollständig erfüllt wurde kommt es jedoch nicht an. Gegenstand des angefochtenen Spruches der Einigungsstelle ist allein der zuletzt gestellte Antrag auf Vorlage des Kaufvertrages über die Gesellschaftsanteile.
Landesarbeitsgericht Baden ‑Württemberg, Beschluss vom 9. Oktober 2013 – 10 TaBV 2/13
- BAG 22.01.1991 – 1 ABR 38/89, AP, § 106 BetrVG 1972, Nr. 9[↩][↩]
- BT-Drs. 16–7438 S.9[↩]
- so beispielsweise Fitting, BetrVG, 26. Auflage, § 106 BetrVG Rz. 126[↩]
- vgl. ErfK/Kania, 13. Auflage 2013, § 106 BetrVG Rz. 6a[↩]
- verneinend Richardi/Annuß, 14. Auflage 2014, § 106 Rz. 57; Fleischers, ZfA 2009, 787 ff.; bejahend DKKW-Däubler, 13. Auflage, § 106 Rz. 91[↩]
- BAG v. 22.01.2991 – 1 ABR 38/89, AP, § 106 BetrVG 1972, Nr. 9[↩]