Der objektive Tatbestand sowohl des Lohnwuchers (§ 138 Abs. 2 BGB) als auch der des wucherähnlichen Geschäfts (§ 138 Abs. 1 BGB) setzt ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Ein solches ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in dem Wirtschaftszweig üblicherweise gezahlten Tarifentgelts erreicht1.

Dasselbe gilt, wenn bei fehlender Maßgeblichkeit der Tarifentgelte die vereinbarte Vergütung mehr als ein Drittel unter dem Lohnniveau, das sich für die auszuübende Tätigkeit in der Wirtschaftsregion gebildet hat, bleibt2.
In subjektiver Hinsicht verlangt der Tatbestand des Lohnwuchers eine Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen. Der subjektive Tatbestand des wucherähnlichen Geschäfts erfordert in der Regel eine verwerfliche Gesinnung des Arbeitgebers3. Dazu hat das Bundesarbeitsgericht eine Vermutungsregel entwickelt. Ist der objektive Wert einer Arbeitsleistung mindestens doppelt so hoch wie der Wert der Gegenleistung, gestattet dieses besonders grobe Missverhältnis den tatsächlichen Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Arbeitgebers iSv. § 138 Abs. 1 BGB. Andernfalls muss der Arbeitnehmer zusätzliche Umstände, aus denen geschlossen werden kann, der Arbeitgeber habe die Not oder einen anderen den Arbeitnehmer hemmenden Umstand in verwerflicher Weise zu seinem Vorteil ausgenutzt, darlegen und im Streitfall beweisen4.
Eine sittengemäße Vergütung für die in der Normalarbeitszeit geleistete Arbeit kann nicht dadurch zur sittenwidrigen werden, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in Verkennung der Rechtslage Vergütung von Mehrarbeit und Sonderformen der Arbeit vorenthält. Vielmehr sieht die Rechtsordnung in einem solchen Fall einen Anspruch auf, zusätzliche – Vergütung geleisteter Mehr- und Sonderarbeit vor.
Ob der Wert der Arbeitsleistung in einem auffälligen oder besonders groben Missverhältnis zur versprochenen Vergütung steht, beurteilt sich grundsätzlich nach einer Gesamtbetrachtung der vom Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag geschuldeten Arbeitsleistung und des vom Arbeitgeber dafür zu zahlenden Entgelts. Maßgebend ist der Vergleich zwischen dem objektiven Wert der Arbeitsleistung und der „faktischen“ Höhe der Vergütung, die sich aus dem Verhältnis von geschuldeter Arbeitszeit und versprochener Vergütung für eine bestimmte Abrechnungsperiode ergibt5.
Das bedeutet jedoch nicht, dass es dabei nur auf die tatsächlich vom Arbeitgeber gezahlte Vergütung ankommt. Denn es geht bei § 138 BGB nicht um ein unsittliches Faktum oder Verhalten, sondern um die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts. Maßgebend ist, was der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die abverlangte Arbeit nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung und der Rechtsordnung schuldet. Sind einzelne Abreden (wie zB eine Klausel zur Pauschalvergütung von Überstunden) bereits aus anderen Gründen rechtsunwirksam mit der Folge, dass dem Arbeitnehmer insoweit ein gesonderter Entgeltanspruch erwächst (zB Überstundenvergütung nach § 612 Abs. 1 BGB), bleibt dies bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit außer Betracht. Ihr unterliegen nur diejenigen Teile der arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarung, die – die zu prüfende Sittenwidrigkeit hinweg gedacht – ansonsten rechtswirksam sind.
Der arbeitsvertraglich vorgesehene teilweise Ausschluss einer – gesonderten – Vergütung von Mehrarbeit und Sonderformen der Arbeit, wonach in dem Monatsentgelt von 1.000, 00 € netto die Vergütung für „30 Einsätze/Monat (außerhalb der normalen Arbeitszeit)“ enthalten sein soll, ist unwirksam. Damit enthält die Vereinbarung eine Pauschalvergütung für Überstunden, die außerhalb der Normalarbeitszeit für Vollarbeit im zeitlichen Umfang der Dauer von 30 Einsätzen im Monat anfallen. Gleiches gilt auch für den arbeitsvertragliche Regelung, dass „Not- und Bereitschaftsdienst“ nicht gesondert vergütet wird.
Bei den Klauseln des Arbeitsvertrags handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Dafür begründet bereits das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung6, der keine der Parteien entgegengetreten ist.
Soweit der Arbeitsvertrag eine Pauschalvergütung von Überstunden und „Not- und Bereitschaftsdienst“ vorsieht, sind die Klauseln des § 2 Nr. 1 Satz 1 und Satz 2 Arbeitsvertrag mangels hinreichender Transparenz unwirksam, § 307 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 1 Satz 2 BGB.
Eine Klausel zur Pauschalvergütung von Überstunden ist nur klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistung in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden soll. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsabschluss erkennen können, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss7. Dasselbe gilt, wenn Sonderformen der Arbeit wie Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft außerhalb der Normalarbeitszeit erbracht werden müssen und mitvergütet sein sollen.
Nach diesen Grundsätzen sind die Klauseln nicht klar und verständlich. Der Arbeitnehmer kann § 2 Nr. 1 Satz 1 Arbeitsvertrag nicht entnehmen, in welchem zeitlichen Umfang er bei „30 Einsätzen/Monat“ zusätzlich über die Normalarbeitszeit hinaus Vollarbeit leisten muss. § 2 Nr. 1 Satz 2 Arbeitsvertrag lässt den Arbeitnehmer zwar wissen, dass „Not- und Bereitschaftsdienst“ nur insoweit gesondert vergütet werden soll, als er ab dem 31. Einsatz im Monat die in § 2 Nr. 1 Satz 3 Arbeitsvertrag vorgesehene „Zulage“ erhält. Unklar bleibt aber, in welchem zeitlichen Umfang er in der Abrechnungsperiode „Monat“ außerhalb der Normalarbeitszeit Vollarbeit leisten oder sich dafür bereithalten muss, um in den Genuss der Vergütung nach § 2 Nr. 1 Satz 3 Arbeitsvertrag zu kommen.
Zudem sorgt im hier entschiedenen Fall eine weitere Bestimmung des Arbeitsvertrags für zusätzliche Unklarheit, in der sich der Arbeitnehmer zu „Ruf-Bereitschaft“ verpflichtet, für deren Übernahme ein „Pauschal-Entgelt“ vorgesehen ist, wobei aber im Dunkeln bleibt, wann im Sinne des Klauselverwenders „Not- und Bereitschaftsdienst“ und wann „Ruf-Bereitschaft“ vorliegen soll. Schließlich sieht der hier streitgegenständliche Arbeitsvertrag vor, „angefallene Überstunden und deren Zuschläge“ müssten auf Verlangen „als Freizeit genommen“ werden, ohne dass an irgendeiner Stelle des Arbeitsvertrags klar und deutlich werden würde, welche Überstunden trotz der Pauschalvergütung in § 2 Arbeitsvertrag gleichwohl in Form von Freizeitausgleich vergütet werden.
Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf gesonderte Vergütung der geleisteten Bereitschaften und der dabei angefallenen Vollarbeit, und zwar unabhängig davon ob es sich bei den Bereitschaften im Rechtssinne um Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft gehandelt hat8. Dies ergibt sich bereits aus dem Arbeitsvertrag. Die in der dortigen Regelung zur Vergütung von Bereitschaften enthaltenen Widersprüche und Lücken sind vom Landesarbeitsgericht im erneuten Berufungsverfahren – gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien – im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu beheben.
Für Sonderformen der Arbeit kann eine gesonderte Vergütungsregelung getroffen und ein geringeres Entgelt als für Vollarbeit vorgesehen werden9. Diese Möglichkeit greift das Regelungskonzept des Arbeitsvertrags – ohne weitere Differenzierung nach Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft – auf. Danach soll Vollarbeit in der Bereitschaft zum Teil mit der Vergütung für die Arbeit in der Normalarbeitszeit abgegolten sein, zum Teil mit der „Zulage“ nach § 2 Nr. 1 Satz 3 Arbeitsvertrag entlohnt werden. In gewissem Widerspruch dazu geht § 9 Nr. 8 Arbeitsvertrag mit der Regelung zum Freizeitausgleich für „angefallene Überstunden und deren Zuschläge“ von einer unbeschränkten Vergütung von Überstunden aus. Schließlich ist für das „Sich-Bereithalten“ außerhalb eines Einsatzes in § 9 Nr. 7 Satz 1 Arbeitsvertrag ein „Pauschal-Entgelt“ vorgesehen.
Dieses Regelungskonzept ist insoweit misslungen, als die Parteien damit ihr Ziel, für Bereitschaften eine in sich geschlossene gesonderte Vergütungsregelung zu schaffen, nicht vollständig erreicht haben. Der Pauschalvergütung eines Teils der Vollarbeit in der Bereitschaft steht die mangelnde Transparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) und die Widersprüchlichkeit zur Regelung des § 9 Nr. 8 Arbeitsvertrag entgegen, während für die „inaktive Bereitschaft“ es der Arbeitgeberin versäumt hat, das arbeitsvertraglich vorgesehene „Pauschalentgelt“ festzusetzen.
Das Regelungskonzept der Parteien zur gesonderten Vergütung von Bereitschaften ist somit planwidrig unvollständig, wobei unerheblich ist, ob die Lückenhaftigkeit von Anfang an bestanden hat oder infolge nachträglicher Umstände eingetreten ist10. Zur Verwirklichung des Regelungsplans der Parteien ist deshalb eine ergänzende Vertragsauslegung geboten. Diese hat sich nicht nur an dem hypothetischen Parteiwillen, sondern auch an dem objektiven Maßstab von Treu und Glauben zu orientieren. Maßgeblich ist, was die Parteien bei einer angemessenen, objektiv-generalisierenden Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Parteien vereinbart hätten11.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. November 2015 – 5 AZR 751/13
- st. Rspr. seit BAG 22.04.2009 – 5 AZR 436/08, Rn. 14 ff., BAGE 130, 338[↩]
- BAG 19.08.2015 – 5 AZR 500/14, Rn. 26 f. mwN[↩]
- BAG 16.05.2012 – 5 AZR 331/11, Rn. 30 mwN, BAGE 141, 324[↩]
- BAG 16.05.2012 – 5 AZR 268/11, Rn. 35 ff., BAGE 141, 348[↩]
- BAG 17.10.2012 – 5 AZR 792/11, Rn.20, BAGE 143, 212[↩]
- vgl. BAG 17.08.2011 – 5 AZR 406/10, Rn. 11 mwN, BAGE 139, 44[↩]
- BAG 16.05.2012 – 5 AZR 331/11, Rn. 21 mwN, BAGE 141, 324[↩]
- zu den Unterschieden BAG 19.11.2014 – 5 AZR 1101/12, Rn. 16, 18 mwN; zum Umschlagen von Rufbereitschaft in Bereitschaftsdienst s. BAG 22.01.2004 – 6 AZR 543/02, zu II 2 c der Gründe; ErfK/Wank 15. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 30; Buschmann/Ulber ArbZG 8. Aufl. § 2 Rn. 21[↩]
- vgl. BAG 20.04.2011 – 5 AZR 200/10, Rn. 32, BAGE 137, 366; 19.11.2014 – 5 AZR 1101/12, Rn. 16[↩]
- vgl. BGH 28.10.2015 – VIII ZR 13/12, Rn. 69 mwN[↩]
- vgl. BAG 25.06.2015 – 6 AZR 383/14, Rn. 39; BGH 28.10.2015 – VIII ZR 13/12, Rn. 72 – jeweils mwN[↩]