Eine mangels Übermittlung der Tagesordnung iSd. § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG verfahrensfehlerhafte Ladung zu einer Betriebsratssitzung kann durch die ordnungsgemäß geladenen Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrats in der Betriebsratssitzung geheilt werden, wenn der Betriebsrat beschlussfähig iSd. § 33 Abs. 2 BetrVG ist und die Anwesenden einstimmig beschließen, über einen Regelungsgegenstand zu beraten und abzustimmen.

Das Erfordernis der Einstimmigkeit schützt das einzelne Betriebsratsmitglied davor, über betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheiten befinden zu müssen, mit denen es sich aus seiner Sicht noch nicht angemessen befasst und noch keine abschließende Meinung gebildet hat. Um diesen Schutz zu erreichen, wird von dem einzelnen Betriebsratsmitglied lediglich verlangt, der Ergänzung oder der Erstellung einer bisher nicht vorhandenen Tagesordnung ohne Begründung die Zustimmung zu verweigern. Bereits dadurch wird der Betriebsrat an einer abschließenden Willensbildung in der betreffenden Angelegenheit gehindert.
Dagegen genügt es nicht, wenn die anwesenden Betriebsratsmitglieder mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit für die Ergänzung oder Aufstellung einer Tagesordnung stimmen. Dadurch wird die eigenständige Willensbildung des einzelnen Betriebsratsmitglieds nicht hinreichend geschützt. Vielmehr wäre es auf die Unterstützung anderer Mitglieder des Betriebsrats angewiesen. Dem soll die Verfahrensvorschrift des § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG aber gerade entgegenwirken.
Der einstimmige Beschluss kann von dem nach Maßgabe von § 33 Abs. 2 BetrVG beschlussfähigen Betriebsrat gefasst werden. Das vollständige Erscheinen aller Mitglieder des Betriebsrats ist nicht erforderlich.
Der Normzweck des § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG verlangt keine Einschränkung der allgemeinen Regelung über die Beschlussfähigkeit des Betriebsrats, wenn dieser über die Ergänzung oder Aufstellung einer Tagesordnung in der laufenden Betriebsratssitzung zu entscheiden hat. Diesem wird vielmehr durch das Einstimmigkeitserfordernis hinreichend Rechnung getragen1.
Die anwesenden, ordnungsgemäß geladenen Betriebsratsmitglieder konnten mit der Ergänzung der Tagesordnung zugleich einen zuvor unwirksam gefassten Beschluss einstimmig genehmigen. Das Prinzip der Einstimmigkeit schützt das einzelne Betriebsratsmitglied auch insoweit ausreichend vor einer Überrumpelung und wahrt seine Rechte bei der demokratischen Willensbildung. Jedes Betriebsratsmitglied kann ohne weitere Begründung gegen eine Erweiterung der Tagesordnung stimmen und damit eine Vertagung der Tagesordnungspunkte erwirken, die ihm mit der Ladung nicht mitgeteilt wurden. Wurde bereits ein – unwirksamer – Beschluss gefasst, ist der Tagesordnungspunkt nach ordnungsgemäßer Ladung und hinreichender Vorbereitungszeit dann neu zu behandeln und ggf. ein erneuter Beschluss zu fassen. Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin besteht kein Anhaltspunkt dafür anzunehmen, ein einzelnes Betriebsratsmitglied werde in einer solchen Situation nicht verantwortungsvoll darüber entscheiden, ob es der Ergänzung der Tagesordnung zustimmt und Beschlüsse auch ohne erneute Erörterung genehmigt.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22. November 2017 – 7 ABR 46/16
- BAG 15.04.2014 – 1 ABR 2/13 (B), Rn. 35 f., BAGE 148, 26[↩]