Teilt der Betriebsratsvorsitzende dem Arbeitgeber mit, er könne in seinem dienstlich geführten elektronischen Kalender für einen bestimmten Tag keinen weiteren Termin mehr aufnehmen, weil er die freie Zeit zwischen den bereits gebuchten Terminen für Betriebsratsarbeit benötige, handelt er im Regelfall nicht pflichtwidrig, wenn er einen danach vom Arbeitgeber dennoch eingetragenen zusätzlichen dienstlichen Termin nicht wahrnimmt.

Nach § 37 Absatz 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats von ihren beruflichen Aufgaben zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Das Betriebsratsmitglied entscheidet selbst, ob es zur Aufnahme von Betriebsratstätigkeit den Arbeitsplatz verlässt, eine Zustimmung des Arbeitgebers ist dazu nicht erforderlich1. Das Betriebsratsmitglied hat sich allerdings bei seinem Fachvorgesetzten möglichst frühzeitig abzumelden, damit dieser die Chance hat, die Arbeit entsprechend umzuorganisieren2.
In diesem Sinne hat sich der beteiligte Betriebsratsvorsitzende rechtzeitig (hier:) vor dem 22.09.2012 zur Aufnahme von Betriebsratstätigkeit abgemeldet, denn er hat am 18. oder 19.09.2014 seinen Vorgesetzten darauf hingewiesen, dass sein Therapiekalender mit Stand vom 18.09.2014 voll sei, da er die noch bestehenden freien Zeitabschnitte für die Wahrnehmung von Betriebsratstätigkeit benötige. Mit der ordnungsgemäßen Anzeige der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit für den 22.09.2014 ab 11:00 Uhr ist die Arbeitspflicht des beteiligten Betriebsratsvorsitzenden für die Zeit seiner Betriebsratstätigkeit entfallen. Er unterlag daher nicht mehr dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Demnach hat er sich weder weisungswidrig verhalten, noch hat er seine Arbeitspflicht vernachlässigt.
Die Arbeitgeberin hat keine geeigneten Umstände vorgetragen, die den Schluss gestatten, der beteiligte Vorsitzende hätte die Aufnahme von Betriebsratstätigkeit lediglich vorgeschoben, um sein Nichtstun oder eine in Wahrheit doch gegebene Arbeitsverweigerung verbergen zu können.
Allein aus dem Umstand, dass sich Arbeitgeber und Betriebsrat vorliegend darauf verständigt haben, dass der Vorsitzende des Betriebsrats für zwei im Voraus feststehende Tage der Woche von der Arbeit zum Zwecke der Erledigung von Betriebsratsaufgaben freigestellt wird, kann nicht geschlossen werden, dass Betriebsratsarbeit, die der Betriebsrat darüber hinaus für erforderlich hält, in Wahrheit nicht erforderlich ist. Denn durch das Anknüpfen an das Merkmal der Erforderlichkeit in § 37 Absatz 2 BetrVG hat der Gesetzgeber einen flexiblen Maßstab geschaffen, der je nach den konkreten betrieblichen Verhältnissen zur Freistellung in gänzlich unterschiedlichem Umfang führen kann.
Möchte der Arbeitgeber im Beschlussverfahren vortragen, das Betriebsratsmitglied habe die Aufnahme von Betriebsratstätigkeit lediglich vorgeschoben, muss er also Umstände vortragen, die einen solchen Verdacht nahelegen. Es gibt allerdings keine Erfahrungssätze über das übliche Maß erforderlicher Betriebsratstätigkeit in Abhängigkeit von der Betriebs- oder der Betriebsratsgröße. Der Arbeitgeber müsste also grob die derzeit anstehenden Aufgaben des Betriebsrats skizzieren und diese der bisher dafür aufgewendeten Zeit gegenüberstellen. Derartigen Vortrag hat die Arbeitgeberin hier nicht ansatzweise geleistet. Abgesehen davon spricht schon allein die große Anzahl der Beschlussverfahren, die derzeit mit Beteiligung der Arbeitgeberin wegen des Betriebes auf U. bei Gericht anhängig sind oder jüngst anhängig waren, dafür, dass der zeitliche Aufwand der Betriebsratstätigkeit in diesem Betrieb derzeit außergewöhnlich hoch ist.
Landesarbeitsgericht Mecklenburg -Vorpommern, Beschluss vom 24. Mai 2016 – 2 TaBV 22/15